Hi Georgie, darf ich dich heute noch einmal mit Fragen löchern. - Klar, gerne. - Ich kann mir vorstellen, dass systemische, systemtheoretische und konstruktivistische Ansätze in Hierarchien nicht so gut ankommen? Wenn wir über Verteilung von Macht sprechen und so…
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Georgie: In verschiedenen Umgebungen gestaltet sich die Akzeptanz und Umsetzung neuer Ansätze individuell und kontextabhängig. Insbesondere in traditionellen hierarchischen Strukturen ergeben sich tatsächlich einige Herausforderungen:
- Widerstand gegen Veränderung: In stark hierarchischen Umgebungen kann die Einführung partizipativer Entscheidungsfindung auf Widerstand stoßen, da sie Kontrollverlust befürchten oder neue Arbeitsweisen ablehnen.
- Anpassung von Bewertungssystemen: Traditionelle quantitative Leistungsbewertungen stehen im Konflikt mit individuellen Fortschritts- und prozessorientierten Ansätzen, was eine Überarbeitung der Bewertungskriterien erfordert.
Positive Aufnahme und Vorteile
- Förderung von Innovation und Kreativität: Organisationen, die offener für partizipative Ansätze sind, berichten von gesteigerter Kreativität, Innovation und Mitarbeiterzufriedenheit.
- Verbesserte Problemlösung und Anpassungsfähigkeit: Durch Einbeziehung verschiedener Perspektiven und Betonung von Selbstorganisation können komplexe Probleme effektiver gelöst und Systeme flexibler gestaltet werden.
- Erhöhung der Motivation und des Engagements: Aktive Beteiligung an Entscheidungsprozessen und Berücksichtigung individueller Bedürfnisse können Motivation und Engagement erhöhen.
Umsetzung und Integration
- Schrittweise Einführung: Eine schrittweise Einführung neuer Ansätze erleichtert den Übergang und fördert die Akzeptanz.
- Schulung und Weiterbildung: Um die Vorteile dieser Ansätze zu vermitteln, sind umfangreiche Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich.
- Anpassung an den Kontext: Die Ausgestaltung der Ansätze muss an den jeweiligen Kontext und die Bedürfnisse der Beteiligten angepasst werden.
Gesellschaftlicher und kultureller Wandel
- Langfristige Perspektive: Die breitere Akzeptanz dieser Ansätze kann einen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel fördern, der Inklusion, Diversität und Empowerment unterstützt.
- Herausforderung für bestehende Machtstrukturen: Die Einführung neuer Ansätze kann bestehende Machtstrukturen herausfordern und zu gesellschaftlichen Debatten über Autorität und die Organisation von Arbeit und Bildung führen.
Systemische Ansätze bieten trotz Herausforderungen die Möglichkeit, individuelle Bedürfnisse besser zu berücksichtigen, Innovation zu fördern und resilientere Systeme zu schaffen. Der Erfolg dieser Transformation hängt von der Bereitschaft zum Wandel, unterstützenden Rahmenbedingungen und der Fähigkeit ab, die Vorteile dieser Ansätze zu kommunizieren und zu demonstrieren.
Edgar: Es gibt ja aber doch wohl (externe) Gründe, warum systemische und konstruktivistische Ansätze und Sichtweisen in den letzten Jahrzehnten etablieren, oder?
Georgie: Ja, einige wichtige Gründe sogar:
- Komplexität der Gesellschaft: Die moderne Welt ist durch zunehmende Vernetzung und technologischen Fortschritt geprägt. Systemische und konstruktivistische Ansätze bieten Werkzeuge, um mit dieser Komplexität umzugehen.
- Forschung in Kognitionswissenschaft und Neurowissenschaft: Erkenntnisse aus diesen Bereichen unterstützen die Idee aktiven, erfahrungsbasierten Lernens, was konstruktivistische Ansätze im Bildungsbereich stärkt.
- Veränderungen in der Arbeitswelt: Agile, teambasierte Arbeitsmodelle werden wichtiger. Systemische Ansätze fördern effektive Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit.
- Globalisierung und kulturelle Vielfalt: Verschiedene Perspektiven und Lebensweisen werden anerkannt. Systemische Ansätze helfen, diese Vielfalt zu integrieren.
- Digitalisierung und Informationsgesellschaft: Die Rolle von Medien und Technologie bei der Wahrnehmung und dem Verständnis der Welt wird reflektiert.
- Psychische Gesundheit: Es entsteht ein wachsendes Bewusstsein für ganzheitliche Therapieansätze. Systemische Therapie berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen Individuen und ihren sozialen Kontexten.
Diese Entwicklungen haben systemische und konstruktivistische Ansätze in verschiedenen Bereichen gestärkt, da sie effektive Strategien bieten, um mit den Herausforderungen der modernen Welt umzugehen und individuelle Entwicklung zu fördern.
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Edgar: Würdest du auch sagen, dass man mit systemischen Managementansätzen auch Zusammenarbeit effektiver gestalten kann und dadurch Prozesskosten sparen kann?
Georgie: Oh ja, das würde ich definitiv sagen! Auf vielfältige Weise tun sie das:
- Bessere Kommunikation: Offene Kanäle und Dialog reduzieren Missverständnisse und fördern die Teamabstimmung.
- Mehr Problemlösungskompetenz: Durch systemisches Denken verstehen Teams Ursachen tiefergehend und finden nachhaltige Lösungen.
