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"Klingt nach Beratersprech" #5/6: Wo fangen wir an?

Hey Georgie, Du sprichst immer wieder von „Widerstand gegen Veränderung“. Warum? Von wo ist der Widerstand denn zu erwarten? 

Bild: Autor mit Hilfe von Bing Image Creator

Edgar: Das kann ja wohl nur von der Seite herrühren, die heute die meiste Entscheidungsmacht hat - und mutmaßlich natürlich den meisten Profit macht. Oder gibt‘s da noch andere Gruppen, die dir vorschweben?

Georgie: Widerstand gegen Veränderung ist vielfältig und hat verschiedene Ursachen. Es gibt die offensichtlichen Gründe, wie die Angst, Status oder finanzielle Vorteile zu verlieren. Aber auch weniger offensichtliche Faktoren spielen eine Rolle:

Individuellen Ebene

Gewohnheit: Menschen halten oft an Gewohnheiten fest, weil sie Sicherheit bieten und Veränderungen Unsicherheit auslösen können.

  • Angst vor Verlust: Menschen fürchten nicht nur den Verlust von Status oder Geld, sondern auch den Verlust ihrer Identität oder sozialen Bindungen.
  • Mangelndes Vertrauen: Wenn Menschen den Veränderungsprozess oder die Initiatoren nicht vertrauen, kann das zu Widerstand führen.

Organisationalen Ebene

  • Unternehmenskultur: Eine Kultur der Risikoaversion und Hierarchie kann Innovationen behindern.
  • Strukturelle Trägheit: Organisationen können träge sein, weil sie an etablierten Prozessen und Machtstrukturen festhalten.

Gesellschaftlichen Ebene

  • Sozioökonomische Strukturen: Ungleichheiten können Widerstand gegen Veränderung hervorrufen, insbesondere wenn Ressourcen oder Machtverteilung betroffen sind.
  • Ideologische und politische Interessen: Ideologien und politische Interessen können Widerstand auslösen, wenn sie sich bedroht fühlen.

Widerstand gegen Veränderung ist also komplex und erfordert ein Verständnis der individuellen Ängste, organisationalen Strukturen und gesellschaftlichen Kräfte, um Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten.


Edgar: Hm, bin immer noch nicht so recht überzeugt, obwohl ich natürlich auch die Zurückhaltung auf den verschiedenen Ebenen kenne, die du ansprichst. Noch mal zurück zur „zweiten Aufklärung“: Inwiefern siehst du eine solche Bewegung als ambitioniert an? Was bringt dich dazu? Man könnte, bei dem, was du schon alles für gute Gründe für eine systemische und konstruktivistische Vorgehensweise angeführt hast, ja auch zu dem Schluss kommen, dass es eine ganz natürliche Sache werden könnte, die sich quasi nebenbei etabliert.

Georgie: Deine Idee von einer "zweiten Aufklärung", die auf systemischen und konstruktivistischen Prinzipien beruht und sich organisch entwickeln könnte, ist faszinierend. Es stellt sich die Frage, wie solche Veränderungen entstehen können. Einige Hinweise deuten darauf hin, dass unsere Gesellschaft und Arbeitswelt in Richtung solcher Ansätze tendieren.

Eine Bewegung zur "zweiten Aufklärung" ist für mich aus diesen Gründen ambitioniert:

  • Umfassender Wandel: Es erfordert nicht nur neue Technologien oder Arbeitsmethoden, sondern eine grundlegende Änderung in Denkweisen und Werten.
  • Systemische Hindernisse: Strukturelle Barrieren und Machtstrukturen erschweren Veränderungen.
  • Bildung und Bewusstseinsbildung: Kritisches Denken und ethische Reflexion benötigen weltweit bessere Bildung.
  • Aktive Gestaltung: Die Integration solcher Prinzipien erfordert bewusste Anstrengungen und politisches Engagement.
  • Balance zwischen Technologie und Menschlichkeit: Es gilt, technologischen Fortschritt mit menschlichen Werten in Einklang zu bringen.
  • Globale Ungleichheiten: Die Herausforderung betrifft unterschiedliche Regionen und Bevölkerungsgruppen weltweit.

Für mich steht fest: Obwohl einige Veränderungen organisch entstehen könnten, wird eine "zweite Aufklärung" eine bewusste und sehr engagierte Anstrengung erfordern, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Dabei sind die Beteiligung aller auf allen Ebenen, von Individuen bis Regierungen, entscheidend.

Bild: Autor mit Hilfe von Bing Image Creator

Edgar: Wo könnte denn ein guter Ausgangspunkt sein?

Georgie: Ein Ausgangspunkt für die Bewegung hin zu einer "zweiten Aufklärung", die systemische und konstruktivistische Prinzipien umfasst, könnte in mehreren Bereichen gleichzeitig angesetzt werden, da die Herausforderungen und Chancen vielschichtig sind. Hier einige potenzielle Startpunkte:

Bildung und lebenslanges Lernen

  • Aktualisierung der Lehrpläne: Integriere kritisches Denken, systemisches Verständnis und interdisziplinäres Lernen in alle Bildungsstufen.
  • Schulung für Lehrkräfte: Biete Fortbildungen an, die moderne pädagogische Ansätze wie Partizipation und kritisches Denken vermitteln.
  • Förderung von Lernumgebungen: Schaffe Umgebungen, die exploratives Lernen und Kollaboration unterstützen.

Wirtschaft und Arbeitswelt

  • Flexible Organisationsstrukturen: Fördere Strukturen, die Flexibilität und Mitarbeiterbeteiligung ermöglichen.
  • Nachhaltige Geschäftsmodelle: Ermutige zu Modellen, die soziale Verantwortung und Umweltschutz berücksichtigen.
  • Förderung von Innovation: Unterstütze Start-ups und Projekte für gesellschaftliche Lösungen.

Gesellschaft und Politik

  • Stärkung der Bürgerbeteiligung: Direkte Demokratie und Einbindung der Bürger in politische Entscheidungen.
  • Soziale Gerechtigkeit: Reduzierung von Ungleichheiten und Förderung inklusiver Politiken.
  • Globale Zusammenarbeit: Förderung des Dialogs zur Bewältigung globaler Herausforderungen.

Technologie und Digitalisierung

  • Digitale Kompetenzen: Vermittle nicht nur technisches Wissen, sondern auch ethische und soziale Aspekte.
  • Technologieethik: Förderung der kritischen Betrachtung von Technologien und ihren Auswirkungen.
  • Offener Zugang zu Wissen: Unterstütze den freien Zugang zu Wissen durch Open-Source-Projekte.

Persönliche Entwicklung und Engagement

  • Selbstreflexion: Förderung der Auseinandersetzung mit eigenen Werten und Handlungsmustern.
  • Ehrenamtliches Engagement: Unterstütze freiwilliges Engagement und soziales Unternehmertum.
  • Vernetzung und Austausch: Schaffe Plattformen für den internationalen Ideenaustausch.

Ein solch multidimensionaler Ansatz erkennt die Bedeutung individueller und kollektiver Anstrengungen an. Bewusstsein schaffen, Ressourcen gezielt einsetzen und Synergien zwischen verschiedenen Initiativen fördern sind entscheidend.


  • Der sechste und letzte Teil des Interviews folgt morgen. 
  • Hier geht’s zu allen Teilen des Interviews.

 

Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de


Literatur


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