Direkt zum Hauptbereich

Erfolgreiches Management heißt gut streiten

Wenn Konflikte nicht oder nicht gut gelöst werden, ist das ein Problem. Vor allem, wenn es produktiv zugehen soll. Also: Immer. Höchste Zeit, sich um das Thema zu kümmern und richtig streiten zu lernen.

Zeichnung vom Autor

Immer und überall haben wir damit zu tun. Trotzdem gehen wir in Konflikten mit uns und anderen oft schlecht um: Vor Problemen verschließen wir gekonnt und beharrlich die Augen, wir reden beflissentlich und variantenreich um Themen herum, zerreden Entscheidungen, verfügen diktatorisch, was zu tun ist oder drücken mittels anderer Zwangsmethoden unseren Willen durch. Und wenn all diese Stricke reißen? Findet sich schon ein Sündenbock.

Immerhin fühlen wir uns mit derlei Maßnahmen oft unwohl, was uns nicht davon abhält sie als gängige und normale Formen der Konfliktlösung zu verstehen und zu akzeptieren. Das aber ändert nichts daran, dass sie zu einer Lösung nichts Wesentliches beitragen, schon gar nicht zu einer guten. In Wahrheit fördern sie ungute Entwicklungen, die unser intuitiv unangenehmes Gefühl verursachen und die im Endeffekt gute Qualität und Wertschöpfung behindern.

Entgegen der landläufigen Überzeugung handelt es sich bei Konflikten nicht um allgemeine, objektive Sachfragen, die strittig sind und deshalb heiß und energiereich debattiert werden. Wäre dies so, würden wir Argumente ruhig und offen austauschen, um sie gemeinsam abzuwägen und dann zu entscheiden. Zu diesem "vernünftigen" Vorgehen sind wir in konfliktreichen Situationen aber gerade nicht in der Lage, siehe oben. Was ist da also los?



Unabhängig von der Sachfrage, die es zu klären gilt, kommt es zum Konflikt, wenn sich bei mindestens einem Konfliktpartner oder -partnerin eine emotionale Frage in den Vordergrund drängt, die mit der Streitfrage direkt nichts zu tun haben muss. Es geht für sie/ihn dann um die Frage, was in der aktuellen Situation aus ihrer/seiner Sicht wichtig und richtig ist zu tun. Diese Frage beziehen Menschen stets (zunächst) auf sich: Was ist für mich generell und in der aktuellen Situation wichtig? Psychologisch gesehen ist Wichtigkeit eine emotionale Kategorie, die Menschen bewerten, indem sie ihre persönlichen, einzigartigen, höchst individuellen Erfahrungen, Überzeugungen, Intuitionen und besonders ihre Bedürfnisse und Werte abrufen. All diese Dinge sind als (unbewusste) emotionale Muster abgespeichert. Sie sind - zumindest im ersten Moment - nicht verhandelbar. Und: Menschen sind biologisch darauf programmiert, ihre Bedürfnisse und Werte zu verteidigen, sofern sie sie bedroht sehen.

So kommt es, dass Konflikte meist wenig mit der augenscheinlich strittigen Sachfrage zu tun haben, woran sie sich entzünden. Zum Beispiel dann, wenn sich ein Fachexperte, der als Koryphäe gelten möchte (Bedürfnisse, Werte), Einwände und Nachfragen grundsätzlich als Angriff auf seinen Expertenstatus wertet. Die Nachfrage ist nur Auslöser für einen Konflikt, der  vom persönlichen Empfinden des Einzelnen abhängt und im ersten Moment auch nur dort zu verorten ist.

Die individuell gefühlte Bedrohung erklärt auch, warum wir in Streitereien oft in Stress geraten, jenes archaische, automatische und deshalb kaum zu kontrollierende psycho-biologisches Muster. Zumindest in wichtigen oder langanhaltenden Konfliktsituationen beschert uns Stress einen hartnäckigen Tunnelblick und aktiviert oft unangemessen aggressive Entweder-Oder-Handlungsmuster ("Er oder ich!"): Wir sind dann überzeugt, uns entweder um jeden Preis durchsetzen oder eine (totale) Niederlage hinnehmen zu müssen. Andere Möglichkeiten sehen wir dann nicht mehr. Obwohl es sie natürlich gibt.

