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Was macht ein agiles Project Management Office (PMO)?

Was macht eigentlich ein Projektmanagementoffice, insbesondere wenn es auch agile Projekte in der Organisation gibt? Muss man es abschaffen, wenn alle Projekte agil umgesetzt werden? Was machen die Personen, die im PMO tätig sind? Hier ist ein Vorschlag für eine agile Ausgestaltung eines PMO.

Was macht ein PMO überhaupt?

Das Konzept eines Projektmanagementbüros sieht vor, dass alle Projekte über eine zentrale Stelle gesteuert und unterstützt werden. Monique Aubry, Brian Hobbs und Dennis Thuillier haben sich viele Gedanken über PMOs gemacht. Sie haben untersucht, wie Firmen PMOs aufbauen und einsetzen. Ihre Erkenntnisse haben sie zunächst im Jahr 2007 in einem vielbeachteten Artikel im International Journal of Project Management /1/ und später in einem Buch für das PMI /2/ vorgestellt. Sie haben 27 Aufgaben gefunden, die typischerweise einem PMO zugeordnet sind. Dazu gehören /2, S. 77, Table 2.4/:

  • Projektstatus an das höhere Management berichten
  • Ein Standardvorgehen entwickeln und umsetzen
  • Projektperformance überwachen und ggf. eingreifen
  • Kompetenzen entwickeln und Mitarbeiter trainieren
  • Ein System zum Steuern der Projekte aufsetzen und betreiben
  • Das höhere Management beraten
  • Verschiedene Projekte untereinander koordinieren
  • Eine Projekttafel (Scoreboard) entwickeln und pflegen
  • Sich für Projektmanagement in der Organisation einsetzen
  • Die Leistung des PMO überwachen und steuern
  • An der strategischen Planung mitmachen
  • Mentor für Projektmanager sein
  • Ein oder mehrere Portfolios steuern
  • Neue Projekte identifizieren, auswählen und priorisieren
  • Archive für Projektdokumentation verwalten
  • Ein oder mehrere Programme steuern
  • Audits durchführen
  • Als Schnittstelle zwischen Management und Kunden fungieren 
  • Tools bereitstellen (ohne Zwang der Vereinheitlichung)
  • Bestimmte Aufgaben für Projektmanager übernehmen
  • Ressourcen für verschiedene Projekte verwalten
  • Projektreviews (nach Projektende) durchführen
  • Eine Datenbank für Erfahrungen (Lessons Learned) aufsetzen
  • Nutzen steuern
  • Die Umgebung überwachen
  • Projektmanager finden, auswählen, bewerten; Gehalt festlegen

Die Autoren haben verschiedene PMOs untersucht, um eine theoretische Basis für PMOs zu beschreiben, die sich auch empirisch überprüfen lässt. PMO sind ein Ansatz, um Projektarbeit organisatorisch zu verankern. Aubry und Co. schreiben: „The goal of organisational project management is not just to deliver projects on time, on budget and in conformity with technical and quality specifications. The goal is to create value for the business.“ /1/ Es geht also nicht nur um pünktliche Projektergebnisse, sondern um geschäftlichen Nutzen. Das ist eigentlich die Aufgabe von jeder Führungsrolle oder Managementinstanz in einer Organisation. Aber da stellt sich die Frage: „Wer liefert denn nun die geschäftlichen Ergebnisse? Die Unternehmensleitung, der entsprechende projektdurchführende Bereich oder das PMO?“ Daran schließt sich für mich die Frage an: „Funktioniert das Konstrukt eines PMOs überhaupt?“

PMOs funktionieren nicht

Ori Schibi zitiert im Jahr 2013 einen Artikel von Duddy und Perry aus dem Jahr 2010, dass 3 von 4 PMOs innerhalb der ersten drei Jahre wieder geschlossen werden, weil sie keinen Nutzen bringen /3, 4/. Schibi listet ein paar Gründe auf. Aber sie lassen sich gut mit dem Widerspruch zusammenfassen, dass nicht klar ist, wer für die Wertlieferung der Projekte verantwortlich ist. 

PMOs werden vor allem als Projekt- oder Templatepolizei wahrgenommen. Sie dienen vor allem sich selbst. Sie produzieren viele Daten aber wenig Wert. Aus meiner Sicht brauchen wir keine PMOs:

  • Die Projekte sollten von den Bereichen gesteuert und umgesetzt werden, die den größten Nutzen und Umsetzungsverantwortung haben.
  • Die Überwachung von Projekten, aber auch von Programmen und Portfolios ist Aufgabe der Unternehmensleitung.

