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Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Qualität setzt sich durch

Auf LinkedIn habe ich herumgefragt, ob man nun als Agilist:in den Rückzug antreten solle, weil sich der Markt verändert. Es gab ein paar Kommentare zu dem Thema. Das Zwischenfazit war: Die guten Leute sollten als Berater:innen aktiv bleiben, damit keine Scharlatane den Markt übernehmen.

Ein Punkt war, dass sich Qualität bei einer (agilen) Beratung durchsetzt, wenn wir uns konsequent auf den Kundennutzen konzentrieren. Das Halten von Trainings oder das Stellen von zirkulären Fragen per se nützt dem Kunden nichts. Deswegen will ich in diesem Beitrag einmal ein paar Argumente sammeln.

Ich gehe davon aus, dass es grundsätzlich einen Markt für Beratung von Unternehmen gibt.

Was ist Kundennutzen?

Fangen wir einmal einfach an. In einem Buch von 1979 haben Chris P. Gane und Trish Sarson IRACIS als Abkürzung für Kundennutzen benutzt:

  • Mehr Umsatz (engl. “increased revenue – IR“)
  • Vermiedene Kosten (engl. “avoided cost – AC”)
  • Verbesserte Leistungsfähigkeit (engl. “improved service – IS”)

Der Kunde hat also einen Nutzen von irgendwelchen Aktivitäten, wenn er mehr Geld einnimmt oder langfristig spart. Selbst wenn er am Ende nicht mehr Geld hat, würden seine Kunden eine bessere Leistungsfähigkeit als Nutzen betrachten./1/

Gehen wir etwas weiter. Im Buch Benefits Management legen John Ward und Elizabeth Daniel dar, dass ein Unternehmen nur dann einen Nutzen hat, wenn sich seine Abläufe dauerhaft ändern. Ganz global kann man sagen, dass der Nutzen daher stammt, dass das Unternehmen neue Dinge macht, Dinge besser macht als vorher oder bestimmte Dinge stoppt.

Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Nutzen und den Aktivitäten im Unternehmen. Ward, Daniel und Peppard haben vorgeschlagen, ein Nutzennetz (engl. benefits dependency network) zu zeichen. /3/ Robert Kaplan und David P. Norton gehen mit der Balanced Scorecard und Strategy Maps einen ähnlichen Weg./4, 5/ OKRs bauen auch auf solch einem Verständnis der Zusammenhänge auf. Wir kommen später darauf zurück.

Von Peter Drucker gibt es eine gute Definition zum Zweck eines Unternehmens: "Es gibt nur eine wirksame Erklärung für den Zweck eines Unternehmens: Kunden schaffen" /6/

Dann fällt mir noch ein weiterer Punkt von Ronald Coase ein. Er begründet Unternehmensstrukturen mit Transaktionskosten. Unternehmer:innen könnten eigentlich jede erdenkliche Leistung am Markt einkaufen. Eine Firma bildet sich aber nur dann, wenn bestimmte Leistungen aus der eigenen Firma billiger sind als die am Markt verfügbaren Angebote. Je besser wir uns intern organisieren, desto geringer sind die Transaktionskosten. 

Geänderte Strukturen führen zu einem Nutzen

Fassen wir einmal zusammen:

  • Ein Kunde hat einen Nutzen, wenn er seinerseits Endkunden findet, die einen guten Preis zahlen.
  • Ein Kunde hat einen Nutzen, wenn er mehr Umsatz macht, Kosten spart oder bei gleichen finanziellen Zahlen eine bessere Leistung bietet.
  • Ein Kunde hat einen Nutzen, wenn seine (internen) Transaktionskosten zum Liefern von Ergebnissen geringer werden.
  • Interne Aktivitäten und geschäftlicher Nutzen hängen zusammen.
  • Der Kunde hat einen Nutzen, wenn er seine Abläufe dauerhaft ändert.

Leiten wir daraus Argumente für mehr Agilität ab. (Sie funktionieren aber auch für Lean Thinking oder Projektmanagement.) Abb.1 zeigt die Zusammenhänge als Bild.

Abb. 1: Geänderte Strukuren erhöhen den Kundennutzen

Mehr Umsatz

Beratung hilft, wenn ein Kunde mehr Endkunden für seine bestehenden Produkte findet oder neue Produkte anbietet und damit neue Endkunden anspricht. Durch die Beratung verbessert sich die Innovationsfähigkeit für neue Produkte und die Qualität der Produkte.

Beratungsansätze:

  • Grundsätzlich interdisziplinäre Teams bilden, weil sie besser liefern als lose Arbeitsgruppen.
  • Lean Product Development, Flexible Product Development, Set-based Concurrent Engineering, Systems Engineering, Design Thinking, Jobs to be done, Scrum helfen beim Formulieren von Endkundenproblemen und beim Entwickeln von guten Lösungen.
  • Engineering Checklisten sind ein gutes Mittel, mehrere Abteilungen für ein gutes Produkt zusammenzubringen.

Durch die Beratung ändert sich grundsätzlich die Vorgehensweise, wie Produkte entwickelt und verbessert werden. Wenn die Qualität der Produkte höher als die der Konkurrenz ist, kann der Kunde höhere Preise nehmen.

