Direkt zum Hauptbereich

Ideengeschichte zu Scrum und Agilität

Unter dem Schlagwort IdeengeschichteScrum veröffentlichen wir Artikel, die uns die Hintergründe zu Rollen, Ereignissen, Artefakten und Praktiken von Scrum, Agilität und Lean Thinking verständlicher machen. 

Je besser Führungskräfte, Scrum Master und Agile Coaches die ursprünglichen Probleme und Zusammenhänge verstehen, desto besser können sie Dinge erklären und ggf. anpassen.

Eine Ideengeschichte unterscheidet sich von der Chronologie. Es geht hier nicht einfach um die Auflistung der historischen Fakten. Die Ideengeschichte beschäftigt sich damit, wie Ideen entstanden, weitergegeben und entwickelt wurden. Wer hat wen beeinflusst? Wie wurden die Ideen transportiert?

Die folgenden Artikel empfehle ich als Einstieg für die weitere Vertiefung.

Stand: 21.03.2022

Artikel in diesem Blog

Jan Fischbach: Lean, Scrum, Agile und Kanban im Vergleich (so, dass man es versteht), Teamworkblog, erschienen am 20. Okt 2018, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2018/10/lean-scrum-agile-und-kanban-im.html

Jan Fischbach: Product Owner im Jahr 1899, Teamworkblog, erschienen am 18. Nov 2019, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2019/11/product-owner-im-jahr-1899.html 

Jan Fischbach: Der Scrum Master im Jahr 1918, Teamworkblog, erschienen am 28. Okt 2019, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2019/10/der-scrum-master-im-jahr-1918.html

Jan Fischbach: Hinter Innovationen gibt es zuverlässige Netzwerke und Evolution, Teamworkblog, erschienen am 22. Jul 2019, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2019/07/hinter-innovationen-gibt-es.html 

Jan Fischbach: Deutsche Einwände gegen Kaizen im Jahr 1952, Teamworkblog, erschienen am 02. Sep 2019, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2019/09/deutsche-einwande-gegen-kaizen-im-jahr.html  

Bücher und Artikel an anderer Stelle

Die Historie ist an verschiedenen Stellen gut dokumentiert. Wenn ich neue Quellen geprüft habe, ergänze ich sie hier.

Scrum allgemein

Jeff Sutherland hat die Entstehung von Scrum in einem Buch zusammengefasst: 

Ken Schwaber hat etwas über die Gründung der scrum.org geschrieben: The Genesis of the scrum.org 

Jeff hat etwas über die Ursprünge im Scrum Inc Blog geschrieben:

Lean Thinking, Lean Production, stetige Verbesserung, Scrum-Master-Arbeit

Das TWI-Programm hat das Verhalten von Führungskräften bei Toyota (und anderen japanischen) Führungskräften geprägt. Das wiederum war ein Vorbild für die Arbeit des Scrum Masters.

Jim Huntzinger hat einen kurzen Abriss über die Wurzeln von Lean veröffentlicht:

Das TWI-Programm prägt bis heute die Ausbildung bei Toyota. Vom verlinkten Wikipedia-Beitrag gelangt man zu den ursprünglichen Trainingsleitfäden. Channing R. Dooley hat im Laufe des Programms immer wieder Begleitmaterial in Bulletinform veröffentlicht. Dave Davidson hat die Bulletins in seinem Slideshare-Account bereitgestellt.
 
Es gibt mehrere Bücher, die zeigen, wie TWI bei Toyota angenommen wurde:
  • Isao Kato und Art Smalley beschreiben, wie die TWI-Kurse die systematische, stetige Verbesserung bei Toyota geprägt haben: Kato, Isao ; Smalley, Art: Toyota Kaizen Methods : Six Steps to Improvement. Boca Raton, Fla: CRC Press, 2017. https://www.taylorfrancis.com/books/9780429250934 
  • Jeff Liker und David Meier beschreiben, wie der TWI-Kurs Job Instruction die Ausbildung von Mitarbeitern bei Toyota geprägt hat: Liker, Liker: Toyota Talent. New York, Chicago, San Francisco, Lisbon, London, Madrid, Mexico City, Milan, New Delhi, San Juan, Seoul, Singapore, Sydney, Toronto: McGraw-Hill Education (India) Pvt Limited, 2007. https://www.mheducation.com/highered/product/toyota-talent-liker-meier/9780071477451.html. Zu diesem Buch gibt es auch eine Ausgabe in deutscher Sprache mit gleichem Titel.

