Direkt zum Hauptbereich

Mein Team will nicht agil sein. Was tun?

Im Gespräch stellen wir öfter mal fest, dass jemand unzufrieden mit der Abarbeitungsdisziplin seines Teams ist. Man hätte doch jetzt einen so tollen agilen Prozess. Wieso machen denn die Teammitglieder nicht richtig mit? Gibt es Übungen oder Tipps, die deutlich machen, dass agiles Arbeiten besser als Mikromanagement ist? Was antwortet man darauf?

Wir hören diese Frage oft und sie kommt von unterschiedlichen Rollen: Führungskräften, Scrum Mastern, Product Ownern und sogar aus den Teams selbst. Dahinter steckt ein ehrliches Interesse, den Ablauf besser zu machen.

Go to the Gemba

Bevor ich antworte, frage ich erst einmal nach der konkreten Situation:
  • Was macht ihr gerade genau?
  • Was beobachtest Du?
  • Was sagen die Teammitglieder konkret?
  • Wie läuft der Prozess (Scrum, Kanban, ...) konkret ab?
  • Wo befinden sich die Teammitglieder?
  • Wie läuft die Planung?
  • Sind die Ziele allen klar?
Ich habe schon oft vorschnell geantwortet, ohne die Situation genau zu verstehen. Das war nicht so richtig gut. Was sich oft als fehlendes Commitment darstellt, sieht beim zweiten Hinsehen doch anders aus. Hier ein paar Beispiele.

Teilzeitscrum demotiviert

Interessierte Mitarbeiter beschließen nach einem Scrum-Training, mit Scrum anzufangen. Sie wollen es einmal ausprobieren. Nach kurzer Zeit gibt es Probleme. Keiner hat richtig Bock auf die Arbeit. Was war passiert?

Beim Nachfragen stellt sich raus, dass die Mitarbeiter feste Time Slots für ein zusätzliches Projekt vereinbart haben. Für ihr Entwicklungsprojekt trafen sie sich alle 2 Wochen für einen Nachmittag. In der Zwischenzeit sollte jedes Teammitglied sich freiwillig Aufgaben vom Board ziehen. Es gab Unmut, weil sich keiner mehr Aufgaben ziehen wollte.

Das Problem ist hier nicht, dass die Teammitglieder zu wenig motiviert sind. Was ist das für ein Projekt, dass zwei Wochen auf eine Fortsetzung warten kann? Die strategische Bedeutung ist wohl eher gering einzuschätzen. Das merken die Teammitglieder natürlich. Sie arbeiten an einer Sache mit, die eigentlich keinen richtig interessiert. Parallel haben sie viele andere Dinge zu tun. Wenn ich in Zeitnot komme, ist dieses Projekt das erste, von dem ich mir Zeit hole. Die Mitarbeiter sind motiviert. Aber für andere Projekte.

Nehmen wir an, die Arbeit sei wirklich sinnvoll. Dann ist es wichtig, so schnell es geht, Ergebnisse zu liefern. Statt 4 h in 2 Wochen (=2 Stunden/Woche) würde ich das Team für 4 Tage am Stück zusammenbitten, um etwas wirklich abzuschließen. Am ersten Tag werden die 4 Tage geplant. Am letzten Tag wird etwas ausgeliefert. So hat man nach vier Tagen mindestens ein Ergebnis, auf das man sonst 15 Wochen warten müsste.
Abb. 1: Besser nach vier Tagen ein Ergebnis liefern und dann Pause statt 15 Wochen warten
Das ist Idee hinter Hackathons oder Kaizen-Wochen. Für einen Scrum Master und für Führungskräfte zählt in solch einer Situation nicht, perfekt dem Scrum Guide aber in weit entfernten Zeitscheiben zu folgen, sondern sicherzustellen, dass das Team konzentriert am Stück etwas fertig machen kann.

Fehlende Ziele demotivieren

In einer Organisation wird begeistert mit mehreren Teams an einem neuen Projekt agil gearbeitet. Nach einigen Wochen stellt sich Ernüchterung ein. Zum einen gab es auch hier das Teilzeitscrum-Problem. Zum anderen stellt sich beim Nachfragen heraus, dass das Backlog in schlechtem Zustand ist. Statt Anforderungen werden Tasks im Backlog verwaltet. Es gibt keine attraktiven Projektziele; das große Ganze ist nicht erkennbar. Ob man seine Aufgabe erledigt oder irgendwo ein Sack Reis umfällt ...

