Direkt zum Hauptbereich

Guter Vorsatz "Dokumente aufräumen"? Die Suchfrequenzanalyse hilft

Sind Sie wieder schwach geworden? Alle Laster haben Sie bereits in den vergangenen Jahren auf dem Altar des schlechten Gewissens als Opfer dargebracht: Rauchen, Alkohol, fettes Essen ... Und nun bleibt Ihnen nur noch dies übrig: "Ich will sofort in 2016 meine Festplatte aufräumen (oder mein Outlook-Postfach oder meine Papierstapel)!"

Ist das denn wirklich vernünftig? Geht es nicht einmal auch ohne gute Vorsätze - so ganz entspannt ins Neue Jahr? Aber das Teamwork-Blog lässt das Licht seiner guten Tipps und Tricks über vernünftige wie unvernünftige Leser scheinen. Und so lautet unser Rat heute: "Wenn Sie schon aufräumen wollen, dann bitteschön nicht mit unnötig hohem Aufwand." Eine Suchfrequenzanalyse hilft Ihnen dabei.


Ich habe im Küchenschrank zwei Schubladen für mein Besteck: eine Schublade mit einem Besteckeinsatz, in dem Besteckmesser, Küchenmesser, Gabeln, Löffel klein und groß ordentlich in Fächer einsortiert sind. Und eine andere Schublade, in der Geflügelschere, Schneebesen, diverse Korkenzieher, Büchsenöffner und ähnliche Gerätschaften ein geselliges Dasein ohne soziale Schranken führen dürfen.
Nach gängigen Ordnungsratgebern dürfte es die zweite Schublade gar nicht geben. Marie Kondo z. B. schreibt in ihrem aktuellen Kultbuch "Magic Cleaning" neben sehr vielen guten Tipps: Jedes Ding müsse künftig einen genauen Platz haben. Jedes Ding. Also ungeordnete Schublade geht gar nicht.

Die "ungeordnete Schublade" für Dokumente

Das gleiche Prinzip wie beim Besteck habe ich aber auch bei meinen privaten Dokumenten zu Hause. Dabei handelt es sich um Quittungen und Garantiekarten. Früher habe ich nach jeder größeren Anschaffung diese Dokumente in verschiedene Ordner einsortiert: es gab einen Ordner "elektrische Küchengeräte", einen "sonstige elektrische Geräte", einen für "Möbel" und einen für "Kleidung usw.". Die Quittung und Garantieurkunde des neuen Kühlschranks kam in den Ordner Nr. 1 und wurde dort sorgfältig mit eigener Registerkarte, getrennt von den anderen Küchengerätedokumenten, abgeheftet.
Der Aufwand dafür war hoch und die Disziplinhürde beträchtlich. Auf dem Schreibtisch lagen ungeordnete Quittungen herum, die sich standhaft weigerten, sich selbst einzuordnen. Und die Dokumente, die den Sprung in einen der  Ordner geschafft hatten, wurden nie aussortiert. Da war auch noch die Quittung des Kühlschranks von 1997, dessen Seele längst in die Arktis gewandert war (dem Himmel für Kühlschränke).

Seit einigen Jahren habe ich das völlig aufgegeben. Heute habe ich einen Schuhkarton, auf dem steht "2015". Dort werfe ich alle wichtigen Belege im Jahr hinein. Beim ersten Kauf in 2016 nehme ich den Schuhkarton "2013", werfe alle Dokumente darinnen in den Papierkorb (denn nach 2 Jahren ist die Garantie abgelaufen) und ersetze die Aufschrift durch "2016".

Ist das sinnvoll oder nicht?

Natürlich, liebe Frau Kondo, ist das sinnvoll! Denn wann brauche ich den Kühlschrankbeleg? Nur wenn er innerhalb der Garantiefrist kaputt geht und ich den Beleg suchen muss. Dann muss ich tatsächlich den Karton "2014" und alle darin befindlichen 30 bis 40 Quittungen durchsuchen. (Oder war's 2013? Also dann nochmal 30 Quittungen.)

