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Vier wesentliche Konzepte für das Verständnis von Projektmanagement

Es gibt im Projektmanagement so viele Techniken und Methoden, dass man schnell den Überblick verliert. Gibt es vielleicht übergreifende oder wiederkehrende Konzepte, die uns beim Verständnis helfen?

There is a version of this post in English language: Four key concepts for understanding project management.

Warum brauchen wir Basiskonzepte?

Mit den folgenden Begriffen versuche ich, Elemente, die in verschiedenen Projektansätzen benutzen werden, besser zu erklären. Ich greife dabei auf folgende Ansätze zurück: PRINCE2, PMBOK/PMI, Lean/Scrum/Agile, Benefits Management (Ward, Daniel), Rautenmodell (Shenhar, Dvir), Jobs to be done (Ulwick, Christensen), Capabilities-based planning (Alleman), Design Thinking. Allen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie sinnvolle Veränderungen in die Welt bringen wollen.

Um die Ergebnisse von Wirtschaft und Verwaltung zu verbessern, brauchen wir viele signifikante Veränderungen. Dazu brauchen wir ein solides Verständnis von Projektarbeit.

Ich habe nicht vor, eine übergreifende Methode daraus abzuleiten. Ich möchte die hinterliegenden Konzepte entdecken, die immer wieder vorkommen. Jeder Projektmanagementansatz geht mit diesen Konzepten anders um. In den folgenden Bildern versuche ich Begriffe, die ich aus diesen Ansätzen kenne, mit den Konzepten zu verbinden. Ich möchte damit verständlicher erklären, was Projektmanagement ist.

Es wird natürlich Kritik geben: Scrum ist keine Projektmanagementmethode, sondern eher ein Produktentwicklungsrahmen. Jobs to be done und Design Thinking kann man nicht mit Scrum in einen Topf werfen, weil sie genutzt werden, bevor ein Scrum-Team etwas baut. Usw. Im Detail ist diese Kritik richtig. In diesem Beitrag suche ich nach einem Überblick, der vielleicht auch als Brücke zwischen den verschiedenen Ansätzen dienen kann.

Nach mehreren Iterationen komme ich zu dem Schluss, dass sich die meisten Elemente der verschiedenen Projektmanagementansätze aus vier Basiskonzepten erklären lassen:

  • Unsicherheit
  • Wert
  • Planen
  • Kompetenz 

 Schauen wir uns diese einmal genauer an.

    Vier Basiskonzepte für ein besseres Verständnis von Projektarbeit

Mit Unsicherheit lässt sich vieles erklären

Wiederkehrende Leser:innen kennen meine 2 Regeln für Projektmanagement:

  1. Projektarbeit bedeutet, Ergebnisse unter Unsicherheit zu liefern.
  2. Projekte werden nicht genehmigt, sondern finanziert.

Ich finde das Unsicherheitskonzept von Shenhar/Dvir nach wie vor hilfreich./1/ Sie gehen von vier Arten von Unsicherheit aus:

  • Neuheit: Wie gut können die Kunden sagen, was sie wollen?
  • Technologie: Wie gut kennen sich die Umsetzer mit den Dingen aus, mit denen sie das Problem lösen wollen?
  • Komplexität der Zusammenarbeit: Wie viele Parteien arbeiten zusammen und gut verstehen sie sich?
  • Zeitdruck: Wie lange können sich die Umsetzer mit einer wichtigen Entscheidung Zeit lassen, bevor etwas Schlimmes passiert?

Am Beispiel von Scrum lassen sich fast alle Elemente von Scrum aus der Unsicherheit ableiten.

Abb. 2: Scrum in einem Wort: Unsicherheit

Um Unsicherheit zu reduzieren, brauchen wir Feedback. Feedback holen wir uns im Sprint Review mit Hilfe des Inkrements, und zwar regelmäßig in jedem Sprint. Je größer die Unsicherheit ist, desto häufiger müssen wir uns Feedback holen. 

Damit es ein Inkrement gibt, brauchen wir die Developer:innen. Damit klar ist, welches Feedback mit dem Inkrement eingeholt wird, brauchen wir ein Sprint Planning, in dem das Sprint Backlog entsteht. Grundlage dafür das Product Backlog des Product Owners. 

Die Rolle Scrum Master, die Daily Scrums und die Sprint Retrospective dienen dazu, diesen Prozess in Gang zu setzen und zu verbessern.

In jedem professionellen Projektmanagementansatz gibt es Phasen, die darauf angelegt sind, Feedback zu bekommen.

  • PRINCE2 arbeitet mit Phasen.
  • Stage-Gate formuliert Phasen, in denen bestimmte Informationen zu beschaffen sind.

Ich denke, Unsicherheit ist ein zentrales Konzept. Als Nächstes fällt mir Wert als Konzept ein.

Wert bestimmt Ergebnisse, Qualität und Finanzierung

Mir gefällt die Ableitung des Wertes von Ward und Daniel./2/ Ein Wert ergibt sich nur, wenn die Anwender irgendetwas dauerhaft ändern. Die dauerhaften Änderungen lassen sich z. B. durch ein Betriebskonzept (engl. Concept of Operations - ConOps), durch User Journeys oder Szenarien beschreiben.