Die Arbeit bei Toyota ist ebenfalls gut dokumentiert.

  • Taiichi Ohno, der das Toyota Productionssystem aufgebaut hat, hat seine Arbeit selbst dokumentiert: 
    • Ohno, Taiichi: Toyota Production System : Beyond Large-Scale Production. Boca Raton, Fla: CRC Press, 2019.
    • Ohno, Taiichi: Workplace Management. Cambridge: Cambridge University Press, 1988.
  • Es gibt einen Band mit Interviews von Toyota-Mitarbeitern, der einen guten Einblick in die Ursprünge gewährt: Fujimoto, Takahiro: The Birth of Lean. NC: Lean Enterprise Institute, 2012.
  • Jinichiro Nakane und Robert W. Hall haben etwas über "Ohno's Method." (Target 18.1 (2002): 6-15.) geschrieben.

In dieser Stelle sei ausdrücklich auf die Arbeit vom Mark Warren hingewiesen. Er hat zum Beispiel das erste Toyota-Produktionshandbuch aus dem Japanischen ins Englische übertragen. Folgt oder verbindet Euch am besten bei LinkedIn mit ihm. Dann bekommt Ihr die neusten Erkenntnisse mit.

Die Leute, die das TWI-Programm entwickelt haben, habe das in ähnlicher Form bereits 1918 getan. Es gibt einen interessanten Abschlussbericht dieser Arbeit: Dooley, C. R. (1919). Final report of the National Army Training Detachments later known as Vocational section, SATC. War department, Committee on education and special training. Abrufbar unter https://catalog.hathitrust.org/Record/000488038 

Diese Leute waren geprägt von der Psychologie des Scientific Managements. Dieser Begriff ist heute eher negativ besetzt und vielfach falsch verstanden worden. Man muss daran denken, dass die Jahre 1880-1930 eine die Zeit war, in der sich die Wirtschaftsweise radikal verändert hat. Management war bis dahin gar nicht nötig.

Frederick W. Taylor hat eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Betriebsführung beschrieben und sich stark um die Verbreitung dieser Ideen gekümmert. Einen Einstieg in diese Denkweise gibt es bei Taylors Schriften:

Lillian Gilbreth hat eine Einstiegsbuch zu Scientific Management zusammengestellt:

Daniel Nelson hat einige Artikel und Bücher über die Geschichte des Scientific Management geschrieben:

  • Nelson, Daniel, ed.: A mental revolution: Scientific management since Taylor. Ohio State University Press, 1992.
  • Gavin Wright's review of Daniel Nelson's Book "Frederick W. Taylor and the Rise of Scientific Management": Review: The Truth about Scientific Management, https://www.jstor.org/stable/2702392 
  • Daniel Nelson: Scientific Management in Transition: Frederick W. Taylor at Johnstown, 1896, https://www.jstor.org/stable/20091003
  • Daniel Nelson: Taylorism and the Workers at Bethlehem Steel, 1898-1901, http://www.jstor.org/stable/20091205

Lean Product Development, Product-Owner-Arbeit

Der Maschinen- und Flugzeugbau hat die Arbeit der Chefkonstrukteure bei Toyota geprägt. Der Chefkonstrukteur dort war das Vorbild für die Rolle des Product Owners. Die Lage an Primär- und Sekundärquellen ist hier etwas schwieriger.
 
Francis Moon hat ein gutes Fachbuch über die Verbreitung von Innovationen geschrieben. Moon, Francis C.: Social Networks in the History of Innovation and Invention. Berlin Heidelberg: Springer Science & Business Media, 2013. https://www.springer.com/de/book/9789400775275 

Es gibt hier ein paar Menschen, die einen wichtigen Einfluss gehabt haben.
 