Sie sind davon abhängig, inwiefern wir uns an den eigenen Interessen oder Bedürfnissen orientieren (möchten oder können) oder an jenen der Konfliktpartner: 

1. Durchsetzen
  • Haltung: "Meine Interessen sind wichtiger als andere und haben Vorrang".
  • Ziel/Ergebnis: Eigene Maximalforderungen durchsetzen.
2. Nachgeben
  • Haltung: "Meine eigenen Interessen sind unwichtig, die der anderen haben Vorrang."
  • Ziel/Ergebnis: Maximalforderung des Konfliktpartners stattgeben.
3. Vermeiden
  • Haltung: "Weder meine Interessen noch die Interessen der anderen sind wichtig und sollen berücksichtigt werden."
  • Ziel/Ergebnis: Bewusst, unbewusst, aktiv oder passiv wird der Konflikt ignoriert oder gar negiert, Auseinandersetzungen werden gemieden.

4. Kompromiss
  • Haltung: "Es ist wichtig, dass meine Interessen und die der anderen zumindest teilweise berücksichtigt werden."
  • Ziel/Ergebnis: Beide Konfliktpartner rücken von Maximalforderungen ab und gehen für die Lösung aufeinander zu.

5. Win-Win
  • Haltung: "Meine Interessen und die der anderen sind gleichwertig und sollen möglichst maximal erfüllt werden."
  • Ziel/Ergebnis: Beide Maximalforderungen werden annähernd erfüllt.

Je nach Situation und Absicht können alle diese Strategien berechtigt sein und zum Ziel führen. Also spricht auch nichts dagegen, sich durchzusetzen oder nachzugeben. Allerdings nur, solange sie nicht die einzigen verfügbaren Strategien sind. Denn: Verfestigen Menschen, Organisationen oder ganze Kulturen einzelne Muster, werden sie unflexibel. Auf veränderte Rahmenbedingungen, unerwartete oder unbekannte Situationen können sie nicht mehr angemessen reagieren. Sie sehen alternative gute oder u.U. dringend benötigte Lösungen nicht mehr.

Sich selbst oder andere zu managen, bedeutet im Wesentlichen: Entscheiden. Also aus mehreren Möglichkeiten eine Option zu wählen. Das ist immer mit Konflikten verbunden, denn dabei werden Alternativen eingeschätzt, bewertet und abgewägt. Deshalb: Wollen Sie sich und Ihre Organisation dauerhaft erfolgreich managen, sorgen Sie stets für eine große persönliche und organisatorische Flexibiliät. Am besten wird Ihnen das gelingen, indem Sie für eine gute Streitkultur sorgen, die zu Ihren kurz-, mittel- und langfristigen Zielen passt und jenen Ihrer Organisation.

Dazu müssen Sie sich und Ihren KollegInnen eigentlich nur aufmerksam selbst auf die Schliche kommen und Automatismen austricksen: Fragen Sie sich und andere immer, zumindest aber in entscheidenden Situationen, was jetzt wirklich wichtig und wesentlich ist. Bringt Sie das, was Sie gerade dabei sind zu tun, Ihren wirklichen, also übergeordneten mittel- und langfristigen Zielen näher? Dann erst entscheiden Sie. Ihre Zukunft wird es Ihnen danken.

Alle Teamworkblog-Posts von Edgar Rodehack.


Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 


Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de oder in seinem Podcast "Show Your Work!

Literatur

  • Bauer, Joachim: Das Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. München, 2008.
  • Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Bern, 2010.
  • Glasl, Friedrich: Selbsthilfe in Konflikten. Konzepte – Übungen – praktische Methoden. Stuttgart, 1998.
  • Nowak, Martin A., Highfield, Roger: Kooperative Intelligenz. Das Erfolgsgeheimnis der Evolution. München, 2013.
  • Rosenberg, Marshall B.: Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Paderborn, 2012. 
  • Simon, Fritz B.: Einführung in die Systemtheorie des Konflikts. Heidelberg, 2010.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

"Denn sie wissen nicht was sie tun ...! Freigeben und teilen in OneDrive und SharePoint und per E-Mail

Neuerdings können Sie bei Ihren E-Mails entscheiden, ob Sie den Anhang als Datei (Kopie) anhängen wollen oder einen Link senden. Doch was kann dieser Link? Wie sicher ist er? Wer kann was damit tun? Lesen Sie hier was sinnvoll ist und was weniger.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Nie wieder Ärger mit Besprechungsserien in Outlook

Erstellen auch Sie Besprechungsserien in Outlook? Ärgern auch Sie sich manchmal darüber, wenn Sie etwas zu ändern haben? Falls nicht, versenden Sie entweder keine wiederkehrenden Outlook-Besprechungen (Serienterminen). Oder Sie ändern nie etwas daran. Dann ist dieser Artikel nichts für Sie. Lesen Sie aber bitte weiter, falls Sie sich schon immer mal gefragt haben, ob es eine Lösung gibt?