Direkt zum Hauptbereich

Agil arbeiten! Noch Fragen? (Teil 1)

Wer anfangen möchte (oder muss) agil zu arbeiten, hat meist viele Fragen. Einige sehr gute und nachvollziehbare Exemplare davon wurden mir neulich gestellt. Hier meine Versuche, sie zu beantworten. In ungeordneter Reihung. Und auf die Gefahr hin, in die Beraterfalle zu tappen./1/


Wie ist Agilität definiert?

Diese Frage ist natürlich ein Brett. Und eine, zu der sehr viele schlaue Menschen viele schlaue Dinge zu sagen haben. Eine einfache Internetrecherche lässt auch erahnen, dass eine ganze Industrie davon lebt. (Ja, stimmt, ich ja auch.) Hier möchte ich deshalb nur den aus meiner Sicht wichtigsten Aspekt nennen: Organisatorisches Lernen.

Für ein gutes Verständnis davon, was Agile grundsätzlich will und wie das ganze funktioniert, würde ich persönlich im ersten Moment (und eine gute Weile darüber hinaus) für ausreichend halten, den Scrum-Guide zu lesen (auch übrigens um ein solides Gespür dafür zu entwickeln, was auch die anderen agilen Arbeitsformen grundsätzlich umtreibt).

A propos Agile und Lernen: Siehe hierzu den supertollen Vortrag "Velocity City" von Jeff Patton auf dem Scrum Day 2017: 





 
Weiterlesen?



Was bringt Agilität?

Agilität ist dazu gedacht, allen, die auf irgendeiner Weise an einem Produkt oder Service beteiligt sind (Kunden, Stakeholdern, dem Management und auch den Teammitgliedern), möglichst nachhaltig das beste Ergebnis zu bescheren und das unter möglichst viel Sicherheit. Übergeordnetes Ziel ist, Investitionsrisiken zu minimieren, strukturelle und organisatorische Verschwendung (Zeit, Energie, Motivation und natürlich auch Geld) wo es möglich ist - also im gesamten Prozess - gleichzeitig zu vermeiden, nach und nach abzubauen und – das ist besonders wichtig – in kontrollierbaren kleinen schrittweisen (inkrementellen) Zyklen genau das zu liefern, was der Markt will oder brauchen kann. Und nicht nur das, was wir annehmen oder schlimmer: nur glauben, dass der Markt will oder brauchen kann.

Das Ziel: Die Wertschöpfung (am besten die gesamte) dauerhaft maximieren und vor allem bei Kunden (und Geschäftspartner) nach und nach stabile vertrauensvolle Bindungen aufzubauen und zu etablieren. Permanentes Erleben aller Geschäftspartner soll sein, dass sie nach und nach zumindest Teile eines guten und stetig verbesserten Produkts oder Service liefern bzw. erhalten, die tatsächlich benutzt werden. Insofern ist Agilität eine Reaktion auf das Unvermögen der viel zitierten Wasserfall-Projekte, bei welchen man oft sehr lange auf die Fertigstellung des gesamten Endprodukts wartet, die dann oft nicht (mehr) den gewünschten Gebrauchsnutzen bringen (was natürlich die Wertschöpfung des Auftraggebers oder Kunden mindert).

Durch dieses schrittweise Vorgehen baut Agilität auch bei den Teams der Produzenten (oder Dienstleister) Selbstvertrauen auf. Denn sie erleben ja, das sie ständig ausliefern. In „Wasserfall-Umfeldern“ ist zumindest subjektiv oft das Erleben: „Bei uns dauert alles immer ewig. Nix wird fertig. Schon gar nicht termingerecht.“ Und nicht nur Selbstvertrauen oder Motivation durch Erfolgserleben ist in diesem Zusammenhang wichtig. Ebenso wichtig ist, dass wir so unseren Cashflow auch optimieren. Denn für alle kleinen Lieferungen halten wir am besten immer auch gleich die Hand auf und verlangen Geld dafür.

