Projekte zur Einführung von Dokumentenmanagement- bzw. ECM-Software /1/ haben zur Zeit wieder Konjunktur. Aber nur wenige Projekte bringen den Anwendern (und damit den Unternehmen oder Verwaltungen) den Nutzen, den diese vorher erwarten. Teamworkblog startet heute eine Serie, in denen wir Projektleitern aus IT und Orga konkrete Ratschläge für gelingende Projekte geben.
Heute: Warum die IT (die meistens die Projekt-Ownership hat) etwas anderes bestellt, als die Anwender später brauchen.
Typische Anforderungskataloge an DMS
Im Internet kann man Nachrichtendienste für DMS-Projekte abonnieren. Immer wenn ein Unternehmen oder eine Behörde eine Ausschreibung zur Beschaffung eines Dokumentenmanagementsystems veröffentlicht, leitet der Nachrichtendienst diese frohe Botschaft an seine Abonnenten weiter (das sind natürlich meistens DMS-Anbieter).
Wir haben einen solchen Nachrichtendienst interessehalber abonniert und die darin enthaltenen Kurzfassungen der Lastenhefte ausgewertet. Dabei kamen wir auf folgende „typische Anforderungen eines durchschnittlichen Lastenhefts“:
„Fluss von Dokumenten durch das Unternehmen“
zu tun haben. Das ist der sogenannte Belegworkflow (auch Rechnungsworkflow genannt), also so etwas wie
An zweiter Stelle kommen Anforderungen, mit denen (wirkliche oder vermeintliche) Compliance-Themen behandelt werden. Also rechtliche Vorschriften, wie eingehende Belege, aber auch andere Dokumente und E-Mails, aufzubewahren sind. Dazu gibt es steuerrechtliche Vorschriften (GDPdU) und Gesetze und Verordnungen im Handelsrecht.
Erst an dritter Stelle (!) kommen Wünsche an das zu beschaffende DMS, die man mit
„Arbeitserleichterungen für den Anwender“
umschreiben könnte. In diesem Teil der Lastenhefte steht immer – und das ist sehr auffällig! - das „Suchen“ im Vordergrund. Der Projektleiter, der die Leistungsanforderungen formuliert, sieht vor seinem geistigen Auge wohl den Anwender, der dauernd Dokumente braucht und nach ihnen sucht. Diese Suche will er ihm erleichtern, und das kommt in Begriffen wie „Volltextsuche“ und „Verschlagwortung“ zum Ausdruck.
Die Rolle der DMS-Hersteller
Die Hersteller von Dokumentenmanagement-Software sind maßgeblich an dieser Struktur von Lastenheften beteiligt. Auf ihren Websites und in ihren Produktflyern propagieren sie genau diese Art von Bedarfsanmeldungen mit den Schwerpunkten:
Aber diese Methode hat ihre Tücken. DMS-Hersteller werben nämlich mit den Aufgaben, die ihre Produkte gut können – und nicht unbedingt mit denen, die die Käufer eigentlich benötigten. So wie ein Autokonzern mit den Motorleistungen seiner SUV’s wirbt, weil er große Motoren bauen kann, aber keine sparsamen. Und der Käufer steht hinterher im Stau und bläst sein Geld durch den Auspuff.
Thesen zum Bedarf der Anwender (und der Unternehmen)
Die folgenden Thesen sind das Ergebnis unserer Projekterfahrungen bei der DMS-Einführung.
Anmerkungen
Heute: Warum die IT (die meistens die Projekt-Ownership hat) etwas anderes bestellt, als die Anwender später brauchen.
