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Wenn Leisten Leistung kostet

Immer. Immer "on". Immer mehr. Immer schneller. Und natürlich: Immer besser. Das ist die Welt, in der wir heute leben. Eine Welt der Dauerleistung. Und die hat ihren Preis: Wir werden schwächer. Sofern wir nicht die Grundlagen guten (Selbst-)Managements beherzigen und Pausen machen. Also zur richten Zeit das wirklich Wichtige tun.

Bild: DALL E mit Hilfe des Autors
Wir hetzen von Termin zu Termin, organisieren den Alltag auf die Minute genau und versuchen, überall gleichzeitig alles richtig zu machen: im Job, in der Familie, bei unseren Freunden, beim Sport. Checklisten werden abgehakt, Ziele erreicht. 

Und trotzdem bleibt oft ein schales Gefühl zurück. Wie kann es sein, dass wir scheinbar alles richtig machen und uns trotzdem unerfüllt, manchmal sogar leer fühlen?

Leistung braucht Sinn – und Gefühl

Ziele zu erreichen ist ein großartiges Gefühl. Wenn wir gefordert werden, wachsen wir über uns hinaus, finden kreative Lösungen und erleben uns als selbstwirksam. Schön.

Es gibt nur einen Haken: Dieses gute Gefühl stellt sich nur ein, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: 
  1. Unsere Aufgaben müssen für uns emotional Sinn ergeben.
  2. So platt das auch klingen mag, müssen wir überhaupt in der Lage sein, zu fühlen.
Doch genau diese beiden Dinge sind bei Dauerbelastung und Dauerstress meist nicht gegeben.

Egal, wie sehr man uns Dinge anpreist, für die es sich angeblich lohnt, sich reinzuhängen, und sie uns zu verkaufen versucht: Ob es sich wirklich lohnt, darüber entscheidet jede und jeder für sich.

Denn: Emotionaler Sinn ist individuell. Er entsteht aus dem, was uns persönlich grundsätzlich wichtig ist (Werte), was wir allgemein und im Moment brauchen (Bedürfnisse) und was die aktuelle Lage gerade zu erfordern scheint.

Kein allgemeines Erfolgsrezept oder Gesetz der Welt kann diesen Mechanismus aushebeln. (Außer  nackte Gewalt, die aber kurz-, mittel- und langfristig eher wenig Aussichten auf echten Erfolg hat, weil Gewalt immer mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist.)

Deshalb gilt: Nur wenn wir uns mit "unserem" Sinn in unseren tagtäglichen Aufgaben wiederfinden, werden wir sie dauerhaft gut erledigen, machen sie uns dauerhaft leistungsfähig. Und zufrieden.

Bild: DALL E mit Hilfe vom Autor

Der Preis von Dauerstress

Wir sind darauf programmiert, in akuten Belastungsphasen alles zu geben. Wenn wir uns in einem solchen Zustand einer Aufgabe widmen, konzentrieren wir uns voll und ganz darauf – und nur darauf.

Wir spannen unsere Muskeln an, wir atmen flacher, wir blenden anderes aus, werden weniger empathisch. Blut wird in Arme und Beine gepumpt (und vom Kopf weg, wo wir es zum Denken und Fühlen vielleicht besser gebrauchen könnten) –  wir sind bereit zum Durchbeißen, zum Kämpfen./1/ 

Für kurze Zeit funktioniert das fantastisch. Vor allem für Aufgaben, die wir ohne viel Kreativität abarbeiten müssen. Wenn eine Beanspruchung die nächste jagt, bleiben wir in diesem Habacht-Zustand hängen, der uns zwar hochkonzentriert und leistungsfähig macht, aber leider auch unkreativ und unflexibel. 

Außerdem kostet uns das alles enorm viel Kraft.

Die Folge: Wir verlieren Flexibilität und Selbstkontrolle, unser Denken verengt sich auf Routinen. Mit anderen Worten: Wir leisten scheinbar viel, können aber weniger.

Und dieses Vorgehen frisst die Substanz auf, die wir für kluge Entscheidungen und gute, kreative Lösungen eigentlich bräuchten. Und auch fürs Durchhalten auf längerer Strecke.