Hinzu kommt, dass eine Organisation, die sich auf Projekte optimiert, oft Teams immer wieder auseinander reißt. Projektmanager werden immer wieder in neue Teams gesteckt, Umsetzer landen immer wieder in neuen Teams. Und noch schlimmer: die wichtigen Umsetzer sind in mehreren Projekten gleichzeitig. Das kann nicht funktionieren. 

Die Menschen in den PMOs sind ebenfalls selten zufrieden. Sie haben keine wirkliche Autorität. Wo fängt ihre Aufgabe an; wo hört ihre Arbeit auf? Sie merken, dass die Projekt gut ohne sie arbeiten können. (PMOs sind also das Faxgerät im Büro, wenn die Kunden schon lange anders miteinander kommunizieren.)

Sind PMOs veraltet? (Bild mit KI erzeugt)

Aber was machen wir dann mit den Menschen, die in PMOs arbeiten? Sie haben die Entscheidung, ein PMO aufzusetzen, nicht getroffen. Sie müssen mit der Situation leben. Wie wäre es, wenn wir die Aufgaben anders betrachten?

Das agile PMO ist eine Community of Practice

PMOs sind meist nur mit wenigen Personen besetzt. Diese Personen könnten aus dem PMO eine Community of Practice für gute Projektarbeit machen. Sie machen sich so nützlich wie möglich und stehen den Projekten nicht im Weg.

Projekte sind eine Art, Innovationen zu erzeugen und Veränderungen in den Betrieb zu bringen. Aber sie sind nicht die einzige Art. Solange eine Organisation von Projekten überzeugt ist, müssen wir damit leben.

Die Aufgaben der Community könnten folgende sein:

  • Werben für feste Umsetzungsteams und Fokus. Das hat einen großen Nutzen. 
  • Ein Hindernis für feste Teams ist oft Spezialwissen von einzelnen Personen. Die Community könnte den Wissensaustausch organisieren, um später feste Teams zu bilden. Die Community vermittelt also nicht nur Projektmethodenwissen, sondern auch Fachwissen.
  • Die Standards müssen aus den Projektteams und nicht von den Stabsstellen kommen. Das PMO könnte zu Community-Treffen und zu Open Spaces einladen, um die Standards setzen zu lassen. Das führt zu besseren Ideen und sie werden nachhaltiger umgesetzt.
  • Die Community erstellt ein Backlog mit Ideen, die in allen Umsetzungsteams umzusetzen sind, um die Lieferfähigkeit der Projekte insgesamt zu erhöhen. Jeden Monat machen die Teams kleine Schritte nach vorn.

Das Ziel muss sein, Projekte möglichst schnell erfolgreich zu beenden. Es ist kein Ziel möglichst viele gleichzeitige Projekte zu verwalten. Die Kapazität einer Organisation, neben den laufenden Aufgaben, Projekte zu machen ist begrenzt. Ein Standardbericht über alle Projekte und regelmäßige Besprechungen, in dem alle Projekte besprechen werden, sind daher kontraproduktiv.

Könnte das funktionieren? Ich denke, dass eine wichtige Voraussetzung der Kontakt zu den Führungskräften und Projektmenschen ist. Zu Beginn sollten die Personen aus dem PMO durch alle Bereiche und Projekte touren, beobachten und zuhören. Das kostet Zeit, baut aber Vertrauen auf. 

Bei einigen Aufgaben sollten die Personen aus dem PMO auch ganz klar der Unternehmensleitung sagen, dass sie diese Aufgaben nicht übernehmen können. Das PMO ist ein Service für die Projekte und es wird aus indirekt aus den Projekten finanziert.

Literaturquellen

  • /1/ Aubry, Monique, Brian Hobbs, and Denis Thuillier. "A new framework for understanding organisational project management through the PMO." International journal of project management25.4 (2007): 328-336.
  • /2/ Aubry, Monique, and Brian Hobbs. "The Project Management Office (PMO): a quest for understanding." Project Management Institute, 2010.
  • /3/ Schibi, Ori. "Why PMOs do not deliver to their potential." Project Management Institute, 2013.
  • /4/ Duddy, M., & Perry, M.P. (2010). APM, Business Focused PMO Setup, PMI survey 2010

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