Lean und agile Methoden folgen dem Prinzip „enough design up front“. So vermeiden sie zu viel Design, überflüssige Detailplanung etc. Damit bleiben sie agil. Agile-Kritiker bemängeln allerdings, dass dieser Ansatz eine Tür für schlampige, unkontrollierte Arbeit offen lässt. Sie spotten, „Über eine mit Agile gebaute Brücke möchte ich nicht fahren“ (/1/).
Deshalb stellen sich die Fragen: Wie viel Design, Planung oder Analyse ist genug? Woher weiß ich, dass ich den Punkt erreicht habe? Wie überzeugen wir den Lenkungsausschuss, das Team oder den Kunden, dass weniger Planung ausreicht bzw. dass mehr Planung notwendig ist?
Die Antwort ist einfacher als man denkt und kann sogar mit belastbaren Zahlen belegt werden. Der Clou liegt in unseren Mess- und Schätzverfahren, die für Geld, menschliche Ressourcen, Nutzen etc. gleichermaßen angewendet werden können. Für ein „Lean Estimating“ müssen wir nur ein paar Zutaten in unsere Planungssuppe werfen (/2/).
Die erste Zutat für schlanke Schätzungen ist ein klares Verständnis über deren Zweck. Wir messen, analysieren, schätzen und planen aus nur einem Grund: um Entscheidungen zu ermöglichen. Wollen wir dieses Projekt? Haben wir die Ressourcen dafür? Sind die Anforderungen realisierbar? Kennen wir die Risiken? Geleitet durch dieses Verständnis wird die Antwort auf unsere Frage „wie viel ist genug“ leichter. Wenn wir genug wissen, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen, dann haben wir ausreichend gemessen bzw. geplant.
Ziemlich lean, oder? Wir benötigen aber noch eine klarere Definition von „genug“, wenn wir jemand überzeugen möchten. Hierfür berechnen wir den Wert der Informationen. Dieser Wert ist gleich dem durch die Analyse vermiedenen Verlust.
Der wirkliche Feind von einem Lean/Agile-Ansatz ist nicht die Wasserfall-Methode, sondern die Erwartung, dass Planung und Design perfekte, risikolose Zahlen liefern. Das können sie nicht, und das müssen sie auch nicht. Sie müssen nur unsere Unsicherheit reduzieren.
Die dritte Zutat im Lean Estimating Rezept ist die Anwendung von Wahrscheinlichkeiten im Schätzungsprozess. Wahrscheinlichkeiten, im Gegensatz zu Mittelwerten, stellen die Entscheidungen auf ein nachvollziehbares Fundament, zumindest in Hinblick auf die Unsicherheiten. Durchschnittswerte führen in die Irre, da sie die Varianzen nicht in die Betrachtung miteinbeziehen. Das wissen wir vom Statistikkurs. Aber wie passt das zu Projekten?
Fazit: für agile Schätzungen ist „genug“ der Punkt, wo wir 90% sicher sind, dass die Realität innerhalb unserer geschätzten Spannbreite liegt. Diese Denkweise gibt dem „enough design up front“ ein klare Bedeutung, ohne utopische Planungsstandards aufzusetzen.
Versuchen Sie es. Lassen Sie uns Ihre Erfahrungen wissen.
Deshalb stellen sich die Fragen: Wie viel Design, Planung oder Analyse ist genug? Woher weiß ich, dass ich den Punkt erreicht habe? Wie überzeugen wir den Lenkungsausschuss, das Team oder den Kunden, dass weniger Planung ausreicht bzw. dass mehr Planung notwendig ist?
Die Antwort ist einfacher als man denkt und kann sogar mit belastbaren Zahlen belegt werden. Der Clou liegt in unseren Mess- und Schätzverfahren, die für Geld, menschliche Ressourcen, Nutzen etc. gleichermaßen angewendet werden können. Für ein „Lean Estimating“ müssen wir nur ein paar Zutaten in unsere Planungssuppe werfen (/2/).
