In Ihrer Firma klagen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt über Stress? Fallen bereits Teammitglieder aus? Sind einige von Ihnen vielleicht schon akut von Burnout bedroht oder gar deswegen krankgeschrieben? Spätestens dann sollten Sie schleunigst ran. Denn Burnout ist teuer. Und ansteckend.
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Krankheiten sind zurecht unsere private Angelegenheit, was eine Errungenschaft unserer modernen Welt ist. Doch ausgerechnet diese gute gesellschaftliche Übereinkunft verstellt uns in Leistungsfragen und den damit zusammenhängenden Schwierigkeiten den Blick auf wichtige Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten. Gerade beim Thema Leistung, Stress und Burnout führt dies dazu, dass wir weit unter unseren Möglichkeiten bleiben und manche Situationen bedrohlich eskalieren.
So gehen wir im allgemeinen davon aus, dass Stress und seine Folgen allein Sache der "Gestressten" ist. Es ist ihre Sache, damit „klarzukommen“. Sie sind dem Druck einfach „nicht mehr gewachsen“. Sie sind eben die „Falschen auf dem Posten“. Ihnen ist halt „alles ein bisschen viel“, mit den Kindern, den pflegebedürftigen Eltern und den Projekten... Tatsächlich ist aus der Stressforschung bekannt, dass die individuellen Umstände, die körperliche und psychische Ausstattung sowie die persönlichen Bewältigungsmuster eine entscheidende Rolle bei der Stressbewältigung spielen („interne“ Vorgänge). Mindestens ebenso wichtig aber - und in organisatorischer Perspektive vielleicht noch wichtiger - sind die Strukturen und Impulse des beruflichen und privaten Umfelds („externe“ Vorgänge). Was bedeutet das für unser Leistungsstreben und unseren Umgang mit Druck bzw. Stress?
Alle Mitglieder einer Organisation - Inhaber, Vorgesetzte, MitarbeiterInnen, Teammitglieder, Zulieferer und Kunden usw. - befinden sich in wechselseitigen und abhängigen Beziehungen. Sie ergeben ein Geflecht komplexer dynamischer Systeme, die sich gegenseitig beeinflussen. Im "gesunden" Zustand führt diese Dynamik zu hoher Leistung und zur zufriedenstellenden Wertschöpfung. Erkranken aber Teile der Organisation, erkrankt mit ihm die Organisation. Sie ist insgesamt geschwächt und in der Leistung eingeschränkt. Die "kranken" Menschen zeigen dies lediglich als „Symptomträger“ an.
Selbst schuld! Selbst schuld?
So gehen wir im allgemeinen davon aus, dass Stress und seine Folgen allein Sache der "Gestressten" ist. Es ist ihre Sache, damit „klarzukommen“. Sie sind dem Druck einfach „nicht mehr gewachsen“. Sie sind eben die „Falschen auf dem Posten“. Ihnen ist halt „alles ein bisschen viel“, mit den Kindern, den pflegebedürftigen Eltern und den Projekten... Tatsächlich ist aus der Stressforschung bekannt, dass die individuellen Umstände, die körperliche und psychische Ausstattung sowie die persönlichen Bewältigungsmuster eine entscheidende Rolle bei der Stressbewältigung spielen („interne“ Vorgänge). Mindestens ebenso wichtig aber - und in organisatorischer Perspektive vielleicht noch wichtiger - sind die Strukturen und Impulse des beruflichen und privaten Umfelds („externe“ Vorgänge). Was bedeutet das für unser Leistungsstreben und unseren Umgang mit Druck bzw. Stress?
Alle Mitglieder einer Organisation - Inhaber, Vorgesetzte, MitarbeiterInnen, Teammitglieder, Zulieferer und Kunden usw. - befinden sich in wechselseitigen und abhängigen Beziehungen. Sie ergeben ein Geflecht komplexer dynamischer Systeme, die sich gegenseitig beeinflussen. Im "gesunden" Zustand führt diese Dynamik zu hoher Leistung und zur zufriedenstellenden Wertschöpfung. Erkranken aber Teile der Organisation, erkrankt mit ihm die Organisation. Sie ist insgesamt geschwächt und in der Leistung eingeschränkt. Die "kranken" Menschen zeigen dies lediglich als „Symptomträger“ an.
Stress ist gut! Ist Stress gut?