(Kein Wunder, dass so viele heute irgendwann erschöpft sind. Ein guter Umgang mit dem Thema Leistung hilft, rechtzeitig gegensteuern und Burnout vorzubeugen.)

Bild: DALL E mit Hilfe des Autors

Leistung ist kein Dauerlauf - eher eine Bergtour

Viel hilft also viel? Wohl weniger. Dauerhafte Hochspannung macht uns nicht besser oder stark. Sie macht uns starr und schwach.

Leistung ist vielmehr wie eine Bergtour – oder wie ein Marathon. Es geht darum, die Kräfte einzuteilen, Pausen einzulegen, im richtigen Moment Tempo zu machen und zwischendurch auch mal durchzuatmen. Wer das vergisst, bricht irgendwann ein.

Leistungsfähigkeit entsteht im Wechsel: Anspannung, Entspannung und Erholung – erst dann wieder Anspannung. Nur wer diesen Rhythmus zulässt, auch eben Pausen, regeneriert Körper und Geist, bleibt flexibel und kann seine volle Kraft einsetzen.

Und das gilt längst nicht nur im Selbstmanagement für Einzelne. Es gilt vielleicht besonders für Teams, Organisationen und ganze Gesellschaften. (Auch die so genannten Leistungsgesellschaften, zu denen wir uns ja bekanntlich zählen.)

Bild: DALL E mit Hilfe des Autors

Pausen als wichtigste Führungsaufgabe

Natürlich gibt es viele kleine Tipps, um sich im Alltag besser zu erholen: bewusst atmen, regelmäßig bewegen, den Bildschirm für eine Weile ausmachen.

Noch wichtiger ist es aber, überhaupt zu erkennen, dass dies keine kleineren Spielereien oder nette Tools zur Selbstoptimierung sind, die man halt machen kann oder nicht.

Gezieltes Nicht-Tun gehört zum Leisten wie das gezielte Tun in konzentrierten Arbeitsphasen.

Zum professionellen Handwerkszeug gehört deshalb auch, dass wir die eigenen Stressmuster kennen und achtsam durch unseren Alltag gehen.

Damit wir zur richtigen Zeit die richtigen Dinge tun können. Zum Beispiel bei Überbeanspruchung rechtzeitig gegenzusteuern.

Für Teams und Organisationen heißt das: Strukturen schaffen, die Überforderung verhindern und einen professionellen Wechsel von Leistungs- und Erholungsphasen ermöglichen.

Agile Methoden sind ja z.B. nicht zufällig entwickelt worden. Scrum zum Beispiel sorgt mit klaren Rhythmen, Zeitfenstern und Rollen dafür, dass Leistung und Erholung sich abwechseln.

Und wer es schon einmal erlebt hat, weiß: Dabei geht es alles andere als um „Wellness im Büro“. Es geht um die Grundlage, dauerhaft zu leisten und verlässlich zu liefern – ein Kernthema moderner Führung.

Bild: DALL E mit Hilfe vom Autor

Was wirklich zählt

Am Ende bleibt es eben eine einfache, simple, immer schon bekannte Wahrheit: Leistung braucht Pausen. Punkt. Wer das ignoriert, zahlt früher oder später den Preis – weniger Qualität, weniger Kreativität, weniger Motivation, weniger Spaß. Und eher früher als später auch: weniger Gesundheit.

Deshalb: Achten wir auf uns selbst und auf die Menschen um uns herum, unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Teams, unsere Partnerinnen und Partner, unsere Familie. Und justieren wir nach. Und zwar, um dauerhaft gut zu arbeiten und zu leben. Um mehr herauszuholen. Um das Richtige zur richtigen Zeit leisten zu können. 

Und das möglichst lang, gut und gesund.

Bild: DALL E mit Hilfe vom Autor


Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile und gesunde Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de

Anmerkungen

/1/ Oder auch: zum Davonlaufen, was erklärt, wieviel Energie wir manchmal ins Vermeiden von Aufgaben stecken können (Prokrastination), statt dieselbe Energie einfach ins Erledigen stecken.

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