Auch hier waren die Teammitglieder motiviert; aber für andere Aufgaben. Ich erinnere an die zwei Regeln für Projektmanagement:
  • Projektarbeit bedeutet, Ergebnisse unter Unsicherheit zu liefern.
  • Projekte werden nicht genehmigt, sondern finanziert.
Wenn das Backlog keine guten Anforderungen enthält, ist die Frage, welche Ergebnisse eigentlich geliefert werden sollen. Es kann auch sein, dass die Finanzierung des Projekts noch nicht steht. Der PO scheut deshalb große Investitionen.

Was ist der Wert des Projekts?
  • Bringt es neue Erlöse? Was muss dafür getan werden, damit die neuen Erlöse sofort eingenommen werden können?
  • Reduziert das Projekt langfristig Kosten? Welche Abläufe müssen sich konkret ändert, damit man die erwarteten Einsparungen wirklich einspielt? Die Einsparungen sollten das 2-3fache der Kosten sein, damit sich das Projekt lohnt.
Bis diese Fragen geklärt sind, sollte das Projekt ruhen. Product Owner sollte die Person, die von den Erlösen profiertiert oder die Änderungen in den Abläufen umsetzt. Dann werden die Anforderungen klarer und können besser priorisiert werden. Wie die Arbeit umgesetzt wird, klärt das Team im Refinement und im Planning.

Vermeintlich fehlende Motivation weist uns auf interessante Herausforderungen hin. Go to the Gemba.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Schätzungen sind schätzungsweise überschätzte Schätze

"Wer viel misst, misst viel Mist." Zumindest ist diese Gefahr gegeben. Entweder misst man z. B. Mist, weil man zu früh zu KPIs zur Messung von Ergebnissen greift, oder aber man greift zu den falschen KPIs, die gar nicht das messen, was man wissen möchte. Einst war agiles Arbeiten der alternative Ansatz, aber inzwischen gibt es auch für einige Details dessen, was in Konzernen als "agil" praktiziert wird, einleuchtende alternative Ideen, die bis heute noch nicht so richtig auf die große Bühne vorgedrungen zu sein scheinen. 

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Microsoft Copilot - Notebook, Pages, Agents und mehr

Es tut sich sehr viel an der Copilot Front. Gefühlt entwickelt Microsoft mit aller Kraft die KI-Anwendung weiter. Mit dem letzten Update hat sich die Microsoft-Startseite stark verändert. Hier zeige ich, was sich hinter all den Begrifflichkeiten verbirgt und was davon alltagstauglich ist.

Wenn es mal gerade etwas schwierig bei Kund:innen wird… Zwei Fragen, die uns helfen, unsere Strategie mit unseren Kund:innen abzusprechen.

Seit 2024 organisieren Bob Galen und ich eine Masterclass für agile Coaches. Wir möchten die Ausbildung von agilen Coaches verbessern und ihnen Techniken mitgeben, mit denen sie bei ihren Kund:innen etwas einfacher haben. Bisher haben wir in vier Durchgängen mit jeweils 14 Modulen ungefähr 70 Extraordinarily Badass Agile Coaches ausgebildet (/1/). In diesem Blogpost möchte ich ein paar Erfahrungen und simple Techniken aus der Masterclass teilen, wie wir unsere Strategie besser abstimmen können. Sie beschränken sich nicht auf agiles Coaching – das ist nur das Setting.

Teamleitungen gesucht

Was macht Teams erfolgreich? Kann man das lernen? Ab Herbst starten unsere Kurse für aktuelle und künftige Teamleitungen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, den Kurs zu testen.

Nachschau zum Lean Coffee-Spezial "Agil einfach machen" (Interaktive Buchvorstellung)

Bei unserem Lean Coffee-Spezial Ende Mai waren wir von Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt Zeugen einer Buchvorstellung, doch nicht nur das – natürlich gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil an eigener Aktion, denn bei unseren Spezialterminen ist traditionell „Teilgabe“ angesagt. Das Autorenduo Christian Baron und Janick Oswald zeigte uns, was es mit „Agil einfach machen“ auf sich hat.  

Wie überprüft man den aktuellen Stand einer neuen gemeinsamen Ablage?

Ihr habt in eurem Team die individuellen, unordentlichen Ablagen auf eine gemeinsame Ablage, die nach Vorgängen und Prozessen geordnet ist, umgestellt. Woher wisst ihr, ob das wirklich funktioniert? In diesem Beitrag gibt es 10 Auditfragen.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.