Missstände und schwelende Konflikte anzusprechen fällt uns häufig schwer. Warum? Wir sind doch gestandene Manager, die gerne und mit Elan Entscheidungen treffen und sie wirkungsvoll durchsetzen. Wieso
tun wir uns so schwer damit, Konflikte anzusprechen? Ist das normal? Soll das so sein? Ich meine: Jein! Schließlich sind wir Fluchttiere. Mit ein wenig Intelligenz.
Nach längerer Krankheit kehrte ein Freund von mir an seinen Arbeitsplatz
zurück. Sein Vorgesetzter begrüßte ihn mit einem knappen guten Morgen.
Keine Frage nach dem Befinden, kein Briefing, was nun anstehe. Erst drei
Tage später sprach er wieder mit ihm. In einer kleineren Projektangelegenheit.
Die Enttäuschung meines Bekannten war groß. Doch auch er suchte kein
Gespräch mit seinem Chef. Vermutlich haben wir alle schon einmal solche oder ähnliche Situationen erlebt. Wider besseren Wissens schleichen wir um unangenehme Themen herum. Schlimmer noch: Oft warten wir sehenden Auges auf den großen Zusammenprall. Was steckt hinter diesem rätselhaften Verhalten?
Die Höhlenvergangenheit unserer Ahnen liegt lange zurück. Doch trotz der etlichen Jahre, die wir seither in unsere Evolution investiert haben, ist unser Verhalten noch immer stark von den archaischen Handlungsmustern jener Zeit geprägt. Um uns gegen Lebensgefahren zu wappnen, dem sprichwörtlichen Säbelzahntiger, war unsere Erfolgsstrategie:
/1/ Natürlich sind wir kompromissbereit. Wird ein wichtiges Bedürfnis allerdings dauerhaft nicht erfüllt, so ist das die Basis für einen größeren Konflikt, der früher oder später in irgendeiner Form ausbricht. Ein solcher Konflikt kann sich nach Außen auf die eigene Umgebung richten oder auch nach Innen gegen sich selbst.
/2/ Eskalationsmodell nach Friedrich Glasl (Siehe Literaturverzeichnis): Ab einem übrigens schon sehr frühen Stadium ist es den Streitparteien nicht mehr möglich, einen Konflikt aus eigener Kraft heraus zu lösen.
/3/ Neben der Gewaltfreien Kommunikation und dem Harvard-Konzept bietet auch die Themenzentrierte Interaktion gute, praktikable Ansätze, siehe Literaturhinweise. Zur Gewaltfreien Kommunikation siehe Jan Fischbachs Eintrag hier im Blog.
/4/ Zur weiteren Lektüre könnten Sie diese Blogeinträge auch interessieren: "Vom 'Warum?' zum 'Dahin!' Werden Sie Problemlöser!" und "Verantwortung übernehmen! Schuld- & Opferdenken"
Urgroßvater lässt grüßen!
Die Höhlenvergangenheit unserer Ahnen liegt lange zurück. Doch trotz der etlichen Jahre, die wir seither in unsere Evolution investiert haben, ist unser Verhalten noch immer stark von den archaischen Handlungsmustern jener Zeit geprägt. Um uns gegen Lebensgefahren zu wappnen, dem sprichwörtlichen Säbelzahntiger, war unsere Erfolgsstrategie:
- Stillhalten: Solange er mich nicht sieht, geschieht mir nichts.
- Flucht: Oha, er hat mich gesehen. Besser nix wie weg!
- Angriff: Jetzt hat er mich gleich: Jetzt heißt’s kämpfen, er oder ich!