Die erste Zutat für schlanke Schätzungen ist ein klares Verständnis über deren Zweck. Wir messen, analysieren, schätzen und planen aus nur einem Grund: um Entscheidungen zu ermöglichen. Wollen wir dieses Projekt? Haben wir die Ressourcen dafür? Sind die Anforderungen realisierbar? Kennen wir die Risiken? Geleitet durch dieses Verständnis wird die Antwort auf unsere Frage „wie viel ist genug“ leichter. Wenn wir genug wissen, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen, dann haben wir ausreichend gemessen bzw. geplant.
Ziemlich lean, oder? Wir benötigen aber noch eine klarere Definition von „genug“, wenn wir jemand überzeugen möchten. Hierfür berechnen wir den Wert der Informationen. Dieser Wert ist gleich dem durch die Analyse vermiedenen Verlust.
Ein vereinfachtes Beispiel: Wenn ein Projekt € 1 Mio. verspricht, € 750.000 kostet, aber ein 33,3% Risiko für Totalverlust hat, beträgt unser erwarteter Verlust € 250.000 (/3/). Durch bessere Planung oder das Bauen eines Prototyps könnten wir das Risiko vielleicht auf 10%, also auf einen erwarteten Verlust von € 75.000, reduzieren. Nach diesem Ansatz könnte man bis € 175.000 für Planung oder Prototypenbau rechtfertigen, da wir uns so gleich dem ursprünglichen Szenario stehen. Allerdings ist die Realität noch besser, denn die Verkleinerung auf 10% ist wahrscheinlich mit nur einem Bruchteil dieses Betrags möglich.Demzufolge ist die zweite Zutat das Senken der Unsicherheiten hinsichtlich der vorliegenden Entscheidung. Deshalb machen wir die ganze Analyse und Planung. Wir erzielen damit zwar keinen wissenschaftlichen Beweis, aber eine bessere Entscheidung. Im Beispiel oben wären 20 Personentage für die Planung nur ein Klacks. Diese Menge ist „genug“, weil dieses Investment deutlich kleiner ist als der erwartete Verlust.
Der wirkliche Feind von einem Lean/Agile-Ansatz ist nicht die Wasserfall-Methode, sondern die Erwartung, dass Planung und Design perfekte, risikolose Zahlen liefern. Das können sie nicht, und das müssen sie auch nicht. Sie müssen nur unsere Unsicherheit reduzieren.
Die dritte Zutat im Lean Estimating Rezept ist die Anwendung von Wahrscheinlichkeiten im Schätzungsprozess. Wahrscheinlichkeiten, im Gegensatz zu Mittelwerten, stellen die Entscheidungen auf ein nachvollziehbares Fundament, zumindest in Hinblick auf die Unsicherheiten. Durchschnittswerte führen in die Irre, da sie die Varianzen nicht in die Betrachtung miteinbeziehen. Das wissen wir vom Statistikkurs. Aber wie passt das zu Projekten?
Deshalb sollten wir unsere Schätzungen so ausdrücken: „Wir haben eine 90% Chance, den Plan innerhalb von fünf bis 15 Tagen zu erledigen“. Und nicht: „Die durchschnittliche Fertigstellungsdauer beträgt 10 Tage“. Beide Aussagen können gleichzeitig wahr sein. Aber die erste Aussage berücksichtigt die Unsicherheiten und bietet dadurch eine deutlich bessere Entscheidungsgrundlage. Wer’s nicht glaubt, der fragt die Giraffe, die in einem Zoo lebt, dessen Gebäude auf die durchschnittliche Größe der Tiere zugeschnitten sind.Noch ein einfaches Beispiel macht es klar: Wenn ein Plan aus fünf Parallelaktivitäten besteht, und jede Aktivität durchschnittlich 10 Tage dauert, reizt uns der Gedanke, dass ein Team von fünf Personen in 10 Tagen fertig sein könnten. Allerdings beträgt die Chance hierfür nur 3% (1:32), da alle fünf Aktivitäten innerhalb von 10 Tagen fertig sein müssten. Wir werden erst dann fertig sein, wenn die letzte der fünf Aktivitäten erledigt ist (/4/).