Aber dieser Fall kommt so selten vor, dass es sehr viel rationeller ist, einmal alle Jahre einen Schuhkarton zu durchsuchen, als auf bloßen Verdacht hin 30 Quittungen sorgfältig in Ordner zu sortieren.

Das brachte mich zum Nachdenken, ob man das systematisieren kann.

Theoretische Analyse menschlichen Suchverhaltens unter besonderer Berücksichtigung von Einzeldokumenten

Bis hierher, liebe Leser, habe ich euch mit praktischen Beispielen geködert. Jetzt kommt die Theorie. (Aber Leser vom Teamwork-Blog lieben Theorie. Wir wissen das. Alle anderen haben wir nämlich vergrault.)
Abb.: Es gibt unterschiedliche Sucharten, je nach der Ursache unserer Suche und gewünschtem Resultat
Die Methode "ungeordnete Schublade" ist nur sinnvoll für Suchart B: Nur wenn ich später das Einzeldokument und nur das Einzeldokument suchen werde, kann ich diese Dokumente in einen "Schuhkarton" werfen. Wenn ich später Dokumente im Zusammenhang brauche (im Beispiel: nicht nur die Kühlschrankquittung, sondern auch noch die Gebrauchsanleitung und den Schaltplan), dann wird vermutlich das Suchen in einer ungeordneten Ablage zu aufwändig.

Wenn aber die Bedingung "Einzeldokument" erfüllt ist, dann muss ich noch schätzen, wie oft ich später nach einem Dokument suchen werde. Das ist die Suchfrequenzanalyse. Ich überlege mir: "Wie oft gehen Geräte innerhalb der Garantiezeit kaputt?" (Einen Monat nach Ablauf der Garantiezeit: 60%. Aber das ist hier unwichtig.) Ich schätze: "Maximal 2%." (Das nennt man Zugriffshäufigkeit. Eine Suchfrequenzanalyse ergibt immer eine Zugriffshäufigkeit.) Ich müsste also 50 Dokumente ordentlich abheften, um mir einmal das Suchen im Schuhkarton zu ersparen.
  • Aufwand für das Abheften von 50 Dokumenten: 100 Minuten.
  • Aufwand für das Suchen von 1 Dokument in einem Schuhkarton mit 40 Quittungen: 5 Minuten.
  • Gespart: 95 Minuten pro gesuchtem Dokument.
Die Zeit kann ich doch viel nützlicher verwenden, Frau Kondo! Zum Beispiel mit dem Ausdenken guter Vorsätze.

Praktische Anwendung

Die Schuhkartonmethode eignet sich in der betrieblichen Praxis zum Beispiel für folgende Fälle:
  • Rechnungen oder Verträge, die in Papier reinkommen, werden eingescannt, aber das Papieroriginal soll noch aufbewahrt werden. Dieses Original brauche ich aber nur bei gerichtlichen Auseinandersetzungen oder im Fall einer Betriebsprüfung. (Zugriffshäufigkeit: < 0,1%).
  • Bei eingehenden Dokumenten, die keinem Vorgang zuzuordnen sind, aber trotzdem aufbewahrt werden sollen. Solche Dokumente gibt es typischerweise in Vorstandsbüros, wo Grußkarten, Glückwünsche, nicht angenommene Einladungen und Veranstaltungstipps eingehen - meist per E-Mail. Und der Chef will sie nicht löschen (lassen). Solche E-Mails lässt man im Outlook in einem besonderen Fach namens "Schuhkarton" oder speichert sie in einem ebensolchen Ordner auf dem Server. (Während E-Mails der Suchart C natürlich in den entsprechenden Vorgangsordner gehören.)
Wenn Sie also solche Dokumente ungeordnet herumliegen oder in Postfächern haben - treiben Sie keinen großen Aufwand dafür, wenn Sie Ihren Aufräumvorsatz realisieren. Konzentrieren Sie sich auf die Dokumente der Suchart C - für die lohnt es sich.

Anmerkungen

  • /1/ Kondo, Marie ; Lubitz, Monika: Magic Cleaning : Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert. 14. Aufl.. London: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2013.

