Direkt zum Hauptbereich

Was bedeutet Digitale Transformation?

Mit dem Phänomen „Digitale Transformation“ sind unterschiedliche Trends und Konzepte verbunden. Ich habe noch keine einheitliche Definition gefunden. Daher starten wir mit einer einfachen Frage.

Was bedeutet Digitale Transformation? 

Über das entsprechende Stichwort in der deutschsprachigen Wikipedia gelangt man zu einem Eintrag der Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik. Der Autor fasst das Phänomen so zusammen:
"Der Begriff Digitale Transformation bezeichnet erhebliche Veränderungen des Alltagslebens, der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Verwendung digitaler Technologien und Techniken sowie deren Auswirkungen. Hierbei kann zwischen den Dimensionen Leistungserstellung, Leistungsangebot und Kundeninteraktion unterschieden werden."
Diese Definition hilft mir aber noch nicht weiter /1/. Im Gespräch mit Kunden stelle ich eine andere Frage:
"Wie würden wir zusammen leben und arbeiten, wenn (physikalische) Materialität, ein bestimmter realer Ort, eine bestimmte Zeit und Besitz keine vorherrschende Rolle mehr spielen?"
Beispiele:
  • Bücher, Musik, Filme und Computerspiele können unabhängig von ihrem Trägermedium verteilt und genutzt werden.
  • Physikalische Objekte können als virtuelles 3D-Modell erstellt, verteilt und an beliebiger Stelle auf einem 3D-Drucker materialisiert werden.
  • Waren können zu beliebigen Zeiten gekauft werden. Fernseh- und Radiosendungen können über Mediatheken und Podcasts zu beliebigen Zeiten abgerufen werden.
  • Menschen müssen sich nicht am gleichen Ort befinden, um gemeinsam etwas zu tun.
  • Man muss keine Objekte mehr besitzen, um sie zu benutzen. Es reicht, Zugang zu haben.
Die leichte Verfügbarkeit von einer hohen Rechenleistung, die hohe Dichte von Computern, Sensoren und Aktoren sowie eine zuverlässige Vernetzung mit hohen Übertragungsraten machen es möglich, dass Physik, Ort und Zeit an Bedeutung verlieren.

Digitale Transformation ist mehr als Technik

Aber der Blickwinkel wäre zu klein, wenn wir digitale Transformation als ein rein technisches Phänomen ansehen. Denn mit neuen technischen Möglichkeiten steigen auch die Ansprüche von Menschen:
  • Kunden möchten dann einkaufen und Bankgeschäfte erledigen, wenn sie Zeit haben.
  • Bürger möchten unabhängig von Sprechzeiten wissen, wie der Status ihres Bauantrages ist.
  • Wartungstechniker möchten auch am Wochenende den Zugriff auf Experten haben, um ein Problem zu lösen.
Auch wenn die physikalischen Objekte und Ort verschwinden, bleiben die grundlegenden Konzepte dahinter gleich, weil sich die Jobs (oder Aufgaben) der Menschen nicht geändert haben.
  • Job: Musik hören. Realer Ort, reales Objekt: Plattenladen in der Innenstadt und Schallplatten. Digitaler Ort, digitales Objekt: Apple iTunes Store und MP3-Datei.
  • Job: Fahrkarte kaufen. Realer Ort, reales Objekt: Fahrkartenschalter am Bahnhof und Urkunde aus Papier. Digitaler Ort, digitales Objekt: bahn.de/DB Navigator und verschlüsselter Code auf dem Mobiltelefon.

Was ändert sich durch die Digitalisierung?

Alle Prozesse, die bisher an ein bestimmtes physikalisches Objekt, an bestimmte Orte, Zeiten und Besitz gebunden waren, werden sich ändern, wenn es jemandem gelingt, sie davon zu trennen.

Im kommerziellen Bereich ändern sich Geschäftsmodelle oder werden erweitert. Neue Geschäftsmodelle entstehen. Genauso können Geschäftsmodelle in Nischen rutschen oder ganz verschwinden.

Im Bereich der Verwaltung und Politik wird Digitalisierung den Kontakt zu den Bürgern verändern.

Muss ich nun etwas tun?

Die Digitalisierung hat unsere Verhaltensweisen verändert. Privat benutzen wir das World Wide Web, um uns zu informieren und um Geschäfte zu tätigen. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Arbeit. Wer gesehen hat, wie leicht man bei Apple oder Amazon einkaufen kann, fragt sich natürlich: "Warum muss ich eigentlich so lange auf meine Lieferanten warten? Wieso kann ich meine Produkte nicht schon online konfigurieren?"