Image © Dixie Allen,
Used by permission /5/
Fazit: für agile Schätzungen ist „genug“ der Punkt, wo wir 90% sicher sind, dass die Realität innerhalb unserer geschätzten Spannbreite liegt. Diese Denkweise gibt dem „enough design up front“ ein klare Bedeutung, ohne utopische Planungsstandards aufzusetzen.
Versuchen Sie es. Lassen Sie uns Ihre Erfahrungen wissen.
Anmerkungen
- /1/ Die Debatte zwischen den Agilen- und den Wasserfall-Methoden besteht hauptsächlich aus Falschdarstellungen und Strohmännern. Typische kritische Stimmen sind:
- http://billschofield.typepad.com/my_weblog/2009/08/the-insufficiency-of-scrum.html
- http://www.rational-scrum.com/2010/04/why-agile-isnt-enough-and-why-it-doesnt-work/
- Oder, für eine satirische Sicht auf die Sache: http://creativyst.com/Doc/Articles/Mgt/AgileBridges/AgileBridges.htm
- /2/ Ein gutes Buch zum Thema ist Douglas W. Hubbard (2010), How to Measure Anything: Finding the Value of Intangibles in Business, Hoboken, John Wiley & Sons.
- /3/ „Erwarteter Wert“ bezieht sich auf den mit der Wahrscheinlichkeit gewichteten Wert. Wenn wir hunderte Projekte durchführen würden, betrüge der durchschnittliche Verlust €250.000. Unser Problem liegt darin, dass wir nur ein Projekt durchführen, und dies natürlich möglichst risikoarm.
- /4/ Wie Sam Savage zeigt, ist dieser „flaw of averages“ ein wesentlicher Faktor in der fehlerhaften Planung von Projekten. (Sam L. Savage (2012), The Flaw of Averages: Why We Underestimate Risk in the Face of Uncertainty, Hoboken, John Wiley & Sons.) Die 1:32 Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus den zwei Zuständen für jede der fünf Aktivitäten. Damit haben wir 2^5 = 32 mögliche Kombinationen. Aber nur eine Kombination, die Fertigstellung aller fünf Aktivitäten innerhalb von 10 Tagen, ist zufriedenstellend.
- /5/ http://webclipart.about.com/od/wildlifeoriginal/ss/Giraffe.htm
Das ist eine auch für "erdverbundene" Manager sehr gut nachvollziehbare Argumentation!
AntwortenLöschenÜbrigens: Die Erwartung, dass Planung und Design perfekte, risikolose Zahlen liefern habe ich bisher noch bei keinem Manager angetroffen. Wohl aber immer wieder mal heftige Zweifel, dass die vorgelegten groben Konzepte (= JEDUF) und Risikoabschätzhungen auch nach wirtschaftlich angemessenem Analyseaufwand vaild sind.
Und da kommen wir in das selten angesprochene Feld der bewussten Verantungsübernahme als UNTERNEHMER. Und damit zur Frage nach der Macht und tatsächlichen Verantwortung von Managern innerhalb der heute gegebenen Unternehmesstrukturen...
Ja, richtig.
AntwortenLöschenWir haben wohl eine paradoxe Situation: die Manager wollen häufig eine einfache Schätzung "das Projekt wird 233 Personentage benötigen", aber sie zweifeln daran, dass mehr Planung/Analyse notwendig ist. NICHTDESTOTROTZ treffen die Manager auf diese Basis mal Entscheidungen über Projekte mit größere Summen.
Die "heftig Zweifel" des Managers liegt häufig an einem Misstrauen des Prozesses. Er hat noch nicht verinnerlicht, dass nur eine Reduktion der Unsicherheiten möglich ist, und in dem Moment muss er unternehmerisch vorgehen - nämlich ein Risiko eingehen.
Deshalb stimme ich 100% zu, dass wir an die Entscheidungsstrukturen in Unternehmen arbeiten müssen. Darf ich als Mittelmanager Sachen probieren? Sind Fehlern erlaubt? Können wir konstruktiv "nein" zu sinnlosen Projekten sagen?