Wenn zwischenmenschliche Konflikte, die sich im Kern nicht lösen lassen, die Teamproduktivität reduzieren, können wir mit dem SCARF-Modell wieder eine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre schaffen.
Vor einiger Zeit wurde ich angefragt, ob ich in einem Spielfilm eine Hauptrolle übernehmen möchte. Sieben unbezahlte Drehtage in einem sogenannten No-Budget-Projekt. Naja, ich erspare Ihnen die Gründe, warum man bei etwas mitarbeitet, ohne dafür bezahlt zu werden, nur so viel: Bezahlte Drehtage für Schauspieler fallen nicht vom Himmel.
In dem Sektor No- und Low-Budget-Projekte tummelt sich so Einiges. Von Filmstudenten und Berufsanfängern bis zu ambitionierten Laien findet man die unterschiedlichsten Persönlichkeiten mit jedem nur vorstellbaren Professionalisierungsgrad.
So auch bei diesem Projekt. Der Produzent engagierte zwar ein professionelles Team, der Regisseur selbst aber war ein Laie, der ein emotional aufwühlendes Drehbuch verfilmen wollte und leider nicht wusste, wie man mit Schauspielern arbeitet.
Eigentlich ist Filmemachen ja ein wunderschöner Prozess und entspricht häufig dem Idealbild von perfekter Teamarbeit. Ein Team kommt für eine gewisse Zeit zusammen, mit dem klaren Ziel, einen ausgezeichneten Film zu machen. Für jeden gilt: Nur wenn der Film gut wird, werden alle wieder engagiert und es spricht sich in der relativ kleinen Filmszene schnell herum, wenn jemand schlecht arbeitet oder unkooperativ ist. Da ein Zuschauer einen Film in erster Linie an der schauspielerischen Leistung bewertet, sind alle bemüht, die Schauspieler nicht in ihrer Konzentration oder in ihrem Wohlbefinden zu stören. Die Atmosphäre ist also geprägt von einem unbändigen Leistungswillen, bis das perfekte Ergebnis abgefilmt ist. Es herrscht gegenseitiger Respekt und Vertrauen, dass jeder seinen Job gut machen wird.
In unserem No-Budget-Film nahmen wir die Unbeholfenheit unseres „Chefs“ zunächst als charmante Zurückhaltung wahr. Aber nach einem halben Drehtag war jedem klar, dass wir von unserem Regisseur keine hilfreiche Führung erwarten konnten. Im Gegenteil: Unsere Neugier und Freude auf die gemeinsame Arbeit verwandelten sich in ein großes Misstrauen.
Es entstanden schnell kleine Reibereien, Missverständnisse, häufige Vier-Augen-Gespräche, die die Probleme im Kern jedoch nicht lösen konnten. Unser Amateur-Regisseur ruderte eifrig, um seinen Status aufrecht zu erhalten, wir Schauspieler fühlten uns von ihm mit seinen unlogischen Regieanweisungen nicht gut aufgehoben und hatten das Gefühl, dass wir als Darsteller im Film nicht überzeugen konnten.
Wie sollten wir also wieder zu einer produktiven Arbeitsatmosphäre zurückfinden? Bei anderen Dreharbeiten habe ich immer wieder entdeckt, dass die erfahrensten Profis eine Kunst glänzend beherrschen: Sein Gegenüber in Watte zu packen.
Es geht hierbei nicht nur um schlichte Lobhudelei, oder darum, den anderen in seinem Selbstbild zu bestätigen. Es geht darum, dass unser Gehirn schlichtweg weniger gut arbeitet, wenn wir zusätzlich zum großen Zeitdruck im Team zwischenmenschliche Konflikte austragen müssen, die grundsätzlich nicht gelöst werden können und die Teamproduktivität reduzieren. (/1/)
Drei unnötige Reibereien mit unserem Regisseur zu spät erinnerte ich mich an David Rocks SCARF-Modell (/2/). SCARF setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe für Status (status), Sicherheit (certainty), Autonomie (autonomy), Verbundenheit (relatedness) und Fairness (fairness) zusammen. Diese fünf Gebiete sozialer Erfahrungen hält unser Gehirn für überlebenswichtig, fühlen wir uns in einem oder mehreren Gebieten bedroht, nimmt die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ab.