Leitfragen:

  • Hat der Kunde genügend Endkunden, um sich langfristig zu finanzieren?
  • Sind die Produkte und Dienstleistungen immer noch attraktiv? Müssen Produkte abgekündigt werden? 
  • Würden mehr Kunden kaufen oder einen höheren Preis akzeptieren, wenn die Qualität steigt?

Kosten langfristig reduzieren

Beratung hilft, wenn ein Kunde für das Liefern seiner Leistungen weniger Aufwand hat. Berater:innen und Kundenmitarbeiter arbeiten an der Lieferfähigkeit und der Qualität.

Beratungsansätze:

  • Ich wiederhole es noch einmal: Grundsätzlich interdisziplinäre Teams bilden, weil sie besser liefern.
  • Lean Thinking, TWI Job Methods, Toyota Kata/KVP, Scrum, Kanban (nach Anderson) und Qualitätsmanagement helfen beim kontinuierlichen Verbessern der Abläufe. Sie bieten einen Rahmen dafür, dass ständig etwas hinterfragt wird.
  • TOC hilft bei der Suche nach Flaschenhälsen in den Prozessen.
  • Checklisten und Kamishibai-Boards sind Beispiele zum Vermeiden von Fehlern. 
  • TWI Job Instruction/Toyota Talent, Lernende Organisationen helfen beim Aufbau von Kompetenzen und Wissen.

Durch die Beratung bauen wir Mechanismen ein, die es einfach machen, regelmäßig etwas zu verbessern.

Leitfragen:

  • Ist der Kunde (aus Sicht seiner Endkunden) zufrieden mit der Geschwindigkeit und der Qualität, mit denen ausgeliefert wird?
  • Sind die Mitabeiter:innen gesund und zufrieden?
  • Haben wir alle Kompetenzen, um zu liefern?

Leistungsfähigkeit erhöhen

Beratung hilft, wenn ein Kunde seine Leistungen schneller und besser abliefert.

Viele Beratungsansätze aus den beiden vorherigen Abschnitten kann man hier ebenfalls nutzen. Mir fallen aber noch weitere ein:

  • Systemisches Denken hilft beim Verstehen des Zusammenspiels. Manche systemische Interventionen - ich denke an das Buch Adaptive Action - führen zur schnellen Neuorganisation./8/
  • Großgruppen- und beteiligungsorientierte Ansätze (Open Space Technology und Co., Hackathons, Book Sprints etc.) sorgen für mehr Beteiligung der Mitarbeiter:innen. Es werden schneller, bessere Ergebnisesse geliefert.
  • Skalierungsansätze wie Scrum @ Scale, Scaled Professional Scrum oder LeSS sorgen für ein besseres Zusammenspiel der Einzelteile einer Organisation. OKRs, Hoshin Kanri, BSC/Strategy Maps helfen beim Ausrichten auf gemeinsame Ziele.
  • TWI Job Relations hilft beim Aufbau guter Arbeitsbeziehungen. 
  • Kulturarbeit verändert die Aufmerksamkeit in der Zusammenarbeit der Beteiligten.

Durch die Beratung stellen wir das Liefersystem, vor allem auf den Ebenen über den Teams um.

Leitfragen:

  • Wie gut funktioniert das Zusammenspiel aller Personen und Einheiten im Unternehmen?

Vielleicht helfen Euch diese Ideen und Leitfragen für die nächste Auftragsklärung. Die Grundfrage lautet immer: Welche Strukturen und Abläufe müssen sich hier dauerhaft ändern, damit entweder der Umsatz oder die Qualität steigt oder damit die Kosten zum Liefern sinken.

Das sieht nach einer einfachen Struktur aus. Ist es zunächst auch. Aber erfahrene Berater:innen wissen, dass Organisationen komplexe Systeme sind. Veränderungen sind ständiges Experimentieren. Diese Übersicht hilft vielleicht beim Planen der Reise.

Verweise

  • /1/ Gane, Chris P., and Trish Sarson. Structured systems analysis: tools and techniques. Prentice Hall Professional Technical Reference, 1979.
  • /2/ Ward, John, and Elizabeth Daniel. Benefits management: how to increase the business value of your IT projects. John Wiley & Sons, 2012.  
  • /3/ Peppard, Joe, John Ward, and Elizabeth Daniel. "Managing the realization of business benefits from IT investments." MIS Quarterly Executive 6.1 (2007): 1-11., abrufbar unter https://oro.open.ac.uk/11227/2/Peppard-Ward-Daniel_BMc_edits_JW230307.pdf  
  • /4/ Kaplan, Robert S., and David P. Norton. Balanced scorecard. Gabler, 2007.
  • /5/ Kaplan, Robert S., and David P. Norton. Strategy maps: Converting intangible assets into tangible outcomes. Harvard Business Press, 2003.
  • /6/ Drucker, P. F. (1974). Management: Tasks, Responsibilities, Practices -. Harper & Row. 
  • /7/ Coase, R. H. (1937). The Nature of the Firm. Economica, 4(16), 386–405. 
  • /8/ Eoyang, Glenda H., and Royce J. Holladay. Adaptive action: Leveraging uncertainty in your organization. Stanford University Press, 2013.

 

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