Agilität erlaubt nicht nur, dass der Blick aller in der gesamten Unternehmung auf die Wertschöpfung gerichtet wird. Sie fordert es sogar konsequent und methodisch ein. Immer (wirklich!), vor allem in den allen agilen Routinen (in Scrum also z.B. Daily, Review oder in der Retrospektive) stellen wir uns die Frage, was wirklich wichtig ist. Natürlich hauptsächlich im Sinne des Kunden, vor allem aber auch im Sinne, dessen, was wir als Team oder Unternehmung erreichen wollen oder sollen. Alles, was nicht wichtig ist, wird konsequent entweder ganz sein gelassen, angepasst oder erst einmal hinten angestellt („Brauchen wir wirklich ein siebenseitiges Protokoll?“, „Was genau bringt uns unsere Marketingrunde in der jetzigen Form?“, „Müssen wir uns jetzt um dieses Problem kümmern oder reicht es, wenn wir das später machen?“).

Der größte Vorteil agiler Arbeitsrahmen ist (nicht nur aus meiner Sicht), dass es Teams und Unternehmen in die Lage versetzt, organisatorisch – also gemeinsam – zu lernen. Relevante Entwicklungen können so antizipiert werden und Fehlentwicklungen schnell erkannt und zügig darauf reagieren.



Weiterlesen?
  • Sutherland, Jeff: Scrum. The Art of Doing Twice the Work in Half the Time, New York, 2014. (Deutsch: Die Scrum-Revolution)
  •  

Wann ist agiles Handeln sinnvoll? Wie merke ich, was möglich ist zu tun?

Faustregel: Je unsicherer, unübersichtlicher, unplanbarer und komplexer das Umfeld, desto agiler. Denn agil bedeutet: Desto kürzer die Abstände, in welchen wir uns zu den wichtigen Dingen Feedback einholen und uns fragen, ob wir noch auf der richtigen Fährte sind. Doch Warnung: Alleine wird das nix! Das geht nur zusammen. Agilität ist ein Teamsport.

Und noch ein Hinweis: Selbst in Bereichen mit sehr vielen gleichmäßigen Routinen (so stelle ich mir als Fachfremder Buchhaltung vor) sollte sich das Team regelmäßig die Frage stellen, was organisatorisch und qualitativ bedacht oder angepasst werden sollte, um die Arbeit der nächsten Zeit möglichst gut und zur Zufriedenheit der internen und externen Kunden erledigen zu können. Also auch in vermeintlich sehr sicheren Umfeldern macht es Sinn, die Frage zu stellen, ob noch alles in Ordnung ist.

Weiterlesen?

Schnell auf Anforderungen reagieren können? Anpassungsfähigkeit? Beweglichkeit in den Abläufen?

Um zu verstehen, wie das funktioniert, ist mehr Platz gefordert, als ich hier an dieser Stelle ausführen möchte. Nur so viel: Es ist ein Zusammenspiel aus Rollenklärung, Einführung von gewissen Praktiken und Meetings. Und die Lust und Selbsterlaubnis einer Organisation (auch die Lust und Erlaubnis des Managements) sich von alten Mustern zu verabschieden, die uns daran hindern, schnell und flexibel wichtige, rentable Projekte oder Services umzusetzen oder auf wichtige Ereignisse zu reagieren.

Weiterlesen?

Agiles Arbeiten an meinem Arbeitsplatz – wie?