Typische Anforderungskataloge an DMS
Im Internet kann man Nachrichtendienste für DMS-Projekte abonnieren. Immer wenn ein Unternehmen oder eine Behörde eine Ausschreibung zur Beschaffung eines Dokumentenmanagementsystems veröffentlicht, leitet der Nachrichtendienst diese frohe Botschaft an seine Abonnenten weiter (das sind natürlich meistens DMS-Anbieter).Wir haben einen solchen Nachrichtendienst interessehalber abonniert und die darin enthaltenen Kurzfassungen der Lastenhefte ausgewertet. Dabei kamen wir auf folgende „typische Anforderungen eines durchschnittlichen Lastenhefts“:
- Eingangsbelege scannen und übernehmen
- Workflow
- Daten aus ERP und/oder FiBu-Programm übernehmen
- Revisionssichere Ablage
- Volltextsuche
- E-Mail-Archivierung
- Personalordner
- Verschlagwortung
- Projektordner
„Fluss von Dokumenten durch das Unternehmen“
zu tun haben. Das ist der sogenannte Belegworkflow (auch Rechnungsworkflow genannt), also so etwas wie
- Lieferantenrechnung geht ein
- sie wird weiter geleitet an die bestellende Abteilung
- diese zeichnet die Rechnung „sachlich und rechnerisch richtig“
- die Rechnung geht weiter an die FiBu
- dort wird sie gebucht und zur Zahlung freigegeben.
An zweiter Stelle kommen Anforderungen, mit denen (wirkliche oder vermeintliche) Compliance-Themen behandelt werden. Also rechtliche Vorschriften, wie eingehende Belege, aber auch andere Dokumente und E-Mails, aufzubewahren sind. Dazu gibt es steuerrechtliche Vorschriften (GDPdU) und Gesetze und Verordnungen im Handelsrecht.
Erst an dritter Stelle (!) kommen Wünsche an das zu beschaffende DMS, die man mit
„Arbeitserleichterungen für den Anwender“
umschreiben könnte. In diesem Teil der Lastenhefte steht immer – und das ist sehr auffällig! - das „Suchen“ im Vordergrund. Der Projektleiter, der die Leistungsanforderungen formuliert, sieht vor seinem geistigen Auge wohl den Anwender, der dauernd Dokumente braucht und nach ihnen sucht. Diese Suche will er ihm erleichtern, und das kommt in Begriffen wie „Volltextsuche“ und „Verschlagwortung“ zum Ausdruck.
Die Rolle der DMS-Hersteller
- Workflows, insbesondere Belegworkflow. Dabei wird regelmäßig auf das große Einsparpotenzial verwiesen, wenn Lieferantenrechnungen nicht mehr auf dem Papierweg durchs Unternehmen zirkulieren.
- Revisionssichere Archivierung. Bei diesem Punkt wird vor allem die Angst vor den Betriebsprüfern des Finanzamts geschürt, die alle möglichen Vorsteuerabzüge nicht mehr anerkennen würden, wenn die Unternehmen nicht revisionssicher ablegen.
- „Komfortables“ Suchen. Hier wird vor allem mit Suchmethoden geworben, die die Desktop-Search von Windows nicht meistert und die vollständigere Ergebnisse liefern sollen als jene.
Aber diese Methode hat ihre Tücken. DMS-Hersteller werben nämlich mit den Aufgaben, die ihre Produkte gut können – und nicht unbedingt mit denen, die die Käufer eigentlich benötigten. So wie ein Autokonzern mit den Motorleistungen seiner SUV’s wirbt, weil er große Motoren bauen kann, aber keine sparsamen. Und der Käufer steht hinterher im Stau und bläst sein Geld durch den Auspuff.
Thesen zum Bedarf der Anwender (und der Unternehmen)
- Der „Belegworkflow“ hat kaum eine Bedeutung für den Nutzen eines DMS. Sein relatives Einsparpotenzial ist zwar groß, sein absolutes aber gering.