Abb. 3: Der Wert bestimmt die Ergebnisse

Um die dauerhaften Ergebnisse zu ermöglichen, brauchen wir ein Ergebnis. Das können neue Fähigkeiten, bestimmte Produkte oder andere Prozesse sein. Interne und externe Umsetzer:innen liefern diese Dinge. Für die Lieferung brauchen wir Produktbeschreibungen und Qualitätsanforderungen. Für externe Umsetzer:innen brauchen wir auch Verträge. Vielleicht gibt es auch einen Gesamtüberblick über alle Produkte.

Das Liefern der Ergebnisse kostet Geld, Zeit und Aufmerksamkeit. Investoren oder Auftraggeber vergleichen Kosten und Wert, bevor sie investieren. Aber wie kommen wir an den Wert? Dazu brauchen wir Pläne.

Planen führt zu Lernen und Reagieren

Eine besondere Eigenschaft von Projektarbeit ist die Planung. Wenn es keinen einzigen Plan gibt, ist es wahrscheinlich kein Projekt.

Abb. 4: Planen hat immer Handeln zum Ziel

Ein Plan ist eine Vorstellung von der Zukunft. Ein Plan soll uns dabei helfen, etwas zu tun. Er ist aber nur sinnvoll, wenn wir Planung und Wirklichkeit immer wieder abgleichen. Demings PDSA-Zyklus und Kolbs Lernschleife finde ich sinnvoll. /3, 4/

Ich mag den Planungsansatz bei PRINCE2. Dort werden zu jedem Planungsobjekt Toleranzen vereinbart. Erst wenn die Toleranzen über- oder unterschritten werden, wird ein Ausnahmeplan erstellt und damit sofort gehandelt./5/ Flyvbjerg schlägt für die Planung immer einen Blick von außen und das Arbeiten mit bereits bekannten Daten (Referenzklassen) vor./6/

Ich mag die Ideen des Earned Value Management zur Messung des Fortschritts sowie die einfachen Burndown-Charts in Scrum.

Kompetenz der Umsetzer:innen

Ohne fähige Umsetzer:innen gibt es keine Ergebnisse. Hier kommt Kolbs Lernschleife wieder zum Einsatz. Aber wir können die Kompetenzen noch weiter erhöhen: einerseits durch geregelt Einarbeitung und andererseits durch die Pflicht zur regelmäßigen Verbesserung.

Abb. 5: Kompetenz entsteht durch Handeln

Beim Begriff der Kompetenz spielt die Kultur der Umgebung eine wichtige Rolle. Ist es psychologisch sicher, Fehler zu machen? Besteht die Führung auf regelmäßigen Verbesserungen usw.?

Mit diesen vier Basiskonzepten kann man nicht nur die einzelnen PM-Methoden besser verstehen. Sie zeigen auch, wie man den Projekterfolg erhöhen kann:

  • Unsicherheit wirkt wie eine Drift, die uns vom Kurs abbringt. Wir gelangen schneller ans Ziel, wenn wir die Unsicherheit entweder reduzieren oder wenn wir gut darauf reagieren.
  • Wenn ein Projekt einen hohen Wert verspricht, arbeiten alle gut mit. Das Projekt verhungert nicht.
  • Wir kommen schneller ans Ziel, wenn wir gut planen und handeln können.
  • Wir bekommen gute Ergebnisse, wenn wir kompetente Umsetzer:innen im Team haben.

Die Leser:innen sind eingeladen, noch bessere Basiskonzepte zu entwickeln und vorzustellen. Ich verlinke gern darauf. Gedankliche Klarheit erlaubt schnelles Lernen und Handeln. Unklare, verschwommene Konzepte lähmen.

 

Sie wollen mehr über gute Projektarbeit lernen? Es gibt eine Übersichtsseite zum Thema Projektmanagement in diesem Blog. Dort finden Sie weitere Artikel, mit denen Sie sich in das Thema einlesen können.

Anmerkungen

  • /1/ siehe Shenhar, Aaron J., and Dov Dvir. Reinventing Project Management: The Diamond Approach to Successful Growth & Innovation. 1st ed. Mcgraw-Hill Professional, 2007
  • /2/ siehe Ward, John ; Daniel, Elizabeth: Benefits Management : How to Increase the Business Value of Your IT Projects. New York: John Wiley & Sons, 2012.
  • /3/ Moen, Ronald, and Clifford Norman. "Evolution of the PDCA cycle." (2006). https://elfhs.ssru.ac.th/phusit_ph/pluginfile.php/48/block_html/content/Moen-Norman-2009%20PDCA.pdf
  • /4/ Siehe Kolb, David A. "Learning styles and disciplinary differences." The modern American college 1.January 1981 (1981): 232-235., https://learningfromexperience.com/research-library/learning-styles-and-disciplinary-differences/ 
  • /5/ siehe Friedrich, Beate: PRINCE2® 7 FOUNDATION KURZ & BÜNDIG. Norderstedt: BoD – Books on Demand, 2024 
  • /6/ siehe Flyvbjerg, Bent ; Gardner, Dan: How Big Things Get Done : The Surprising Factors That Determine the Fate of Every Project, from Home Renovations to Space Exploration and Everything In Between. New York: Crown, 2023. 

 

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