- Effektivere Entscheidungsfindung: Einbeziehung verschiedener Stakeholder erhöht die Akzeptanz von Entscheidungen und fördert Anpassungsfähigkeit.
- Mitarbeitermotivation: Mitarbeitende gestalten Prozesse mit, was ihre Motivation und Zufriedenheit steigert und die Fluktuation verringert.
- Nachhaltiges Change Management: Offenheit für Veränderungen und ganzheitliche Integration minimieren Reibungsverluste.
- Effizienter Ressourceneinsatz: Systemverständnis ermöglicht gezielteren Einsatz von Ressourcen basierend auf organisatorischen Dynamiken.
Systemische Managementansätze reduzieren Prozesskosten, indem sie die Effektivität und Effizienz der Zusammenarbeit steigern, die Problemlösungsfähigkeit verbessern und ein anpassungsfähigeres und resilienteres Organisationsumfeld schaffen.
Das erfordert allerdings auch oft eine Investition in Schulung und Entwicklung der Mitarbeitenden und Führungskräfte, um die notwendigen Kompetenzen für ein systemisches Denken und Handeln aufzubauen.
Edgar: Als langjähriger Fan von Agilität und Scrum fällt mir natürlich sofort auf: Es gibt definitiv starke Verbindungen zwischen systemisch-konstruktivistischen und agilen Ansätzen, oder?
Georgie: Absolut! Wenn du ein alter Hase in Sachen Agilität und Scrum bist, wirst du viele Parallelen erkennen, insbesondere bei Scrum. Die Ansätze und Methoden haben alle ähnliche Werte und Prinzipien, die Flexibilität, Partizipation und die Anerkennung von Komplexität betonen. Hier sind einige der wichtigsten Parallelen:
- Feedback und Iteration: In beiden Ansätzen steht kontinuierliches Feedback und iterative Prozesse im Mittelpunkt. Das ermöglicht ständiges Lernen und Anpassen, was besonders wichtig ist, um in komplexen Umgebungen erfolgreich zu sein.
- Teamarbeit: Agile Methoden und Scrum setzen auf Teamarbeit und Selbstorganisation. Das entspricht dem systemischen Ansatz, der die Dynamik innerhalb von Gruppen betont und Lösungen durch das Team selbst fördert.
- Partizipation: Die Einbeziehung aller Teammitglieder in Entscheidungsprozesse ist entscheidend für den Erfolg, sowohl in agilen als auch in systemischen Ansätzen. Das steigert Motivation und Engagement.
- Vielfalt schätzen: Die Wertschätzung verschiedener Perspektiven und Erfahrungen ist sowohl in Scrum als auch in systemischen Ansätzen wichtig für kreative Lösungen und Innovationen.
- Flexibilität: Agile Methoden zeichnen sich durch ihre Anpassungsfähigkeit aus, die auch in systemischen Ansätzen zu finden ist. Beide betonen, dass sich Systeme ständig weiterentwickeln und verändern.
- Kontext und Beziehungen: Beide Ansätze berücksichtigen den Kontext und die Beziehungen innerhalb eines Systems. Lösungen entstehen nicht im Vakuum, sondern sind von den Interaktionen innerhalb des Systems beeinflusst.
- Selbstorganisation: Die Befähigung von Teams, ihre Arbeit selbst zu organisieren und Entscheidungen zu treffen, ist ein zentrales Element sowohl in der agilen Welt als auch in systemischen Konzepten.
Insgesamt haben agile und systemische Ansätze eine ähnliche Philosophie, die die Bedeutung von Menschen, Interaktionen und kontinuierlicher Anpassung betont. Sie hinterfragen traditionelle Managementpraktiken und bieten alternative Ansätze, die besser für die heutigen dynamischen Umgebungen geeignet sind.
- Hier geht’s zu allen Teilen des Interviews.

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de
Literatur
- Ameln, Falko von: Konstruktivismus. Die Grundlagen systemischer Therapie, Beratung und Bildungsarbeit.
- Ameln, Falko von: Organisationsberatung : Eine Einführung für Berater, Führungskräfte und Studierende.
- Rodehack, Edgar: "Klingt nach Beratersprech" #1/6: Systemisch, systemtheoretisch, konstruktivistisch? Blogpost vom 15.4.2024 auf www.teamworkblog.de
- Rodehack, Edgar: "Klingt nach Beratersprech" #2/6: Veränderungen konstruktivistisch anleiten?. Blogpost vom 16.4.2024 auf www.teamworkblog.de
- Rodehack, Edgar: "Klingt nach Beratersprech" #3/6: Wo ist der Link zu Agile? Blogpost vom 17.4.2024 auf www.teamworkblog.de
- Rodehack, Edgar: "Klingt nach Beratersprech" #4/6: Heiße Berater-Luft oder die "Zweite Aufklärung"? Blogpost vom 18.4.2024 auf www.teamworkblog.de
- Rodehack, Edgar: "Klingt nach Beratersprech" #5/6: Wo fangen wir an? Blogpost vom 19.4.2024 auf www.teamworkblog.de
- Rodehack, Edgar: "Klingt nach Beratersprech" #6/6: Zurück ins Mittelalter oder starten wir eine Zweite Aufklärung? Blogpost vom 20.4.2024 auf www.teamworkblog.de
- Simon, Fritz: Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus.
- Simon, Fritz B.: Einführung in die systemische Organisationstheorie.
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