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Und übrigens: Konflikte sind. Und sie sind gut.

Als kleine Ergänzung zu meinem Post von letzter Woche, hier noch ein wichtiger Hinweis: Konflikte sind. Und sie sind gut. 
Zeichnung vom Autor
Streitereien empfinden wir oft als ungut, als etwas, das es zu vermeiden gilt: Führungskräfte wie Mitarbeiter fürchten Beurteilungsgespräche gleichermaßen, weil dort Kritik oder Gehaltsverhandlungen anstehen. In Sprechstunden türmen Lehrer wie Eltern meterhohe Rechtfertigungsmauern auf. Und wie um alles in der Welt bringe ich meine WG-Kollegen nur dazu, ihr Geschirr abzuspülen?

Die wenigsten Menschen freuen sich über solche Situationen. Eigentlich ist das aber erstaunlich. Denn Menschen sind Meister im Finden von Lösungen. Zu Recht bilden wir uns viel darauf ein: Ohne unsere herausragenden Lösungskompetenzen könnten wir unsere Leben nicht leben. Schon gar nicht erfolgreich. Denn Probleme sind allgegenwärtig und unausweichlich - und damit Konflikte. Wer nicht an dieser unveränderlichen Tatsache des Lebens zerbrechen möchte, akzeptiert sie am besten möglichst radikal.
 


Selbstmanagement-Profis legen sich außerdem eine Weltsicht zu, nach der Konflikte gut sind! Und das sind sie auch - sofern man sie gut löst. Denn dann wird die Frage wirklich geklärt, was generell und in der aktuellen Situation sein soll, was wichtig ist und berücksichtigt werden soll. Und wie es weitergeht. Man nennt diesen Vorgang gemeinhin auch: Entscheiden. Eine echte Lösung bezieht dabei alle Konfliktpartner gleichermaßen ein. So - und nur so - ist ein persönliches und gemeinschaftliches Fortkommen, eine gute, erfolgreiche Entwicklung möglich. Denn so wird aus den vielen zur Verfügung stehenden Optionen eine definitive, maximal gute ausgewählt. Genau deshalb sind Konflikte also gut.

Warum aber empfinden wir sie trotzdem als ungut? Weil unser gelernter Umgang anders ist als oben beschrieben. Ob in Kindergarten, Schule, Studium, Behörden, Beruf, meist auch in Familien: Wo wir uns soziale Verhaltensweisen abschauen und einüben, lernen wir mit Konflikten grundsätzlich ("Wo kämen wir denn da hin?", "Das sind nun mal die Vorschriften."), qua Status ("Da könnte ja jeder kommen!") oder per Dekret ("Und damit basta!") umzugehen. Wir verfügen zwanghaft und drücken unseren Willen durch. Mit kurzfristigem Blick.

So prägt sich uns im Laufe unseres Lebens ein, dass Status, Autorität, technokratische Verfahrensweisen und Egoismen wichtiger und als Strategie erfolgreicher sind als der Fokus auf eine gemeinschaftliche Lösung oder ein gemeinsames Ziel, das verhandelt und gemeinschaftlich entschieden wird. Wir lernen, dass derjenige, der Macht hat, nicht nur in der Lage ist, auf diese Art Fakten zu schaffen, sondern dass das auch völlig normal ist. Auch wenn das mit Lösung eines Streitthemas wenig zu tun hat,  sondern eher nackte Gewalt ist.

Dabei ist Gewalt oder Zwang in strittigen Situationen manchmal sogar tatsächlich nötig, um Grenzen aufzuzeigen und sich zu schützen. Aber eben nur als Ultima Ratio und nicht stets als erstes Mittel der Wahl, zu dem es in unserem Kulturkreis geworden zu sein scheint, der der kurzfristigen Maximierung huldigt und entsprechende "Leistungen" belohnt. Vielleicht ist heute deshalb besonders wichtig, einen anderen gesellschaftlichen und organisatorischen Umgang zu suchen: Einen gemeinschaftlichen und zwanglosen. Denn so kommt echter Erfolg. Und Spaß.


Literatur

  • Simon, Fritz B.: Einführung in die Systemtheorie des Konflikts. Heidelberg, 2010.

Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de

 



Kommentare

  1. Wieso empfinden wir Konflikte als ungut? Nun zu Teilen bestimmt aus den genannten Gründen, zu Teilen weil Konflikte in manchen Kontexten vor allem über Lappalien entstehen und keinen Wert schaffen und letztlich auch, weil wir glauben, dass es bei einem Konflikt einen Sieger und einen Verlierer geben muss - und niemand der Verlierer sein will.

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  2. Lieber Patrick,

    vielen Dank für deinen Kommentar. Auch ich glaube, dass das Sieger-Verlierer-Muster eine ausgesprochen wichtige Rolle dabei spielt, dass Konflikte als ungut empfunden werden. Und zwar sowohl bei Verlieren wie bei Gewinnern. Verlierer empfinden das Verlieren sowieso als schlecht. Doch auch die Freude über den Sieg währt bei Siegern oft nicht lange. Denn: Was haben sie wirklich von ihrem vermeintlichen Sieg?

    Dass Konflikte uns ein schlechtes Gefühl bereiten, weil sie über Lappalien entstehen, daran glaube ich nicht. Das genaue Gegenteil ist für mich der Fall: Nur wenn für den Einzelnen wichtige Dinge auf dem Spiel stehen, können überhaupt erst Konflikte entstehen. Außerdem glaube daran, dass nur Konflikte die Chance eröffnen, wirkliche (weil gemeinschaftliche) Werte zu schaffen. Voraussetzung ist, dass Konflikte gut gelöst werden.

    Schöne Grüße,
    Edgar

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