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Was steht im Backlog zur Einführung eines Dokumentementmanagementsystems (DMS)?

Digitalisierung bedeutet, Dienstleistungsprozesse zu entbündeln. Das bedeutet, dass wir uns Prozess für Prozess vornehmen und entscheiden, wie dieser Prozess künftig abläuft. Ähnliches gilt für die Einführung von Dokumentenmanagementsystemen (DMS). Ein DMS, das von allen benutzt wird, ist die Grundlage für die weitere Digitalisierung. Deswegen stehen im Product Backlog überwiegend Geschäftsprozesse. Aber wie könnte man das konkret machen?

Warum Prozesse (doch) wichtig sind

Prozessmanagement klingt für mich genauso attraktiv wie Dachboden oder Keller aufräumen. Irgendwie weiß man, dass es nützlich ist. Aber das Thema wird gern geschoben. Vielleicht blicken wir etwas zurück, um besser zu verstehen, warum ein aktiver Umgang mit Prozessen doch hilfreich ist.

Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt das Zeitalter der Massenproduktion. Das Hawthorne-Werk von Western Electric in der Nähe von Chicago ist ein interessantes Beispiel. Diese Fabrik war riesig. Im Jahr 1930 arbeiteten dort 43.000 Menschen und produzierten Telefone und Ausrüstung für das Telefonnetz. Die Qualität ist gut. Aber sie hat ihren Preis: Es gibt eine große Zahl an Inspektoren. 30% der Arbeitszeit werden für Nacharbeiten, Reparaturen und den Umgang mit Ausschuss benötigt./1, S. 10/ Dreißig Prozent! Das ist richtig viel.

Verschiedene Praktiker überlegen nun, wie man die Qualität verbessern konnte. Man hatte in der Industrie die Statistik und die Wahrscheinlichkeitsrechnung für sich entdeckt. Die Statistik brauchte man vorher eigentlich nur für Volkszählungen und die Wahrscheinlichkeitsrechnung beschäftigte sich vorher mit Würfeln und Münzen. Dieses Wissen nutzen Walter A. Shewhart, William Edwards Deming und Joseph M. Juran, um das Problem in Griff zu bekommen. Shewhart fing mit der Statistik an. Deming machte sie praktisch nutzbar und Juran vermittelte den Managern, wie sie täglich damit arbeiten. Deswegen war besonders Juran so wichtig.

Er bittet die Menschen auf alles in der Firma als einen sich stets wiederholenden Prozess zu schauen. Qualität entsteht, wenn man diese Prozesse umgestaltet. Mitarbeiter sind  fähige Menschen. Sie lernen und ändern Prozesse. Juran nennt es die Qualitätstrilogie: Qualität planen, Qualität managen und Qualität verbessern. Hier sieht er die Führungskräfte in der Pflicht. Deming und Juran wurden durch ihre Vortragsreisen in Japan bekannt. Die japanischen Unternehmer sind ihren Empfehlungen gefolgt. Sie haben so mit Geduld und Ausdauer die Qualität ihrer Produkte erhöht.

Deswegen sind heute viele große Unternehmen auf die Techniken des Prozessmanagements fokussiert. Kleine Unternehmen und Verwaltungen haben wahrscheinlich nicht das Problem, dass sie Güter in Massen herstellen. Das ist der Grund, warum sie sich erst einmal für andere Dinge als für Prozessmanagement interessieren. Aber warum sollte wir die Erkenntnisse nicht für unsere DMS- und Digitalisierungsprojekte nutzen.

Nicht alle Prozesse sind gleich

Wenn wir uns vom Papier lösen können, haben Vorteile: die Beteiligten können gleichzeitig, unabhängig vom Ort und ohne Wartezeiten einen Vorgang bearbeiten. Sie müssen nicht darauf warten, dass das Papier zu ihnen kommt. Aber es gibt zum Teil sehr viele Prozesse in einer Verwaltung oder in einem Unternehmen. Aus Bürger-, Kunden- oder Mitarbeitersicht sind die Lieferprozesse die wichtigsten. Hier lassen sich vier Fälle unterscheiden (siehe Abb. 1).


Abb. 1: Prozesse lassen sich nach Anzahl der Beteiligten und der Häufigkeit unterscheiden

Was bedeutet diese Unterscheidung für das Product Backlog?

  • Vorgänge, die häufig auftreten und nur wenige Beteiligte haben, eignen sich zum Lernen. Man kann ein DMS einrichten, spricht den Rahmen zur Benennung von Vorgängen ab und startet mit den ersten Gehversuchen. Einige Vorgänge davon treten vielleicht so häufig auf, dass man sie automatisieren kann.
  • Bei Vorgängen, die häufig auftreten und viele Beteiligte haben, bringt ein DMS sofort einen Nutzen, weil alle auf die gleiche Informationsbasis zugreifen können. Es werden weniger E-Mails untereinander verschickt. Es gibt keine Verwirrung mit unterschiedlichen Versionen eines Dokuments. Diese Vorgänge sollten schnell ins DMS überführt werden.
  • Bei seltenden Vorgängen mit vielen Beteiligten gibt es ähnliche Vorteile wie im Fall davor. Allerdings gibt es hier Klärungsbedarf, wie man diese Vorgänge sinnvoll strukturiert. Es kann auch sein, dass einige Beteiligte gar keinen Zugriff auf das DMS haben. Wenn dieses Hindernis nicht gelöst ist, werden die Dokumente doch wieder per E-Mail verschickt.
  • Vorgänge, die selten auftreten und wenige Beteiligte haben, würde ich erst spät im Projekt angehen. Der Nutzen in den anderen Fällen ist erst einmal höher.

Diese Unterteilung hilft uns also, unser Product Backlog zu ordnen. Jeder Backlogeintrag steht für einen Prozess, der stellvertretend durch eine User Story beschrieben werden kann. Beispiele:

  • Als neuer Einwohner melde ich meinen Wohnsitz um, damit alle Behörden informiert sind.
  • Als Mitarbeiter stelle ich einen Dienstreiseantrag, um später die Kosten abzurechnen.

Zu jeder User Story gibt es Akzeptanzkriterien. Die Hauptarbeit im Projekt besteht daraus, einen Prozess nach dem anderen mit den Beteiligten im DMS abzubilden. Da gibt es dann Details zu klären und festzuhalten. Diese Details kann man übrigens auch schon klären, bevor es ein DMS gibt.

Den Überblick über den Fortschritt behalten

Wie behält nun der Produktverantwortliche (Product Owner) trotzdem einen Überblick über den Fortschritt des Projekts?

Ich finde es sehr praktisch, den Überblick auf einer DIN-A4-Seite darzustellen. Diese Seite hat der Produktverantwortliche immer dabei und kann bei Bedarf Auskunft geben. Dazu könnte man Prozesse und Benutzer in Gruppen einteilen und den aktuellen Stand mit einer Ampel oder einem gefüllten Kreis darstellen.

Abb. 2: Überblick über die Umsetzung der Prozesse behalten

Mit dieser Tabelle und den Details im Product Backlog kann der Produktverantwortliche seine Schwerpunkte setzen.

Anmerkungen und Literatur

  • /1/ Zairi, Mohamed: Deming & Juran : Gift to the World : Total Quality Management. : Spire City, 2007.

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