Die Wright-Brüder haben durch ihre empirische Arbeit zum Motorflug beigetragen. Ihr Vorgehen hat die Arbeit späterer Flugzeugbauer geprägt. David McCullough hat eine sehr schöne Biografie über Wilbur und Orville geschrieben. McCullough, David: The Wright Brothers. New York: Simon and Schuster, 2015. https://www.simonandschuster.com/books/The-Wright-Brothers/David-McCullough/9781476728759 

Ben Rich hat ein Buch über seine Zeit bei Lockheed Skunk Works geschrieben. Dort ist die empirische Arbeit noch gut zu erkennen. Janos, Leo ; Rich, Ben R.: Skunk Works : A Personal Memoir of My Years of Lockheed. New York: Little, Brown, 2013.

Der Auslöser für die Forschung der Wrights war der Unfalltod von Otto Lilienthal. Sie haben auf seinen Daten aufgesetzt. Otto und sein Bruder Gustav haben ebenfalls empirisch gearbeitet. Das hat Otto in seinem Buch über den Vogelflug beschrieben:
Otto hat dies bei seinem Professor Franz Reuleaux gelernt. Runge, Manuela ; Lukasch, Bernd: Erfinderleben : die Brüder Otto und Gustav Lilienthal. Berlin: Berliner Taschenbuch-Verlag, 2007.

Franz Reuleaux gehört zu den Personen, die den Maschinenbau - wahrscheinlich weltweit - am Ende des 19. Jahrhunderts am meisten geprägt hat.
 
Die Produktentwicklung bei Toyota beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg, als dort (bewusst) 200 Flugzeugbauer eingestellt wurden. 
  • Tatsuo Hasegawa hat die Ideen dort eingeführt. Er hat so weitergearbeitet, wie es bis dahin üblich war. Dokumentiert in: Sakai, Takao: The Secret Behind the Success of Toyota : How the Original Chief Engineer System Works to Generate Most of the Product Value and Profit. Printed in the United States of America: Independently Published, 2018.
  • Ziemke und Spann haben das allgemein in einem Artikel in einem Sammelband Concurrent Engineering festgehalten. Ziemke, M. Carl, and Mary S. Spann. "Concurrent engineering’s roots in the World War II era." Concurrent Engineering. Springer, Boston, MA, 1993. 24-41.

Der für Scrum namensgebende Aufsatz über Produktentwicklung beschreibt im Prinzip die Arbeitsweise von Flugzeugbauern. Allerdings habe ich noch keine deutliche Bestätigung dafür gefunden.

  • Takeuchi, Hirotaka, and Ikujiro Nonaka. "The new new product development game." Harvard business review 64.1 (1986): 137-146.
  • Nonaka, Ikujirō ; Takeuchi, Hirotaka: The Knowledge-creating Company : How Japanese Companies Create the Dynamics of Innovation. New York: Oxford University Press, 1995.

Führungskonzepte

Jeff Sutherland erwähnt in seinen Trainings den Einfluss von John Boyd. Von John Boyd gibt es eine interessante Linie:
  • John Boyd selbst nennt Carl von Clausewitz, insbes. sein Werk Vom Kriege als Einfluss.
  • Clausewitz war Schüler und Mitarbeiter von Gerhard von Scharnhorst. Scharnhorst hat Auftragstaktik geprägt. Scharnhost war Anhänger von Immanuel Kant. Clausewitz hat Kants Schriften an der Allgemeinen Kriegsschule studiert.
  • Clausewitz war Mentor von Helmuth von Moltke.
  • Gustav von Rauch hat mit Scharnhorst zusammengearbeitet und war für den Aufbau der Vereinigten Artillerie- und Ingenieursschule verantwortlich. Ein bekannte Absolvent war Werner von Siemens, der 14 Jahre bei der preußischen Armee war, bevor in die Privatwirtschaft wechselte. Die Schule war ein Vorläufer der TU Berlin, an der später Franz Reuleaux unterrichtete.
  • Der Einfluss von Immanuel Kant lässt sich an den Preußischen Reformen erkennen. Das Kernteam bestand im wesentlichen aus Kantianern. (siehe Hubatsch, Walther. Der Reichsfreiherr Karl vom Stein und Immanuel Kant. Freiherr-vom-Stein-Ges., 1973.)

Links zu digitalen Archiven

  • Archive.org und HathiTrust sind digitale Archive, in denen man viele alte Bücher und Journals finden kann.
  • JStor (Anmeldung erforderlich, kostenlos) und Scholar von Archive.org bieten die Möglichkeit, Artikel aus (wissenschaftlichen) Zeitschriften zu lesen. Google Scholar ist eine Suchmaschine für wissenschaftliche Artikel.

