Scrum Day 2022: Ich sitze in der Pause zufällig neben Erdal Ahlatci. Ich höre ihn sagen "Wir haben von einem Tag auf den anderen auf agil umgestellt. Nach einem Jahr waren wir mit der Transformation fertig." Erdal, ich habe Fragen!
Erdal Ahlatçı war CTO und später Geschäftsführer von movingimage. Später hat er seine Erfahrungen zur Transformation gemeinsam mit anderen in eine Software übersetzt. Geschaffen wurde die SaaS-Lösung AgyleOS, die Organisationen unterstützt, ihre individuelle Transformation für alle Beteiligten sichtbar zu machen. In einem Interview sprechen wir über seine Erfahrungen, was es mit dieser Ab-morgen-Agil-Transformation auf sich hat. Welche Haltung nötig ist und welche Stolpersteine ihn überrascht haben.
Dieses Interview besteht aus drei Teilen. Hier geht es zum ersten Teil: https://www.teamworkblog.de/2022/09/ab-morgen-agil-ein-erfahrungsbericht.html
Haltung
Maria Kühn: Was glaubst du hat den Mitarbeitern zum Start geholfen, sich auf die Veränderung einzustellen?
Erdal Ahlatçı: Die Mitarbeitende haben echte Begeisterung für Agilität gespürt. Ich hatte wirklich Freude daran vorzustellen, was wir vorhaben. Mit reiner Sachlichkeit kommst du kaum weiter. Die Leute haben gespürt: da stecken echte Emotionen dahinter.
Voraussetzung ist natürlich auch Vertrauen in das Management. Ich folge nur jemandem, dem ich vertraue. Die Führung muss zu der geplanten Veränderung passen. In meinem Team hatten wir schon mit einem agilen Mindset gearbeitet.
Es gab keine Urlaubsanträge mehr. Ergebnisse waren wichtiger als zu schauen, wer wie lange arbeitet. Homeoffice war lange vor Corona möglich. Die Mitarbeiter haben gemerkt: "ok, da muss ja was dran sein." Ein Vertrauensvorschuss. Wichtig ist auch, was danach kommt. Agilität bedeutet auch Organisationsentwicklung. Das muss jedem klar sein.
Sackgassen
Maria Kühn: Gab es Situationen, die dich gerade am Anfang, überrascht haben? Etwas, womit du nicht gerechnet hast?
Erdal Ahlatçı: Das Festhalten an den Positionen. Einige hatten Angst ihre Führungsposition zu verlieren, selbst wenn sie sich selbst für flache Hierarchien ausgesprochen haben. Für sie bringt es eine gewisse Sicherheit, die ihnen möglicherweise anderswo fehlt. Das habe ich unterschätzt. Für manche Menschen fühlt es sich an, als würdest du ihnen eine Maske wegnehmen, sie entblößen. Das würde ich heute anders machen.
Überrascht hat mich auch das Thema Transparenz. Sobald es um die Transparenz der eigenen Performance geht, finden das viele erstmal schlimm. Am Ende geht es um die Sache und welchen Beitrag der Mitarbeiter zur Vision leistet. Ich hatte die Idee, Gehälter transparent darzustellen. Ganz schwieriges Thema. Die Mehrheit wollte das nicht. Du musst respektieren, dass es Bereiche gibt, die du nicht verändern kannst.
Maria Kühn: Wie gut hat es funktioniert, wenn sich Initiativen als Sackgassen erwiesen haben?
Erdal Ahlatçı: Das war kein großes Thema. Beim Paukenschlag war klar, wir werden Dinge umsetzen, die uns überzeugt haben. Inspect and Adapt. Die Ergebnisse wurden transparent dargestellt und Fragen beantwortet. Auch ich habe Fragen gestellt, vielleicht hatte ein anderer ja mehr Antworten darauf als ich, für Dinge die uns voran bringen können.
Maria Kühn: Ich verstehe das so, dass du dich mit in den Kreis gesetzt hast und weniger vorne dran?
Erdal Ahlatçı: Ja, genau. Am Anfang war das schwierig, dass da genug Vertrauen da war. Für mich ist es ganz wichtig, mich als Geschäftsführer nicht vorne dran zu stellen und anzunehmen, ich könnte alle Fragen beantworten. Vielleicht haben andere Antworten, die ich noch nicht kenne und die uns voranbringen. Irgendwann war allen klar, sie können offen reden und Ideen und Vorschläge einbringen.
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