 

Sie wollen mehr über die gemeinsame Ablage lernen? Dazu gibt es eine Überblicksseite, die wichtige Artikel aus diesem Blog in eine Reihenfolge bringt.  

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Warum eine Agile Transformation keine Reise ist

Die agile Transformation wird oft als eine Reise beschrieben. Doch dieser Vergleich kann viele Unternehmen in die Irre führen oder Bilder von unpassenden Vergleichen erzeugen. Transformationen sind keine linearen Prozesse mit einem klaren Ziel, sondern komplexe und dynamische Entwicklungen. Dieser Artikel zeigt, warum Agilität kein Weg mit einem festen Endpunkt ist.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Agile Leadership – Führst du noch oder dienst du schon?

Die Arbeitswelt verändert sich. Und das spüren nicht nur Führungskräfte, sondern vor allem Mitarbeitende. Immer mehr Menschen hinterfragen den Sinn ihrer Arbeit, erwarten Respekt, Vertrauen und eine Unternehmenskultur, die echte Zusammenarbeit ermöglicht. Studien wie die Gallup-Studie 2025 oder die EY-Jobstudie zeigen: Der Frust am Arbeitsplatz wächst – und mit ihm die Unzufriedenheit mit der Führung. Höchste Zeit, umzudenken. Genau hier setzt agile Führung an. 1. Warum agile Führung heute entscheidend ist  Klassische Führung – hierarchisch, kontrollierend, top-down – funktioniert immer weniger. Die Zahlen sind eindeutig:  Laut Gallup fühlen sich nur noch 45 % der deutschen Beschäftigten mit ihrem Leben zufrieden. Fast jede dritte Kündigung erfolgt wegen der Führungskraft. Nicht das Gehalt, sondern mangelnde Wertschätzung, fehlendes Vertrauen und ein schlechtes Arbeitsumfeld treiben Menschen aus Unternehmen.  Agile Führung bietet eine Alternative, die auf Vertrauen, Selbs...

Ent-Spannen statt Platzen: Erste Hilfe für mehr Vertrauen und Resilienz im Team

Zwei Themen die mir in den letzten Wochen immer wieder über den Weg laufen sind Vertrauen und Resilienz. Vertrauen als das Fundament für gemeinsame Zusammenarbeit und Resilienz als die Fähigkeit, Herausforderungen, Stress und Rückschläge zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.  In dem Blogpost möchte ich ein paar Erste-Hilfe Interventionen teilen, die zu mehr Vertrauen und Resilienz im Team führen können - gerade wenn die Emotionen hochkochen und es heiss her geht im Team. Die „Mist-Runde“: Ärger Raum geben. In konfliktbeladenen oder belasteten Teams kann es eine große Herausforderung sein, eine offene Kommunikation und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Eine einfache, aber äußerst effektive Methode, um Spannungen abzubauen, ist die „Mist-Runde“ . Diese Intervention, die ich zuerst bei Veronika Jungwirth und Ralph Miarka kennengelernt habe, gibt den Teilnehmern einen geschützten Raum, in dem sie ihre Frustrationen und negativen Gedanken ohne Zensur äußern können un...

Microsoft Lists: mit Forms und Power Apps komfortabel mobil arbeiten

In meinem Kundenkreis sind viele Menschen, die den Arbeitsalltag nicht vorwiegend auf dem Bürostuhl sitzend verbringen, sondern "draußen" unterwegs sind. Vielleicht in Werkstätten oder im Facility-Management. Es ist so wichtig, dass die Schnittstellen zu den Abläufen im Büro gut abgestimmt sind. Microsoft 365 hat so einiges im Baukasten, man muss es nur finden und nutzen.  In diesem Artikel spiele ich ein Szenario durch, das auf Microsoft Lists, Forms und - für die Ambitionierteren - Power Apps setzt.

Selbstbewertungsfragen für den Alltag in Arbeitsgruppen aus Sicht von Mitarbeitenden

Welche Fragen können wir Mitarbeiter:innen stellen, um herauszufinden, ob agiles Arbeiten wirkt? Es gibt bereits eine Menge an Fragebögen. Aber ich bin nicht immer zufrieden damit.