Mit wilden Tieren haben wir es heute selten zu tun. Heute sind es unsere domestizierten Artgenossen, die um uns herumschleichen und auf die es zu reagieren gilt. Gerade, wenn wir dabei spontan sind, verhalten wir uns oft noch wie damals. Und der Erfolg gibt uns Recht: Manch eine E-Mail erledigt sich, wenn wir sie lange genug ignorieren. Eine Sitzung früh zu verlassen, bewahrt uns manchmal vor ungeliebten Aufgaben. Und wenn alles nichts hilft, argumentieren wir uns mehr oder minder angriffslustig aus so mancher Situation. Bei Sachfragen ist das oft pragmatisch schlau.
Sehr viele Teamangelegenheiten sind aber zwischenmenschliche Angelegenheiten. Sie sind die wahren Säbelzahntiger der Neuzeit, und sie erweisen sich als äußerst langlebig und widerstandsfähig. Der Grund: Es handelt sich hierbei um Fragen nach Interessensausgleich und Bedürfnisbefriedigung. Mit Bedürfnissen ist's so eine Sache: Wir entwickeln aufgrund unserer individuellen Lebenserfahrungen unsere ganz eigenen, und wir achten darauf, dass sie möglichst maximal erfüllt sind! Deshalb gehören zum Zusammenleben und zur Zusammenarbeit kleinere und größere Auseinandersetzungen, die jeden Tag aufs Neue und solange geführt werden (müssen), bis die Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden. Hier zeigen sich viele Spielarten: offen oder unterschwellig, aktiv oder passiv, bewusst oder unbewusst, in Freundschaft oder in herzlicher Feindschaft (/1/).
Unser archaisches Handlungsmuster entpuppt sich in diesen sozialen Streitfragen als Problem und als ernstzunehmende Gefahr für Teams und deren Leistungsfähigkeit. Denn ob Stillhalten oder Weglaufen: beides löst den Konflikt nicht. Angreifen? Ist der Versuch den Menschen niederzuringen oder in die Flucht zu schlagen, nicht aber das eigentliche Problem! Der sichere Effekt dieser Variante ist, dass der oder die „Beteiligten“ in jedem Fall geschwächt sind - wenn nicht einer sogar ganz weggefegt wird.
Einer der größten Nachteile, die das Vorgehen nach Urahnen-Art hat, ist, dass immer auch das Team in Mitleidenschaft gezogen wird. Denn zeitweise gerät der eigentliche Arbeitsauftrag aus dem Blick, Energie wird für den Konflikt aufgebracht und nicht für Teambelange verwendet. Dies gilt sowohl für die Streitpartner als auch für große Teile des nur indirekt beteiligten Teams: Eine spannende Rauferei sieht man sich gerne an. "Mal sehen, ob mein Favorit gewinnt." Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt, indem die Streitparteien dazu neigen, Allianzen zu schmieden und Unterstützer hinter sich zu versammeln. Ist es erst einmal so weit, dann ist die Kooperationsbereitschaft der Gruppe in allerhöchster Gefahr und damit der Erfolg des gesamten Teams.
Auseinandersetzungen, auch zwischen Einzelpersonen, bergen also stets eine große Ansteckungsgefahr für Gruppen: Das Karussell beginnt sich mit verhärteten Fronten zweier Teammitglieder oder Parteien zu drehen, nimmt mit Koalitionsbildungen immer schneller Fahrt auf, bis es in der letzten Stufe heißt: "Gemeinsam in den Abgrund!" Wird ein Konflikt ignoriert, kommt in jedem Fall diese Eskalation in Gang. Je weiter sie fortschreitet, desto schwerer fällt es den Konfliktpartnern, aktiv und aus eigenem Antrieb positiven Einfluss auf das Geschehen zu nehmen und das Karussell anzuhalten (/2/).
Was also tun? Akzeptieren Sie die Tatsache, dass widerstrebende Interessen und die Auseinandersetzungen zum Alltag gehören! Nehmen Sie auch als nur indirekt betroffenes Teammitglied - und als Führungskraft sowieso - persönliche Streitpunkte und Einwände ernst, sprechen sie sie frühzeitig an und moderieren Sie so neutral wie möglich! Es gibt hierfür eine Reihe hilfreicher und praktikable Methoden, die man lernen kann (/3/). Für den Anfang reicht aber sicher Ihr gesunder Menschenverstand und Ihre sprachlichen Bordmittel: „Schön, Sie zu sehen! Wie geht’s Ihnen? Können wir nachher sprechen, wie es jetzt weitergeht?“ (/4/).