Ausgezeichnete Regisseure scheinen dieses Modell unbewusst anzuwenden. Indem sie uns Schauspielern vor Augen führen, was sie an unserem Spiel gut finden, steigern sie unseren Status. Sie haben eine klare Vorstellung, wie die Szene inszeniert werden muss und kommunizieren diese, bis sie das gewünschte Ergebnis haben. Wir wissen, dass sie unsere beste Leistung einfordern. Damit vermitteln sie uns Sicherheit. Dabei achten Sie aber auch darauf, dass wir uns persönlich einbringen können und wahren unsere Autonomie. Sie wissen jederzeit, wie wir uns fühlen, nehmen Rücksicht auf uns und achten so auf eine Verbundenheit mit uns. Und sie behandeln uns jederzeit fair. (Manche guten Regisseure verhalten sich vielleicht auch gegenteilig, wenn sie emotional aufgeriebene, rebellierende Figuren für die Szene einfangen möchten. Nicht immer angenehm.) Gute Schauspieler verhalten sich umgekehrt genauso: Sie respektieren den Regisseur, sie zeigen die Leistung, der er sehen möchte, sie gewähren ihm die größtmögliche Autonomie, sie achten auf eine große Verbundenheit – er soll uns ja wieder engagieren – und sie sind immer fair.
Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie jemand auf diese Weise behandeln würde?
Wenn Sie die Leistungsfähigkeit Ihres Teams steigern möchten, probieren Sie das SCARF-Modell doch einmal aus. Aber seien Sie auf jeden Fall ehrlich mit sich und achten Sie darauf, was Sie wirklich von Ihrem Gegenüber denken. Ihr Gegenüber hört ja nicht auf das, was Sie sagen, sondern darauf, was Sie meinen.
Anmerkungen:
Vor einiger Zeit wurde ich angefragt, ob ich in einem Spielfilm eine Hauptrolle übernehmen möchte. Sieben unbezahlte Drehtage in einem sogenannten No-Budget-Projekt. Naja, ich erspare Ihnen die Gründe, warum man bei etwas mitarbeitet, ohne dafür bezahlt zu werden, nur so viel: Bezahlte Drehtage für Schauspieler fallen nicht vom Himmel.
In dem Sektor No- und Low-Budget-Projekte tummelt sich so Einiges. Von Filmstudenten und Berufsanfängern bis zu ambitionierten Laien findet man die unterschiedlichsten Persönlichkeiten mit jedem nur vorstellbaren Professionalisierungsgrad.
So auch bei diesem Projekt. Der Produzent engagierte zwar ein professionelles Team, der Regisseur selbst aber war ein Laie, der ein emotional aufwühlendes Drehbuch verfilmen wollte und leider nicht wusste, wie man mit Schauspielern arbeitet.
Eigentlich ist Filmemachen ja ein wunderschöner Prozess und entspricht häufig dem Idealbild von perfekter Teamarbeit. Ein Team kommt für eine gewisse Zeit zusammen, mit dem klaren Ziel, einen ausgezeichneten Film zu machen. Für jeden gilt: Nur wenn der Film gut wird, werden alle wieder engagiert und es spricht sich in der relativ kleinen Filmszene schnell herum, wenn jemand schlecht arbeitet oder unkooperativ ist. Da ein Zuschauer einen Film in erster Linie an der schauspielerischen Leistung bewertet, sind alle bemüht, die Schauspieler nicht in ihrer Konzentration oder in ihrem Wohlbefinden zu stören. Die Atmosphäre ist also geprägt von einem unbändigen Leistungswillen, bis das perfekte Ergebnis abgefilmt ist. Es herrscht gegenseitiger Respekt und Vertrauen, dass jeder seinen Job gut machen wird.
In unserem No-Budget-Film nahmen wir die Unbeholfenheit unseres „Chefs“ zunächst als charmante Zurückhaltung wahr. Aber nach einem halben Drehtag war jedem klar, dass wir von unserem Regisseur keine hilfreiche Führung erwarten konnten. Im Gegenteil: Unsere Neugier und Freude auf die gemeinsame Arbeit verwandelten sich in ein großes Misstrauen.