Stress ist ein sehr altes, archaisches Muster. Es wirkt bei einzelnen Menschen genauso wie in Gemeinschaften, wozu auch Organisationen zählen. Der evolutionäre Sinn von Stress ist, schwierige Situationen mit punktuell starkem Fokus und maximalen Kräften bewältigen zu können. Kurze Stressphasen führen deshalb mitunter zu ungeahnten Leistungssprüngen. Stress ist also gut. Allerdings nicht immer. Wenn Menschen und Organisationen über längere Zeit Stressdynamiken ausgesetzt sind, wirkt Stress auf vielen psychischen und physischen Ebenen ungut: Der konzentrierte Tunnelblick schränkt den Horizont und die Kreativität ein, mentale wie körperliche Kräfte werden über Maßen an falschen Stellen verausgabt ohne sich wiederaufbauen zu können usw.
Die Folge ist ein zunächst schleichender, im weiteren Verlauf immer schneller werdender Leistungsabfall: Situationen werden verzerrt wahrgenommen, Entscheidungen schlechter getroffen, das Einfühlungsvermögen sinkt, der Aggressionspegel steigt, Konflikte häufen sich, Zeit und Energie verpuffen unproduktiv, die Fähigkeit zur Erholung geht verloren. Die Folge ist oft der Ausfall Einzelner. Die dadurch entstehenden Leistungslücken werden vom Team aufgefangen, was die allgemeine Stressspirale im Unternehmen noch mehr antreibt. Es kommt zu vermehrten Ausfällen usw. Im schlimmsten Falle droht so der Burnout des gesamten Teams.
Dies erklärt, warum Stress und Stresserkrankungen „ansteckend“ sind. Beides kann schnell um sich greifen, und oft genug geschieht dies auch. Für alle Beteiligten ist das unangenehm./1/ Und für Unternehmen ist es: sehr teuer. Das hängt mit den akut auftretenden Ausfallkosten zusammen. Vor allem aber bleiben Firmen auf längere Sicht weit unter ihrem eigentlichen Leistungsniveau. Viele Firmen, Führungskräfte, Personaler und auch KollegInnen spüren das intuitiv. Also werden sie schnell aktiv, z.B. indem sie stressanfälligen oder stresserkrankten MitarbeiterInnen entweder andere Aufgaben übertragen oder ihnen ermöglichen, die Posten oder Abteilungen zu wechseln. Meist weiß man sich auch schlicht nicht anders zu helfen, als die „erkrankten“ Menschen „im gegenseitigen Einvernehmen“ zu isolieren und dann zu ersetzen. Lokale Maßnahmen dieser Art scheinen naheliegend, sie verzögern aber echte Lösungen für das veritable Leistungsproblem, weil man die wahren Ursachen nicht angeht. Gleichzeitig verschärfen sie es - zum noch größeren Leidwesen der gesamten Belegschaft, ihrer Motivation und vor allem: des Profits.
Stressbewältigung als organisatorische Aufgabe
Hilfreicher ist deshalb, Stresssymptome auch organisatorisch als das zu betrachten, was sie sind: Mittel- bis langfristig leistungsmindernde Situationen, die durch das ungünstige Zusammentreffen unterschiedlicher Umstände und vor allem gestörte Wechselbeziehungen innerhalb des Systems verursacht werden. Stress und seine Folgen resultieren nie auf nur einer einzelnen Ursache, also z.B. allein dem/der Erkrankten, einem Verhalten einer bestimmten Führungskraft oder einem spezifischen Teamprozess. Soll also die gesamte Organisation möglichst schnell wieder maximal leistungsfähig werden, eine weitere Ausbreitung unguter Entwicklungen verhindert („Musterwiederholung“) und zukünftig eine "Wiederansteckung" verhindert werden, sind alle (!) Ursachen für den „Infekt“ zu suchen und anzugehen. Und zwar an verschiedenen Stellen im gesamten System.
Tabus brechen - gemeinsam und wertschätzend
Dazu ist zunächst eine gute Analyse der Situation nötig. Gut bedeutet, alle Beteiligte möglichst wertschätzend und wohlwollend miteinzubeziehen und ehrlich miteinander umzugehen. Erfahrungsgemäß sind Leistungs- und Stressthemen und insbesondere Burnout allgemein angstbesetzt, tabuisiert und hochemotional (also bei Betroffenen, Geschäftsführungen, Führungskräften, Personalabteilungen, Teammitgliedern, Betriebsräten etc.). Deshalb sind die Menschen einer Organisation selten in der Lage, eigenständig den Lösungsprozess erfolgreich anzugehen und anzuleiten. Eine kompetente externe Begleitung ist dafür also sehr ratsam. Und so könnte die gemeinsame Route aussehen:
- Anfangs ist besonders wichtig zu klären, ob betroffene Mitarbeiter „nur“ auf dem Weg sind auszubrennen oder ob sie bereits erkrankt sind (z.B. an einer Erschöpfungsdepression). Dies macht ein (Fach-) Arzt.
