Manchmal schreiben mich Kolleg:innen an, damit ich mit ihnen über ihre Texte gehe. Ich warne sie immer vor, dass ich sehr hohe Ansprüche an Texte habe. Manche lassen sich auf das "Buchelend" ein und arbeiten richtig gut an ihren Texten. In diesem Beitrag geht es um die Entwicklung des Buchs. Dazu habe ich ein paar Fragen gesammelt.
Ich halte es für sehr gut, wenn Berater:innen ihre Erfahrungen festhalten und anderen zur Verfügung stellen. Ich habe schon einmal beschrieben, wie man Texte korrigiert.
Es gibt Situationen, bei denen der Text gar nicht das Problem ist. Es gibt keine Kernbotschaft, keine Zielgruppe und keine gute Struktur. Ich gehe davon aus, dass die Überarbeitung eines Textes noch einmal so viel Zeit in Anspruch nimmt wie das Erstellen der ersten Version. Wer sich also bei mir meldet, hat wahrscheinlich die Hälfte der Arbeit noch vor sich.
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Mindmap mit Fragen an ein neues Buch |
Ich mag die Gespräche mit den Autor:innen. Dieser Text bereitet Autor:innen auf die Verbesserung ihrer Texte vor.
Fragen zur ersten Einschätzung
Jede:r Autor:in wünscht sich viele Leser:innen. Gibt es also einen Markt für das Thema? Dafür gebe ich das Thema bei den üblichen Buchhändlern und bei Google Scholar ein.
Wenn es schon Bücher gibt, schaue ich mir die Inhalts- und Literaturverzeichnisse an:
- Wie wird das Problem oder das Thema beschrieben?
- Was hängt noch dran?
- Welche Begriffe sind wichtig?
- Welche anderen Autor:innen werden zitiert?
Wenn es schon viele Bücher gibt, rate ich von einem weiteren Buch ab. Oder wir prüfen, welche Botschaft oder welcher Aspekt bisher nicht bearbeitet wurde.
Zum Einstieg stelle ich den Autor:innen meist diese Fragen:
- Warum schreibst Du das Buch?
- Was ist die Geschichte dahinter?
Beim Zuhören höre ich interessante Kernbotschaften und Ideen heraus.
An wen wendet sich das Buch? Wessen Probleme werden gelöst?
Nur wer sich angesprochen fühlt, kauft das Buch (und liest es vielleicht sogar). Wen genau soll das Buch ansprechen?
- Mitarbeiter:innen? In welcher Rolle? Buchhaltung? Verkauf? Entwicklung?
- Führungskräfte? Auf welcher Ebene? Teamleiter:in, Geschäftsführung?
- Berater:innen? Coaches?
- Branche? Versicherungen? Banken? Baufinanzierer?
- Befindet sich der potenzielle Leser in einer bestimmten Phase oder Situation?
Je konkreter, je besser. Da finde ich die Dialoge mit KI-Tools sehr hilfreich. Chat-GPT ist hilfreich, um ein paar Dinge zu testen oder um etwas zusammenzufassen. Aber die KI-Werkzeuge ersetzen keine menschliche Kreativität.
Wenn das Buch alle anspricht, kauft es keiner. Ein Verlag benutzt zur Vermarktung solche Informationen. Wen soll er ansprechen? Wie groß ist die Zielgruppe? Wo oder welche Bücher kauft die Zielgruppe bisher?
Es gibt im Netz zwei gute Vorlagen für Book Proposals:
- Ted Weinstein: Nonfiction Book Proposal Outline
- Jane Friedman: Start Here: How to Write a Book Proposal + Book Proposal Template
In welcher Struktur wird die Lösung angeboten? Argumentation
Für die Autor:innen ist die eigene Struktur natürlich immer logisch. Für andere Leser:innen ist sie es nicht. Wir verbringen die meiste Zeit mit Strukturfragen. (Meine Studierenden fanden das früher gar nicht lustig, wenn ich zwei Wochen vor Abgabe den Text noch einmal umbauen ließ.)
- Was ist die Kernbotschaft für das Buch? Gibt es ein höheres Ziel, warum es eigentlich geht? Im Buch Projektablage wollten wir Mut machen, die Ablage aktiv zu nutzen. Das reduziert den Stress. Die übergeordnete Frage war für uns, was für mehr erfolgreiche Projekte in Wirtschaft und Verwaltung tun können.
- Aus welchen Teilen muss das Buch bestehen, damit der Leser die Lösung versteht?
- Was ist eine sinnvolle Kapitelstruktur?
- Wie sind die Kapitel verbunden?
Oft schiebe ich Kapitel oder Abschnitte hin und her und probiere aus, ob die Botschaften gut fließen.
Ich mag keine Texte, in denen sofort die Lösung hingeworfen wird. Zum einen sind die Texte langweilig. Zum anderen gibt es nichts, woran Leser:innen andocken können.
Ich schlage daher für ein Buch oder für ein Kapitel folgende Struktur vor:
- Was ist das Problem oder das Ziel der Leser:innen? Im Buch Projektablage haben wir das Problem von zu vielen E-Mails angesprochen. Die Projektverantwortlichen verlieren schnell den Überblick.
