Digitale Transformation, was bedeutet das eigentlich? Und wie digitalisieren wir unser Business? Die Antworten haben weniger mit IT, sondern mehr mit Zusammenarbeit zu tun. Hier ein Update zu interessanten Artikeln und Büchern. Aber als erstes sehen wir uns nochmal an, was Digitalisierung genau bedeutet.
Was bedeutet Digitalisierung?
Man könnte meinen, dass Digitalisierung vor allem das Anwenden von neuen Technologien (z. B. Maschinenlernen, Blockchain, 3D-Druck) bedeutet. Aber diese Definition hilft nicht weiter. Ich habe schon im Jahr 2018 darüber geschrieben./1/ Ich bin der Meinung, dass die Definition von damals immer noch stimmt.
Digitalisierung betrifft Dienstleistungen. Dienste unterscheiden sich von Produkten:
- Produkte sind anfassbar und physisch. Dienste sind es nicht.
- Produkte werden erst produziert und dann ausgeliefert. Man kann Produkte auf Lager legen. Bei Dienstleistungen geht das nicht. Der Taxifahrer kann seinen Stammgast nicht zehnmal auf Vorrat zum Flughafen fahren.
Der letzte Punkt zeigt uns das Besondere an Dienstleistungen: sie werden im gleichen Moment produziert, in dem sie konsumiert werden. Deswegen waren sie in der Vergangenheit immer an bestimmte Orte, Zeiten und Personen gebunden. Und das ändert sich gerade.
Wir können jetzt günstig Rechenleistung einkaufen und die Netzwerke zur Datenübertragung sind schnell und zuverlässig. Damit ist es jetzt möglich, Dienste zu entbündeln. Wir können einzelne Schritte aus einer Kette herausnehmen, an anderer Stelle rechnen lassen und das Ergebnis wieder in den Prozess eingliedern, ohne dass der Nutzer dies bemerkt. Das ging vorher nicht. Was ändert sich jetzt? Sehen wir uns ein Beispiel an.
Disney dreht "The Mandalorian" auf einem virtuellen Set
Bei Science-Fiction-Filmen wird gern mit grünen oder blauen Hintergründen gearbeitet, damit dort später eine bestimmte Umgebung erscheint. Bei Kostümen, der häufig Licht reflektieren, muss dafür jedes einzelne Bild (Frame) des Film nachgearbeitet werden (Postproduction). Pro Frame sind das gerne mal 12 Stunden./2/
Um diesen Aufwand zu reduzieren, kam man für "The Mandalorian" auf die Idee, LED-Wände aufzustellen, auf die Kulissen projeziert werden. (Der unten verlinkte Artikel beschreibt die Geschichte genauer.) Das geht jetzt, weil Rechenpower und die Projektionstechnik gut genug sind, um Kulissen anzuzeigen. Die reine Projektion hätte nicht gereicht. Es wurden mehrere Technologien (Game-Engine, Motion Capture) kombiniert, damit bei Kamerabewegungen sich der Hintergrund passend ändert.
Das ist ein schönes Beispiel für Digitalisierung. Es macht deutlich, wie Dienste jetzt anders erbracht werden:
- Die Kulissenbauer bauen viel weniger echte Kulissen. Sie müssen jetzt 3D-Modelle erzeugen.
- Wir brauchen für bestimmte Szenen keine Statisten mehr. Die werden im Hintergrund von Rechnern erzeugt.
- Es gibt weniger Bedarf an Experten, die Frame für Frame überarbeiten müssen.
- Die Produzenten können Experten auf der ganzen Welt buchen. Sie müssen nicht unbedingt am Set sein.
Die Filmproduktion ändert sich also durch die Digitalisierung. Wahrscheinlich werden wir solche Effekte auch in anderen Bereichen sehen. Irgendjemand löst ein nerviges Problem auf digitale Weise, indem er verschiedene Technologien kombiniert. Muss jetzt jeder zum IT-Experten werden?
Wir brauchen Technologieverständnis und Zusammenarbeit
Mehr IT-Experten wären schön. Aber hier wird ein großer Mangel herrschen. Wir brauchen mehr IT-Kompetenz bei den normalen Mitarbeitern und Führungskräften.
In diesem Jahr (2022) sind ein interessantes Buch von Paul Leonardi und Tsedal Neeley und eine Artikelserie von mehreren Autoren im Harvard Business Review erschienen./3, 4/
- Leonardi und Neeley haben ihre Thesen über "The Digital Mindset" in die drei Bereiche Collaboration, Computation und Change eingeteilt.
- Linda Hill beschreibt mit ihren Kollegen, was reife digitale Organisationen ausmacht: ein gutes Kundenverständnis, eine Kultur, die nicht datengetrieben aber informiert ausgeprägt ist, eine Macheratitüde, verteiltes Entscheiden und gemeinsames Arbeiten, ständiges Experimentieren sowie ein gutes ethisches Vorgehen.
Von den Autoren gibt es auch Vorträge bei YouTube (Suche nach Paul Leonardi, Suche nach Linda Hill).
Wichtiger als Programmieren-Können sind ein Verständnis für die (eigenen) Prozesse und die Zusammenarbeit sowie ein Verständnis darüber, was Technologie kann und wie man mit Maschinen interagiert.
In dem o. g. Artikel über die Produktion des Mandalorian wird klar, dass sich unterschiedliche Leute immer wieder das gleiche Problem angesehen haben, bis sie eine gute Lösung gefunden haben. Das können wir auf andere Bereiche übertragen:
- Was sind unsere drängendsten Probleme?
- Wenn wir ein Problem wie in einem Science-Fiction-Film lösen würden, wie sehe die Lösung aus?
- Welche Technologien gibt es heute schon? Welche müssen wir kombinieren?
- Wie müssen wir unsere Prozesse neu strukturieren?
- Wie können wir experimentieren, um zu wissen, ob die Lösung funktioniert?
Das sind Fragen, bei denen vor allem die Prozessexperten gefragt sind. Digitalisierung braucht Zusammenarbeit.
Anmerkungen
- /1/ Jan Fischbach: Was bedeutet Digitale Transformation?, Teamworkblog, erschienen am 26. Jul 2018, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2018/07/was-bedeutet-digitale-transformation.html
- /2/ Jay Holben: The Mandalorian: This Is the Way, Cinematographers Greig Fraser, ASC, ACS and Barry “Baz” Idoine and showrunner Jon Favreau employ new technologies to frame the Disney Plus Star Wars series. Erschienen im American Cinematographer, 6. Februar 2020, abrufbar unter https://ascmag.com/articles/the-mandalorian.
- /3/ Leonardi, Paul ; Neeley, Tsedal: The Digital Mindset : What It Really Takes to Thrive in the Age of Data, Algorithms, and AI. Boston, Massachusetts: Harvard Business Press, 2022.
- /4/ Hill, Linda, et al. "Where can digital transformation take you? Insights from 1,700 leaders." https://hbswk.hbs.edu/item/leading-in-the-digital-era-where-can-digital-transformation-take-you (2022).
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