- Gleichzeitig ist die Situation im erweiterten beruflichen Umfeld des Erkrankten gründlich zu analysieren: Wie ist die Arbeitssituation? Welche Konflikte bestehen wo, mit wem und weshalb? Gibt es individuelle oder allgemeine Überlastungssituationen und wie sind sie gestaltet? Etc. /2/
- Nach der Analyse wird idealerweise im Einvernehmen mit den direkt Betroffenen darüber entschieden, was auf der individuellen und der organisatorischen Ebene geschieht:
- Für den Einzelnen bedeutet das in akuten Fällen oft, dass er zunächst die Möglichkeit und die nötige Zeit erhält, aus einer angespannten Stresssituation herauszukommen und gesund zu werden.
- Erst danach macht Sinn, sich weiteren Fragen zur konkreten Arbeitssituation zuzuwenden, ggf. Ändern von Teamstrukturen, -zielen und -umgangsformen, der Umgestaltung des Arbeitsplatzes, die Verbesserung eigener Selbstmanagement-Kompetenzen oder gar ein Wechsel der generellen beruflichen Perspektiven.
- Gleichzeitig und am besten sofort /3/ sind auf organisatorischer Ebene die Strukturen so zu verändern, dass sie für das gesamte Team wieder eine stabile Basis für (Höchst-) Leistungen abgeben. Dazu gehören prophylaktische und präventive Maßnahmen für das gesamte Team inklusive Führungsmannschaft, ggf. Personaler und Geschäftsführung: Aufklärung über (organisatorischen) Stress, seine Auswirkungen und einen guten zielgerichteten, leistungsorientierten Umgang mit ihm.
Es liegt nahe, dass diese Maßnahmen einen nachhaltigen Effekt nur haben und zu einer echten Verbesserung beitragen, wenn sie für alle Beteiligten authentisch und annehmbar sind. Die Suche nach den geeigneten Maßnahmen kann ein langer und auch konfliktreicher Prozess sein. Der zahlt sich dadurch aus, dass Organisationen danach gestärkt, leistungsfähiger und zufriedener daraus hervorgehen.
Sind Sie, Ihr Team, Ihre Abteilung oder gar Ihre Firma also gestresst? Dann gehen Sie das Problem sofort an! Beginnen Sie damit, wieder gesund und leistungsfähig zu werden! Das wird Ihre Zufriedenheit, Ihren Arbeitsplatz und Ihren Profit auf lange Sicht sichern.
Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com
Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de
Literatur
- Bauer, Joachim: Arbeit. Warum unser Glück von ihr abhängt und wie sie uns krank macht. München, 2013
- Leibovici-Mühlberger, Martina: Die Burnout Lüge: Was uns wirklich schwächt und wie wir stark bleiben. edition a, 2013.
- Literaturliste zum Thema Burnout auf der Website der Münchner Burnout-Selbsthilfegruppe "Yourway 2 Life".
- Macht Stress krank? – Auf den Spuren eines Phänomens. BR2-Podcast vom 11.8.2016
- Rodehack, Edgar: "Vor einem Burnout? Mittendrin? Was tun?" Blogpost vom 4. Mai 2015
- Ruhwandl, Dagmar: Top im Job – ohne Burnout durchs Arbeitsleben. Stuttgart, 2010.
- Scherrmann, Ulrich: Stress und Burnout in Organisationen. Berlin u.a., 2015.
- Striemer, Rüdiger: IT-Manager und Autor. Radio-Interview mit Achim Bogdahn. In: Eins zu eins. Der Talk auf Bayern 2 am 14.10.2015
- Striemer, Rüdiger: Raus! Mein Weg von der Chefetage in die Psychiatrie und zurück. Berlin, 2015.
- Unger, Hans-Peter; Kleinschmidt, Carola: »Das hält keiner bis zur Rente durch!« Damit Arbeit nicht krank macht: Erkenntnisse aus der Stress-Medizin. München, 2014.
- Wider den Erreichbarkeitswahn – Was Menschen in die Erschöpfung treibt. BR2-Podcast vom 29.6.2016
Anmerkungen
- /1/ Und manchmal lebensgefährlich.
- /2/ Das private Umfeld ist ebenso wichtig, aber eben Privatsache. Und insofern einer privaten Therapie und der Entscheidung des Einzelnen vorbehalten.
- /3/ Denn auch andere Teammitglieder können sich inzwischen an den allgemeinen Umständen aufgerieben haben und in einem Stresstunnel sein.
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