- Was sind die üblichen Versuche oder Ansätze, die die Leser wahrscheinlich schon versucht haben? Die üblichen Lösungsansätze sind noch mehr Tools und noch mehr E-Mails.
- Warum führen diese Versuche nicht zum Ziel? Welche Hindernisse gibt es noch? Suchmaschinen funktionieren gut im Internet; aber nicht in den kleinen, eigenen Informationsbeständen. Die Suchmaschinen können nicht erkennen, ob ein offener Punkt erledigt ist.
- ggf. Anforderungen an eine Lösung formulieren.
- Eigene Lösung vorstellen. Ggf. nächste Schritte zum Ausprobieren vorschlagen. Bei der Projektablage haben wir eine einfache Ablage mit offenen und geschlossenen Punkten vorgeschlagen.
Jetzt können die Leser:innen selbst prüfen, ob sie das Problem haben. Sie erkennen sich selbst wieder und können selbst einschätzen, ob die neue Lösung besser ist.
Auch im Sach- und Fachbuchbereich darf man Texte unterhaltsam schreiben. Man muss auch nicht alle Karten im ersten Kapitel auf den Tisch legen. Manche Dinge darf man auch andeuten, damit die Leser:innen bis zum Ende dabei bleiben.
Brauchen wir wirklich so viel Text? Kürzen!
Bei vielen Texten schlage ich vor, Passagen zu streichen. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Bei der Passage handelt es sich um Binsenweisheiten oder Plattitüden, die nicht wiederholt werden müssen. (Muss man immer noch betonen, dass man Betroffene zu Beteiligten macht?)
- Bei der Passage handelt es sich um Dinge, die dem eingeweihten Leser mit Sicherheit bekannt sind. (Die Scrum-Rollen muss man in einem Buch über agiles Arbeiten nicht mehr ausführlich erklären.)
- Diese Informationen sind in anderen Büchern gut oder prägnanter beschrieben. Es kann darauf verwiesen werden. (Zum Beispiel gibt es für User Storys oder Story Mapping bereits Bücher.)
- Der Text trägt nichts zur Kernbotschaft des Buchs oder des Kapitels bei. Weg damit. (Darunter fallen oft persönliche Anekdoten.)
Jeder Leser ist froh, wenn er nicht so viel Text lesen muss. Jede:r Autor:in kann sich immer fragen: "Würde ich diesen Satz drin lassen, wenn ich mit der Hälfte der Seiten auskommen müsste?"
Wie sprechen wir die Leser:innen an?
Bei manchen Beraterautoren ist mir ein Kommandostil aufgefallen: "Machen Sie dies! Lassen Sie jenes!" Ich wünsche mir einen Schreibstil, der von einem positiven Menschenbild ausgeht; von einem mündigen Leser, der schon seine Gründe für das bisherige Verhalten hat.
Ich lese lieber Texte, die auf Aufbruch und Veränderung ausgerichtet sind, als auf Jammern und Negativität.
Buch selbst oder über einen Verlag veröffentlichen?
Diese Frage müssen Autor:innen für sich selbst beantworten. (Andreas Schuster hat sich darüber Gedanken gemacht.)
Verlage können beim Marketing unterstützen. Sie stellen dazu viele Fragen. Bitte versetzt Euch in die Lage eines Verlages: 99% von dem, was dort eingereicht wird, sollte nicht veröffentlicht werden. Bei dem Auswahlprozess fallen immer wieder gute Titel durch das Raster.
Ab Abgabe des Manuskripts führt der Verlag den Prozess. Man sollte sich einiges an Zeit frei halten, um die Aufgaben vom Verlag abzuarbeiten. Nebenbei wird das stressig.
Was ist nicht mache?
Ich betreue Autor:innen ehrenamtlich. Ich nehme kein Geld dafür. Für ein paar Dinge ist mir meine Zeit zu schade. Diese Dinge muss jeder Autor selbst prüfen:
- Ich mache keine Rechtschreibprüfung. Erstens finde ich nicht alle Fehler. Zweitens gibt es gute Tools dafür. Bitte kauft Euch eine gute Rechtschreibprüfung (z. B. LanguageTool oder Grammarly).
- Bitte prüft die Lesbarkeit selbst vorher. Es ist wirklich möglich, das Blablameter unter 0,3 zu halten und den Fleschgrad über 50 zu bringen. Kurze Sätze, aktiv schreiben, kein Bullshit.
- Ich lektoriere die Texte nicht. Das können andere Leute besser. Wenn Ihr etwas Geld übrig habt, gebt es dafür aus.
- Bitte erklärt mir nicht, warum Ihr an Eurem Text nichts ändern könnt. Ich gehe IMMER davon aus, dass Ihr Euch schon viel Mühe mit dem Text gegeben habt. Ihr seid schlaue Menschen und braucht grundsätzlich meinen Rat NICHT. Ihr dürft den Text so lassen, wie er ist. Es ist Euer Text. Es sind Eure Ideen.
Die potenziellen neuen Autor:innen haben nun eine konkrete Vorstellung von der Entwicklung eines Buchs. Bittet teilt Eure Erfahrungen in Büchern. Macht es den Leser:innen leicht, Euch zu folgen.
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