Beratungsunternehmen verweisen gern auf den rasenden technischen Fortschritt. Daraus ergäbe sich dann Handlungsdruck. Allerdings gibt es keine Zahlen, die diese Raserei bestätigen. In einem Beitrag für Technology Review (deutsche Ausgabe Juni 2017) berichtet Eva Wolfangel über die Arbeit von David Moschella /2/. Moschella schreibt in einem Bericht über Mythen über digitale Veränderungen /3, S. 4/:
  • Neue Technologien werden nicht schneller als früher angenommen. Radio und Fernsehen wurden von der Bevölkerung viel schneller angenommen als Computer und Mobiltelefone. 
  • Neue Technologien verändern die Gesellschaft gar nicht so stark. Die Innovationen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die Gesellschaft viel stärker verändert als das Internet heute.
Statt in blinden Aktionismus zu verfallen, möchte andere Fragen stellen:
  • Wie stark hängt mein Wettbewerbsvorteil (oder meine Daseinsberechtigung) davon ab, dass ich etwas physikalisch besitze, an einem bestimmten Ort oder zu bestimmten Zeiten verfügbar bin?
  • Wenn es jemand anderem gelänge, den Besitz, den bestimmten Ort oder die Verfügbarkeit zu bestimmten Zeiten obsolet zu machen, wie schnell könnte ich mich anpassen?
Diese Fragen kann sich jede Organisation stellen.

Was kann ich tun?

Digitale Transformation ist mehr, als neue Technologien einzuführen. Digitale Transformation bedeutet für mich, die Abläufe mit Hilfe von digitalen Hilfsmitteln so zu verändern, dass wir die nach wie vor wichtigen Jobs gut erledigen können.

Allerdings wissen wir nicht, was wirklich wichtig ist. Wir können es im Moment noch nicht wissen: Welche Technik ist benutzerfreundlich und zuverlässig? Welche Plattform ist fair und vertrauenswürdig? Welches Austauschformat wird von der Masse akzeptiert? Wie müssen wir unsere Fragen formulieren, um das zu bekommen, was wir brauchen? Welcher Rechtsrahmen gilt?

Bevor über neue Technologien und veränderte Prozesse sprechen, würde ich die Frage stellen, wie wir dazulernen können. Wenn wir einen Rahmen haben, der uns beim Lernen hilft, können wir selbst entdecken, was wir für die Zukunft brauchen.

Wenn jemand gute Bücher oder Artikel zur Digitalen Transformation kennt, die auch empirische Daten statt nur Beobachtungen enthalten, bitte ich um Kommentare zu diesem Artikel (https://www.teamworkblog.de/2018/07/was-bedeutet-digitale-transformation.html).
 

Anmerkungen

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Microsoft Copilot - Notebook, Pages, Agents und mehr

Es tut sich sehr viel an der Copilot Front. Gefühlt entwickelt Microsoft mit aller Kraft die KI-Anwendung weiter. Mit dem letzten Update hat sich die Microsoft-Startseite stark verändert. Hier zeige ich, was sich hinter all den Begrifflichkeiten verbirgt und was davon alltagstauglich ist.

Wenn es mal gerade etwas schwierig bei Kund:innen wird… Zwei Fragen, die uns helfen, unsere Strategie mit unseren Kund:innen abzusprechen.

Seit 2024 organisieren Bob Galen und ich eine Masterclass für agile Coaches. Wir möchten die Ausbildung von agilen Coaches verbessern und ihnen Techniken mitgeben, mit denen sie bei ihren Kund:innen etwas einfacher haben. Bisher haben wir in vier Durchgängen mit jeweils 14 Modulen ungefähr 70 Extraordinarily Badass Agile Coaches ausgebildet (/1/). In diesem Blogpost möchte ich ein paar Erfahrungen und simple Techniken aus der Masterclass teilen, wie wir unsere Strategie besser abstimmen können. Sie beschränken sich nicht auf agiles Coaching – das ist nur das Setting.

Schätzungen sind schätzungsweise überschätzte Schätze

"Wer viel misst, misst viel Mist." Zumindest ist diese Gefahr gegeben. Entweder misst man z. B. Mist, weil man zu früh zu KPIs zur Messung von Ergebnissen greift, oder aber man greift zu den falschen KPIs, die gar nicht das messen, was man wissen möchte. Einst war agiles Arbeiten der alternative Ansatz, aber inzwischen gibt es auch für einige Details dessen, was in Konzernen als "agil" praktiziert wird, einleuchtende alternative Ideen, die bis heute noch nicht so richtig auf die große Bühne vorgedrungen zu sein scheinen. 

Teamleitungen gesucht

Was macht Teams erfolgreich? Kann man das lernen? Ab Herbst starten unsere Kurse für aktuelle und künftige Teamleitungen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, den Kurs zu testen.

Nachschau zum Lean Coffee-Spezial "Agil einfach machen" (Interaktive Buchvorstellung)

Bei unserem Lean Coffee-Spezial Ende Mai waren wir von Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt Zeugen einer Buchvorstellung, doch nicht nur das – natürlich gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil an eigener Aktion, denn bei unseren Spezialterminen ist traditionell „Teilgabe“ angesagt. Das Autorenduo Christian Baron und Janick Oswald zeigte uns, was es mit „Agil einfach machen“ auf sich hat.  

Wie überprüft man den aktuellen Stand einer neuen gemeinsamen Ablage?

Ihr habt in eurem Team die individuellen, unordentlichen Ablagen auf eine gemeinsame Ablage, die nach Vorgängen und Prozessen geordnet ist, umgestellt. Woher wisst ihr, ob das wirklich funktioniert? In diesem Beitrag gibt es 10 Auditfragen.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.