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Agile Sternbilder: Die Entdeckung kosmischer Agilitäts-Superkräfte

Hast du dich je gefragt, ob dein Sternzeichen deine Fähigkeiten in einer agilen Arbeitsumgebung beeinflusst? In diesem Blogpost tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Astrologie und ihre mögliche Verbindung zu modernen Arbeitsweisen. Entdecke, wie die Sterne deine agilen Stärken prägen könnten. Ob überzeugter Agilist oder neugieriger Sternzeichenliebhaber – dieser Artikel kann dir neue Perspektiven eröffnen und vielleicht sogar dein nächstes Teamprojekt inspirieren!

Den passenden Job finden

Hier teile ich, wie ich daran arbeite, endlich den richtigen Job zu finden. Kleingedrucktes: Dieser Artikel richtet sich (natürlich) an jene, die gerade in der luxuriösen Position sind, dass sie nicht jedes Angebot annehmen müssen. Anstatt von Engagement zu Engagement zu hetzen und frustriert zu sein über Konzernstrukturen, fehlende Ausrichtung und die Erkenntnis, dass in einem selbst beständig die Hintergrundfrage nagt, ob es das ist, womit man seine immer knapper werdende Lebenszeit wirklich verbringen möchte, gibt es manchmal auch die Möglichkeit, die nächste berufliche Station etwas nachhaltiger auszusuchen - auch, um tatsächlich (etwas) mehr beitragen zu können.

Building Bridges

How many times have I rolled my eyes at the assertion, “But, you can’t build a bridge with Scrum”? The claim annoys as much for its misunderstanding of Scrum as for its naïve view of projects. Curiously enough, I recently discovered support for Scrum in a recent book about big projects. Maybe you can build a bridge with Scrum after all.

Die Microsoft Teams-Not-To-Do-Liste

Viele hoffen, dass es  für die Einrichtung von Microsoft Teams  den Königsweg gibt, den perfekten Plan – doch den gibt es leider (oder glücklicherweise?) nicht. Genauso wenig, wie es jemals einen Masterplan für die Organisation von Gruppenlaufwerken gab, gibt oder je geben wird. Was gut und vernünftig ist hängt von vielen Faktoren und ganz besonders den Unternehmensprozessen ab. Sicher ist nur eines: Von alleine entsteht keine vernünftige Struktur und schon gar keine Ordnung. Dafür braucht es klare Entscheidungen.

Agilität ist tot. Ausgerechnet jetzt?

Agilität wird zurückgefahren, Hierarchien kehren zurück. Doch ist das wirklich der richtige Weg in einer Welt, die immer unberechenbarer wird? Oder erleben wir gerade eine riskante Rolle rückwärts?

Gemeinsam eine Anwenderdokumentation erstellen

Unternehmenssoftware ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Anwenderinnen und Anwendern, den Unternehmensprozessen und den Ergebnissen. Normalerweise schreibt der Hersteller der Software die Dokumentation für diejenigen, die die Software benutzen. Wenn die Software allerdings stark angepasst wurde, muss die Dokumentation von denen kommen, die die Prozessmaschine am besten verstehen - den Anwenderinnen und Anwendern. Wie könnte man das praktisch machen?

Wie beschreibt man einen Workshop für eine Konferenz?

Konferenzen bieten immer ein gutes Forum, um sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen. Was für die Vortragenden selbstverständlich scheint, ist für die Besucher:innen oft unverständlich. Wie können Vortragende ihren Workshop in 2-3 Sätzen beschreiben, damit die Besucher:innen schnell einschätzen können, er sich für sie lohnt?

Scrum und Hardware: Es kommt auf die Basics an

Man kann Hardwareprodukte agil entwickeln. Zum einen kommt Scrum aus der Hardwareentwicklung. Die Softwerker haben die Hardwarekonzepte auf ihre Situation übertragen. Zum anderen hat Hardwareentwicklung heute ganz viel mit Software zu tun. Gerade in frühen Phasen kann man sich mit Simulationen noch viele Wege offen halten und mehrere Pfade parallel verfolgen. In diesem Beitrag empfehle ich eine Podcastfolge und ein Buch, für alle, die mit der Geschwindigkeit ihrer Hardwareentwicklung nicht zufrieden sind.