Wenn ihr das alleine schaffen wollt – vergesst es! Wie gesagt: Agilität ist ein Teamsport, siehe oben. Ihr braucht eure KollegInnen und Teammitglieder dazu. Und eher früher als später eure Chefs. Ansonsten aber der Tipp: Sucht Euch Verbündete und startet z.B. mit Retrospektiven, um in die agilen Routine und den agilen Rhythmus zu finden („Steter Tropfen höhlt den Stein.“ „Die (agile) Kultur folgt der (agilen) Struktur.“)

Weiterlesen?
  • Appelo, Jurgen: How to Change the World. Change Management 3.0. Rotterdam, 2012.
  • Mezick, Daniel J.; Pontes, Deborah; Shinsato, Harold: The Open Space Agility Handbook, o.O., 2015.
  • Rother, Mike: Die Kata des Weltmarktführers. Toyotas Erfolgsmethoden. Frankfurt am Main, 2013.

Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für agiles Arbeiten?

Die Erkenntnis, dass es anders nicht mehr geht. Wer die Einsicht nicht hat, wird am Alten festhalten. Wir alle tun nun mal meist nur Dinge, die uns (persönlich) als sinnvoll erscheinen. Um agileres Arbeiten im Team oder der gesamten Unternehmung anzustoßen, ist aus meiner Erfahrung deshalb sehr wichtig, allen die wertschätzende Möglichkeit zu geben, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was Agilität eigentlich ist und was es für den eigenen Arbeitsalltag bedeuten und bringen kann. Das braucht bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich viel Zeit.

Das Führungsverhalten des Managements ist hierbei einer der entscheidendsten Faktoren. Warum? Leben sie agiles Arbeiten nicht vor, sondern verhalten sich wie eh und je, ist das für alle anderen das (zwar subtile, aber eindeutige) Signal, dass alles beim Alten bleiben soll (so ticken wir Rudeltiere nun mal). Deshalb wäre es sehr sinnvoll, dass sich zu allererst und vor allen anderen der Führungskreis - am besten aber gleichzeitig alle gemeinsam! - mit agilen Formen der Zusammenarbeit auseinandersetzt, statt den Change lediglich zu delegieren. Sie sollten natürlich zuerst verstanden haben, warum ein Wandel nötig ist bzw. was er bringen kann. Und was das in letzter Konsequenz bedeutet („Arbeiten auf Augenhöhe“, „Die Pyramide kippen“, „Ko-Abhängigkeiten abbauen“, „Abbau von Status-Strukturen“)

Idealerweise wäre das wohl der beste Weg, der seltener gewählt wird als man meinen würde. Heißt: Natürlich wird oft erst einmal der „agile Marschbefehl“ ausgegeben: „Ihr werdet agil, bei uns im Management ändert sich nichts. Ach und übrigens: Wer nicht schnell agil wird, der fliegt demnächst.“ Das ist natürlich – naja – nicht ganz so optimal, lässt sich aber so wertschätzend erklären: Denn das ist - pointiert formuliert -, was bislang Aufgabe und Art des (tayloristisch geprägten) Managements war und ist. Also ist das erste Experiment im agilen Wandel oft, mit den Command-and Control-Mitteln, also den Mitteln der Vergangenheit, den agilen Change zu bewerkstelligen. Das bedeutet oft die erste sehr lehrreiche Erfahrung, aus der man viel lernen kann. Bedenkt man es genau, kann das nicht gelingen. Agilität bedeutet Selbstorganisation.

 
  Weiterlesen?
  • Kotter, John P.: Accelerate. Building Strategic Agility for a Faster-Moving World. Boston, 2014.  
  • Mezick, Daniel J.; Pontes, Deborah; Shinsato, Harold: The Open Space Agility Handbook, o.O., 2015.
  • Senge, Peter M.: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation. Stuttgart, 2011.


Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de


Anmerkungen


Literatur & weiterführende Links

Weitere Literaturlisten auf Teamworkblog findet Ihr hier.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wofür braucht man einen Aktenplan?

