Direkt zum Hauptbereich

Verträge für Projekte mit agilem Vorgehen (Teil 3/4)

Ein Thema, mit dem agile Projektmanager Abende füllen können, ist die Frage: Wie gestalte ich die Vertragsbeziehung zwischen Kunde und agilem Dienstleister? Im ersten Teil haben wir uns die möglichen Vertragsarten angesehen (/1/). Im zweiten Teil haben wir festgestellt, dass es in den meisten Projektsituation gar nicht möglich ist, Anforderungen und Design früh festzulegen (/2/). Es gibt dennoch eine Methode, mit der beide Seiten herausfinden, was das Projekt genau liefern soll. Und zwar unabhängig von der IT-Lösung. Wie das geht, erkläre ich in diesem Teil.

Das Problem in vielen Vertragsverhandlungen von IT-Projekten ist, dass sich beide Seiten auf das IT-System konzentrieren. Wieso ist das ein Problem? Schließlich will der Kunde ein IT-System haben und der Lieferant kann eins liefern.

Das Problem ist, dass IT-Systeme per se überhaupt keinen Mehrwert liefern. Auf das IT-System bezogen ist also jeder Preis sinnlos; für den Kunden immer zu teuer, für den Lieferanten immer zu billig. Diese eingeschränkte Sichtweise macht aus Vertragsverhandlungen ein lästiges Gefeilsche. Und die Seite, die sich über den Tisch gezogen fühlt, versucht sich später über Nachforderungen ihr Recht zu holen. Entweder verdient der Lieferant sein Geld mit teuren Change-Requests oder der Kunde fordert ständig Nachbesserungen, bis er das System nutzen kann.

Von John Ward (/3/) wissen wir, dass IT-Systeme nur einen Wert liefern, wenn sie zu dauerhaften Änderungen im betrieblichen Alltag führen. Wenn der Kunde eine elektronische Akte für seine Kunde einführen will, geht es eigentlich darum, dass die Mitarbeiter auf Kundenseite diese Akte führen. Offenbar haben sie dies vorher nicht getan oder nicht tun können.

Der Geschäftswert eines IT-Systems errechnet sich aus den zusätzlichen Umsätzen oder Einsparungen, die sich aus einer dauerhaft geänderten Arbeitsweise beim Kunden ergeben.

Nehmen wir an, Sie wollen eine Software für den Verkauf von Fahrkarten an Automaten ausschreiben. Die Software ist soviel wert, wie sie zusätzliche Tickets verkaufen können. Dafür kann es mehrere Gründe geben:
  • Sie können mit der neuen Software überhaupt Tickets verkaufen (was vorher nicht möglich war).
  • Sie bekommen mehr Kunden als die Konkurrenz, weil Ihr Ticketverkauf einfacher oder problemloser ist.
  • Sie müssen durch die Automatensoftware weniger Personal vorhalten.
  • Sie können einen Vertrag mit einem gewerblichen Ticketverkäufer kündigen.
  • Sie haben weniger Leerfahrten oder falsch ausgenutzte Kapazitäten, weil Sie durch den automatischen Ticketverkauf ihre Fahrten besser planen können.
Wenn Sie den Wert Ihres IT-Projektes berechnen wollen, überlegen Sie sich einen Bereich, in den Sie investieren wollen und welchen Nutzen Sie sich versprechen. Dann überlegen Sie welche dauerhaften Änderungen Ihre Organisation anstreben muss und welche einmaligen Änderungen dazu nötig sind. Eine von den einmaligen Änderungen ist der Aufbau von IT-Systemen.

Das ist eine ganz andere Projektplanung. Bevor es an die Software geht, machen Sie sich erstmal ein Bild, welche Prozesse verbessert werden, welche Anwender die Änderungen betreffen usw. Mit diesen Anwendern können Sie agil die neue Software bauen und testen. Der klare Nutzen und der Fokus auf einen Hauptnutzen helfen alle Beteiligten, sich auf die wichtigsten Anforderungen zu konzentrieren. Diese Vorgehensweise ist übrigens als "Benefits Management" bekannt geworden.

In den frühen Phasen von solchen Projekten gibt es auf einmal ganz andere Lieferergebnisse als Software. Das können Konzepte sein oder Prototypen. Diese lassen sich viel besser umreißen. Die Ergebnisse lassen sich auch besser beschreiben. Ein Konzept soll z. B. durchrechnen, wie viele Ressourcen ich für den Ticketverkauf brauche oder wie viele Tickets sich überhaupt maximal verkaufen lassen. Auf Basis dieser Ergebnisse können dann die nächsten Schritte vereinbart werden.

Ich denke, Sie erahnen schon, in welche Richtung sich meine Vorschläge für einen Vertrag für agile Projekte entwickeln. Dazu mehr im nächsten Teil.

Anmerkungen

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Beispiel für eine Partyplanung mit Scrum

Wer sich neu mit Scrum beschäftigt, ist vielleicht überwältigt von den ganzen Fachbegriffen. Dann sieht man vielleicht gar nicht, wie einfach die einzelnen Elemente von Scrum sind. Deshalb hier ein einfaches Beispiel für die Vorbereitung einer Party mit Hilfe von Scrum.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

2 Tätigkeiten, bevor man agile Arbeitsweisen nutzt

Wenn Teams und Organisationen sich mit Agilität beschäftigen, hoffen sie auf eine schnelle Lösung für ihre Probleme. Mit Scrum und Kanban sollte es doch sofort und spürbar besser werden. Abgesehen davon, dass diese Teams vielleicht noch nicht wissen, warum Scrum und Kanban funktionieren, sind aus meiner Sicht zwei wichtige Fragen noch nicht beantwortet.

Protokolle in OneNote - neue Ideen für's neue Jahr

Protokolliert Ihr Team seine Besprechungen in OneNote? Das geht einfach, schnell ist teamfähig und hat eine exzellente Suchfunktion. Die beliebte Fragen "Wann haben wir eigentlich beschlossen, dass..." ist so schnell beantwortet. Darum wird OneNote an dieser Stelle immer beliebter. In meinen Seminaren dazu sind gute Ideen entstanden, die ich hier weitergeben will.

Führung weiterentwickeln mit Surflehrer Pepe (Pedro)

Führung weiterentwickeln mit Surflehrer Pepe  "Du bist für dein Board verantwortlich, ich bin für dich verantwortlich. Wenn du genau das tust, was ich dir sage, werden wir und alle anderen Leute hier sicher sein und wir werden eine wunderbare Zeit haben." - Pepe (Pedro) Surflehrer in Ericeira Gute Führung hängt stark vom Kontext und der aktuellen Kultur des Unternehmens ab. Der Stil von Pepe unterschied sich von den anderen Surflehrern, die ich zuvor hatte. In diesem Beitrag erzähle ich euch mehr von meinem Surfkurs, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es eine Geschichte über meinen Surflehrer oder über Führung an sich ist.  Let’s grow, Michael