Der Säbelzahntiger der Neuzeit
Sehr viele Teamangelegenheiten sind aber zwischenmenschliche Angelegenheiten. Sie sind die wahren Säbelzahntiger der Neuzeit, und sie erweisen sich als äußerst langlebig und widerstandsfähig. Der Grund: Es handelt sich hierbei um Fragen nach Interessensausgleich und Bedürfnisbefriedigung. Mit Bedürfnissen ist's so eine Sache: Wir entwickeln aufgrund unserer individuellen Lebenserfahrungen unsere ganz eigenen, und wir achten darauf, dass sie möglichst maximal erfüllt sind! Deshalb gehören zum Zusammenleben und zur Zusammenarbeit kleinere und größere Auseinandersetzungen, die jeden Tag aufs Neue und solange geführt werden (müssen), bis die Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden. Hier zeigen sich viele Spielarten: offen oder unterschwellig, aktiv oder passiv, bewusst oder unbewusst, in Freundschaft oder in herzlicher Feindschaft (/1/).
Unser archaisches Handlungsmuster entpuppt sich in diesen sozialen Streitfragen als Problem und als ernstzunehmende Gefahr für Teams und deren Leistungsfähigkeit. Denn ob Stillhalten oder Weglaufen: beides löst den Konflikt nicht. Angreifen? Ist der Versuch den Menschen niederzuringen oder in die Flucht zu schlagen, nicht aber das eigentliche Problem! Der sichere Effekt dieser Variante ist, dass der oder die „Beteiligten“ in jedem Fall geschwächt sind - wenn nicht einer sogar ganz weggefegt wird.
Einer der größten Nachteile, die das Vorgehen nach Urahnen-Art hat, ist, dass immer auch das Team in Mitleidenschaft gezogen wird. Denn zeitweise gerät der eigentliche Arbeitsauftrag aus dem Blick, Energie wird für den Konflikt aufgebracht und nicht für Teambelange verwendet. Dies gilt sowohl für die Streitpartner als auch für große Teile des nur indirekt beteiligten Teams: Eine spannende Rauferei sieht man sich gerne an. "Mal sehen, ob mein Favorit gewinnt." Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt, indem die Streitparteien dazu neigen, Allianzen zu schmieden und Unterstützer hinter sich zu versammeln. Ist es erst einmal so weit, dann ist die Kooperationsbereitschaft der Gruppe in allerhöchster Gefahr und damit der Erfolg des gesamten Teams.
Schwelende Konflikte - Der Grippevirus für Teams
Auseinandersetzungen, auch zwischen Einzelpersonen, bergen also stets eine große Ansteckungsgefahr für Gruppen: Das Karussell beginnt sich mit verhärteten Fronten zweier Teammitglieder oder Parteien zu drehen, nimmt mit Koalitionsbildungen immer schneller Fahrt auf, bis es in der letzten Stufe heißt: "Gemeinsam in den Abgrund!" Wird ein Konflikt ignoriert, kommt in jedem Fall diese Eskalation in Gang. Je weiter sie fortschreitet, desto schwerer fällt es den Konfliktpartnern, aktiv und aus eigenem Antrieb positiven Einfluss auf das Geschehen zu nehmen und das Karussell anzuhalten (/2/).