Es entstanden schnell kleine Reibereien, Missverständnisse, häufige Vier-Augen-Gespräche, die die Probleme im Kern jedoch nicht lösen konnten. Unser Amateur-Regisseur ruderte eifrig, um seinen Status aufrecht zu erhalten, wir Schauspieler fühlten uns von ihm mit seinen unlogischen Regieanweisungen nicht gut aufgehoben und hatten das Gefühl, dass wir als Darsteller im Film nicht überzeugen konnten.
Wie sollten wir also wieder zu einer produktiven Arbeitsatmosphäre zurückfinden? Bei anderen Dreharbeiten habe ich immer wieder entdeckt, dass die erfahrensten Profis eine Kunst glänzend beherrschen: Sein Gegenüber in Watte zu packen.
Es geht hierbei nicht nur um schlichte Lobhudelei, oder darum, den anderen in seinem Selbstbild zu bestätigen. Es geht darum, dass unser Gehirn schlichtweg weniger gut arbeitet, wenn wir zusätzlich zum großen Zeitdruck im Team zwischenmenschliche Konflikte austragen müssen, die grundsätzlich nicht gelöst werden können und die Teamproduktivität reduzieren. (/1/)
Drei unnötige Reibereien mit unserem Regisseur zu spät erinnerte ich mich an David Rocks SCARF-Modell (/2/). SCARF setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe für Status (status), Sicherheit (certainty), Autonomie (autonomy), Verbundenheit (relatedness) und Fairness (fairness) zusammen. Diese fünf Gebiete sozialer Erfahrungen hält unser Gehirn für überlebenswichtig, fühlen wir uns in einem oder mehreren Gebieten bedroht, nimmt die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ab.
Ausgezeichnete Regisseure scheinen dieses Modell unbewusst anzuwenden. Indem sie uns Schauspielern vor Augen führen, was sie an unserem Spiel gut finden, steigern sie unseren Status. Sie haben eine klare Vorstellung, wie die Szene inszeniert werden muss und kommunizieren diese, bis sie das gewünschte Ergebnis haben. Wir wissen, dass sie unsere beste Leistung einfordern. Damit vermitteln sie uns Sicherheit. Dabei achten Sie aber auch darauf, dass wir uns persönlich einbringen können und wahren unsere Autonomie. Sie wissen jederzeit, wie wir uns fühlen, nehmen Rücksicht auf uns und achten so auf eine Verbundenheit mit uns. Und sie behandeln uns jederzeit fair. (Manche guten Regisseure verhalten sich vielleicht auch gegenteilig, wenn sie emotional aufgeriebene, rebellierende Figuren für die Szene einfangen möchten. Nicht immer angenehm.) Gute Schauspieler verhalten sich umgekehrt genauso: Sie respektieren den Regisseur, sie zeigen die Leistung, der er sehen möchte, sie gewähren ihm die größtmögliche Autonomie, sie achten auf eine große Verbundenheit – er soll uns ja wieder engagieren – und sie sind immer fair.
Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie jemand auf diese Weise behandeln würde?
Wenn Sie die Leistungsfähigkeit Ihres Teams steigern möchten, probieren Sie das SCARF-Modell doch einmal aus. Aber seien Sie auf jeden Fall ehrlich mit sich und achten Sie darauf, was Sie wirklich von Ihrem Gegenüber denken. Ihr Gegenüber hört ja nicht auf das, was Sie sagen, sondern darauf, was Sie meinen.
Anmerkungen:
- /1/ Dennoch ist die schnellste Methode, einen Schauspieler in Watte zu packen, ihn zu loben. Es ist wirklich verblüffend. Loben Sie einen Schauspieler und er frisst Ihnen aus der Hand. Es gibt wohl nur wenige Berufszweige, die derart nach Anerkennung gieren.
- /2/ Rock, David ; Siegel, Daniel J. ; Hölsken, Nicole: Brain at Work : Intelligenter arbeiten, mehr erreichen. 1. Aufl.. Frankfurt/Main: Campus Verlag GmbH, 2011. Aus: Szene 12: Der Kampf um Status. Mehr über dieses Buch erfahren Sie auch hier: Peter Fischbach: Eine positive Erwartung erhöht unseren Dopaminspiegel, Teamworkblog, 02.10.2012, abrufbar unter: http://www.teamworkblog.de/2012/10/eine-positive-erwartung-erhoht-unseren.html
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