Es muss im Jahr 2000 gewesen sein. In meinem Job hatte ich ein breites Feld an Aufgaben und ich wollte den Überblick behalten. Ich kannte mich schon mit verschiedenen Zeitmanagementsystemen aus. Aber mein Schreibtisch und meine elektronische Ablage wurden immer unübersichtlicher. Wer könnte noch ein Problem in der Ablage haben? Die Lösung fand ich in einem Handbuch für Sekretärinnen: einen Aktenplan. Ohne ihn wäre mein Leben anders verlaufen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg: 20 Reflexionsfragen für moderne Organisationen

Transparenz ist das Herzstück erfolgreicher Teams. Sie schafft Vertrauen und fördert Zusammenarbeit. Wenn alle Zugang zu den notwendigen Informationen haben, können sie fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dies führt zu höherer Effizienz, schnelleren Entscheidungsprozessen und besseren Arbeitsergebnissen. Transparenz ist mehr als ein Schlagwort – es gilt, sie greifbar zu machen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln und es in die Praxis umzusetzen. Wie das gelingt und welche Vorteile es für Euer Team und Eure Organisation bringt, erkunden wir im Folgenden.

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.

Remote Energizer – Frische Energie für Online-Meetings (Teil 1)

Remote Meetings können anstrengend sein – müde Augen, sinkende Konzentration und ein angespanntes Team. Aber keine Sorge: Mit den richtigen Energizern bringst du Schwung und Motivation in jede Online-Session! In diesem ersten Teil zeige ich dir vier Übungen, die schnell für gute Laune sorgen und deinen Meetings neuen Schwung verleihen.

Der Call for Workshops für den Scrum Day 2025 ist geöffnet

Der persönliche Austausch auf einer Konferenz hilft beim Lösen der eigenen Probleme im Unternehmen. Hier sind ein paar Vorschläge aus der Community für den nächsten Scrum Day. Ihr könnt jetzt Vorschläge für das Programm einreichen.

Wenn dein Team die Anforderungen blockt: 12 Tipps für Product Owner*innen

Liebe Product Owners, wir müssen reden. Schon wieder eine Anforderung, die im Nirgendwo landet? Zeit, das Ganze anders anzugehen. Ihr kennt das Spiel: Anforderungen sind ausgearbeitet, und doch läuft es im Team holprig. Was fehlt? Oft sind es Klarheit, realistische Erwartungen und ein bisschen Fingerspitzengefühl. Doch keine Sorge! Mit ein paar praktischen Tipps könnt ihr Missverständnisse vermeiden, Blockaden umgehen und den Entwicklungsprozess so richtig in Fahrt bringen – natürlich in Zusammenarbeit mit eurem Scrum Master. Hier sind zwölf Regeln, die euch helfen, das Team auf Kurs zu bringen und das Chaos in produktive Zusammenarbeit zu verwandeln. Wir zeigen dabei auch, wo der Scrum Master unterstützen kann, damit ihr eure Rolle als Product Owner noch besser erfüllen könnt. Häufige Stolperfallen: Warum Anforderungen oft scheitern Bevor wir ins Eingemachte gehen, kurz zu den typischen Stolperfallen. „Klare Anforderungen“? Klingt gut, scheitert aber sehr häufig an der realen Praxis. ...

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Die Stimmung in Deinem Team drehen? So wird’s gemacht.

Oder ähnlich. Mir gefiel der Titel. Vor ein paar Tagen hat mich jemand angesprochen und von einem, wohl etwas frustrierenden, virtuellen Teammeeting erzählt. Die Teammitglieder zogen lange Gesichter, schauten grimmig in ihre Kameras. Ich habe mich dann gefragt, was ich tun würde, wenn ich in so einer Situation wäre. In diesem Blogpost beschreibe ich ein paar Tipps mit denen Du die Stimmung in Deinem Team (und Deine eigene) verbessern kannst.

Zu viel zu tun? Planen Sie Ihre ideale Woche

Wir hören immer wieder, dass Teams zu viel zu tun haben. Aber woher wissen wir eigentlich, was zu viel genau bedeutet? Hier ist ein ungewöhnlicher Tipp: Treffen Sie Annahmen über eine gute Menge. Planen Sie eine ideale Woche.