Was also tun? Akzeptieren Sie die Tatsache, dass widerstrebende Interessen und die Auseinandersetzungen zum Alltag gehören! Nehmen Sie auch als nur indirekt betroffenes Teammitglied - und als Führungskraft sowieso - persönliche Streitpunkte und Einwände ernst, sprechen sie sie frühzeitig an und moderieren Sie so neutral wie möglich! Es gibt hierfür eine Reihe hilfreicher und praktikable Methoden, die man lernen kann (/3/). Für den Anfang reicht aber sicher Ihr gesunder Menschenverstand und Ihre sprachlichen Bordmittel: „Schön, Sie zu sehen! Wie geht’s Ihnen? Können wir nachher sprechen, wie es jetzt weitergeht?“ (/4/).
Edgars eigener Blog: www.trellisterium.deEdgars Podcast: trellisterium.podbean.com
Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de
Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de
Anmerkungen
/1/ Natürlich sind wir kompromissbereit. Wird ein wichtiges Bedürfnis allerdings dauerhaft nicht erfüllt, so ist das die Basis für einen größeren Konflikt, der früher oder später in irgendeiner Form ausbricht. Ein solcher Konflikt kann sich nach Außen auf die eigene Umgebung richten oder auch nach Innen gegen sich selbst.
/2/ Eskalationsmodell nach Friedrich Glasl (Siehe Literaturverzeichnis): Ab einem übrigens schon sehr frühen Stadium ist es den Streitparteien nicht mehr möglich, einen Konflikt aus eigener Kraft heraus zu lösen.
/3/ Neben der Gewaltfreien Kommunikation und dem Harvard-Konzept bietet auch die Themenzentrierte Interaktion gute, praktikable Ansätze, siehe Literaturhinweise. Zur Gewaltfreien Kommunikation siehe Jan Fischbachs Eintrag hier im Blog.
/4/ Zur weiteren Lektüre könnten Sie diese Blogeinträge auch interessieren: "Vom 'Warum?' zum 'Dahin!' Werden Sie Problemlöser!" und "Verantwortung übernehmen! Schuld- & Opferdenken"
Literatur & Links
- /1/ Das Harvard-Konzept: der Klassiker der Verhandlungstechnik. 23. Auflage 2009, Frankfurt am Main: Campus Verlag.
- /2/ Fischbach, Jan: Wie Sprache Zusammenarbeit blockiert - Über gewaltfreie Kommunikation für Teams
- /3/ Fischbach, Peter: Teamkonflikte vermeiden mit dem SCARF-Modell
- /4/ Hertel, Anita von: Professionelle Konfliktlösung : Führen mit Mediationskompetenz. 3. Auflage 2013. Frankfurt am Main: Campus Verlag
- /5/ Hüther, Gerald: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. 2012, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
- /6/ Glasl, Friedrich: Selbsthilfe in Konflikten : Konzepte, Übungen, Praktische Methoden. 6. Auflage 2004, Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben
- /7/ Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement : ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. 11. Auflage 2004. Bern: P. Haupt
- /8/ Langmaack, Barbara u.a.: Einführung in die Themenzentrierte Interaktion (TZI): Das Leiten von Lern- und Arbeitsgruppen erklärt und praktisch angewandt. 5. Auflage 2011. Langensalza: Beltz.
- /9/ Rodehack, Edgar: Verantwortung übernehmen! Schuld- & Opferdenken
- /10/ Rodehack, Edgar: Vom 'Warum?' zum 'Dahin!' Werden Sie Problemlöser!
- /11/ Rosenberg, Marshall B.: Gewaltfreie Kommunikation : eine Sprache des Lebens. 2011, Paderborn: Junfermann Verlag GmbH.
- /12/ Webpräsenz des Zentrums für Gewaltfreie Kommunikation
Lieber Edgar,
AntwortenLöschenbeim Lesen Deines Beitrags habe ich an das Buch "Mammutjäger in der Metro" gedacht. Es zeigt, wie unsere steinzeitliche Firmware unser Verhalten noch heute steuert.
LG, Jan
Allman, William F.: Mammutjäger in der Metro : Wie das Erbe der Evolution unser Denken und Verhalten prägt. 1. Aufl. 1996. Nachdruck 2009. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, 2009.