Der Belegworkflow kann nicht auf andere Fälle verallgemeinert werden. Workflowstrategien führen in eine Sackgasse. /2/ - Das Grundverständnis der Unternehmen von DMS ist falsch. Dokumentenmanagement „managt“ keine Dokumente. Dokumentenmanagement managt den Umgang von Menschen mit Dokumenten und vermittelt darüber die Kooperation von Menschen mit Menschen. Deshalb ist DMS kein reines IT-Thema, sondern eine Aufgabe der Organisationsentwicklung. /3/
- Nicht die Suche von Dokumenten steht im Vordergrund, sondern die Ablage. Das Speichern eines Dokuments ist ein kommunikativer Akt, nämlich das Senden eines Dokuments an einen (unbekannten) Empfänger in der Zukunft. Wenn ich ein Dokument ablege, so geschieht das in der Regel zu dem Zweck, dass ich morgen oder nächste Woche oder in einem halben Jahr dieses Dokument schnell wieder finde, um daran weiter zu arbeiten. Dann ist mein zukünftiges Ich der Empfänger. Es kann aber auch der Kollege sein, der mit mir an einem Vorgang oder in einem Projekt zusammen arbeitet oder mich vertreten muss, weil ich in einer Sitzung oder im Urlaub oder krank bin. Wenn ich oder der Kollege dann später lange suchen müssen, ist etwas am Sendevorgang schief gelaufen.
Anmerkungen
- /1/ Wir verwenden den Begriff „Dokumentenmanagementsysteme“ (DMS) hier im umfassenderen Sinn; also nicht als reine Archivsysteme, sondern als Arbeitsumgebungen, die tendenziell das Filesystem ersetzen (d.h. der Anwender bewegt sich nicht mehr im Windows-„Baum“ oder analogen Verzeichnisstrukturen auf dem Mac oder unter Novell, sondern in einer – möglichst eben übersichtlicheren – Struktur, die das DMS bereitstellt).
- ECM (Enterprise Content Management) formuliert im wesentlichen den gleichen Anspruch. Wir verwenden hier DMS und ECM als Synonyme.
- /2/ Wir werden stattdessen das Konzept des „Adaptive Case Managements“ vorstellen, zu deutsch etwa „Situatives Vorgangsmanagement“. Dieser Ansatz verzichtet auf starres Workflow-Management, resigniert aber nicht vor der Aufgabe, die Anwender in schwach strukturierten Prozessen wirkungsvoll zu unterstützen.
- /3/ Meist wird die IT-Abteilung eines Unternehmens oder einer Behörde mit der DMS-Einführung beauftragt, weil die Unternehmensführung oder die Verwaltungsspitze kein klares Verständnis von der Bedeutung und der richtigen Zuordnung dieses Themas hat. Die IT versucht dann, dem Auftrag gerecht zu werden, kann aber eigentlich nur verlieren. Es wird ein wichtiger Teil unserer Serie sein, den Projektleitern auch Tipps für das richtige interne "Projektmarketing" zu geben.
Ja, das deckt sich mit meinen Beobachtungen. Noch eine weitere möchte ich hier hinzufügen: in der Auswahlsituation werden oft "KeyUser" benannt, die probehalber eine Testversion des anvisierten DMS aufgespielt bekommen. Dazu gibt es leider oft weder brauchbare Anleitung noch eine Vorgabe zur Prüfung. "Probier das mal aus" ist eher die Ansage. Dieses Ausprobieren soll dann neben den normalen Tagesaufgaben her erledigt werden ...
AntwortenLöschenWieviel Zeit und Hingabe der einzelne KeyUser in diese Sache investieren kann ist abzusehen. So werden leider immer wieder Systeme gekauft, die im Alltag genausoviele Hürden auf- wie abbauen. Ich freue mich über diesen Leifaden. Denn die meisten Menschen kaufen nicht viele DMS im Laufe ihres Berufslebens.
Der Artikel ist sehr ausführlich recherchiert und dargestellt. In den letzten Jahren sind, sowohl die Anforderungen als auch die Komplexität der zu verarbeitenden Daten, deutlich gestiegen.
AntwortenLöschenViele Daten sind gerade in unsere Branche (IT) digitalisiert, aber schwer zu strukturieren und zu vereinheitlichen. Ein gutes DMS - was ausführlich erklärt wird und in der Entwicklung ausgreift ist, kann die Arbeit erheblich erleichtern und zum Gesamterfolg der jeweiligen Unternehmung beitragen.