Einer der Nachteile von Outlook und anderen E-Mail-Programm ist die Listenform, in der die Mails dargestellt werden. Das passt schlecht zu der Art, wie unser Gehirn Informationen interpretiert. Was könnte denn besser sein?
In einem der letzten Blogartikel hatte ich von den Unannehmlichkeiten berichtet, die die unstrukturierte E-Mail-Ablage kürzlich dem Staatsministerium in Baden-Württemberg einbrachte /1/. Aber der Unterschied zwischen einer relativ unstrukturierten Ablage (Beispiel E-Mail-Fächer) und einer strukturierteren (Beispiel Windows-Baum) geht tiefer.
Schaut euch mal diesen schönen Dateibaum an:
Er ist für uns Menschen relativ gut geeignet, weil er uns ein Bild liefert. Dieses Bild ist nicht ganz ohne Übung verständlich (so wie das Interpretieren von Landkarten auch eine Kulturtechnik darstellt). Aber mit einiger Erfahrung sieht man „auf einen Blick“ eine aufsteigende Kette:
Die Dateien im rechten Fenster gehören zum Ordner
2012-05-06_AFM_Teammethoden
Aufgrund unserer Teamregeln wissen wir, dass ein Ordner auf dieser Ebene einen Vorgangsordner darstellt. (So wie es Konvention bei Landkarten ist, dass sich der Norden oben befindet.) Darüber liegt ein Prozessordner „Vorträge entwickeln“, der wiederum zur Prozessgruppe „Lernen und entwickeln“ gehört. Und das Ganze befindet sich in der Teamablage der Firma balanceX, und zwar in der aktiven Partition („balanceX_aktiv“) im Unterschied zum Archiv.
Mit „sieht man auf einen Blick“ ist gemeint: Diese Art von bildlicher Darstellung aktiviert eine Art von Parallelverarbeitung in unserem Gehirn, welches verschiedene Bildausschnitte wirklich gleichzeitig und nebeneinander verarbeitet. Das verleiht uns das Gefühl von Überblick und Vertrauen in die Ordnung.
Im Gegensatz dazu werden E-Mails in Listenform dargestellt. /2/ Jedes Dokument erhält (automatisch oder durch den Anwender) eine Reihe von Marken („tags“) zugewiesen – so wie das Datum, den Absender oder Empfänger und evtl. weitere Merkmale - , und die Listen können nach diesen Merkmalen sortiert und gruppiert werden:
Für Menschen ist diese Listenform viel schwieriger zu interpretieren: nur die linke Gehirnhälfte wird beteiligt, und statt Parallel- findet serielle Verarbeitung statt. Es gibt keine Ordnerstruktur /3/.
Dateiordner bilden Kontexte ab. Die Dateien in dem Ordner
2012-05-06_AFM_Teammethoden
gehören zusammen. Sie können unterschiedliche Verfasser haben, in ganz unterschiedlichen Monaten entstanden sein, die „Betreffs“ (Dateinamen) sind vielleicht sogar ein bisschen wirr – alles egal: Ich weiß - oder besser - ich sehe: Diese Dateien gehören zusammen. Und nicht nur sehe ich es, sondern es stellt auch eine Botschaft dar. Die Vorstellungen von Kontextualisierung sind nämlich individuell sehr unterschiedlich /4/, und durch die Zusammenfassung in einem Ordner teile ich meine Sicht den anderen Kollegen mit: „Das ist für mich ein Kontext.“
Diese Ordnung klappt aber immer weniger, seit E-Mails die vorherrschende Dokumentenform geworden sind. Die Mails bleiben meist während ihres gesamten Lebenszyklus’ in individuellen Ein- oder Ausgangskörben und werden nie in die Baumstruktur im Filesystem gezogen.
Eine Folge: Es ist schon lange nicht mehr möglich, sich auf einen Blick eine Übersicht über einen Kontext zu verschaffen. Sondern neben dem elektronischen Ordner muss man noch seine diversen E-Mail-Fächer durchforsten.
Eine noch wichtigere Folge: Das Gefühl für Kontext geht uns verloren. Gerade jüngere Kollegen haben Probleme, in Kontexten zu denken. Sie denken immer vom einzelnen Dokument her und nur mit Anstrengung in Zusammenhängen.
Was können wir tun, um die größten Nachteile der gegenwärtigen Aufbewahrungspraxis abzufedern?
Anmerkungen:
Lob der Bäume
In einem der letzten Blogartikel hatte ich von den Unannehmlichkeiten berichtet, die die unstrukturierte E-Mail-Ablage kürzlich dem Staatsministerium in Baden-Württemberg einbrachte /1/. Aber der Unterschied zwischen einer relativ unstrukturierten Ablage (Beispiel E-Mail-Fächer) und einer strukturierteren (Beispiel Windows-Baum) geht tiefer.
Schaut euch mal diesen schönen Dateibaum an:
Abb. 1: Beispiel-Dateibaum |
Die Dateien im rechten Fenster gehören zum Ordner
2012-05-06_AFM_Teammethoden
Aufgrund unserer Teamregeln wissen wir, dass ein Ordner auf dieser Ebene einen Vorgangsordner darstellt. (So wie es Konvention bei Landkarten ist, dass sich der Norden oben befindet.) Darüber liegt ein Prozessordner „Vorträge entwickeln“, der wiederum zur Prozessgruppe „Lernen und entwickeln“ gehört. Und das Ganze befindet sich in der Teamablage der Firma balanceX, und zwar in der aktiven Partition („balanceX_aktiv“) im Unterschied zum Archiv.
Mit „sieht man auf einen Blick“ ist gemeint: Diese Art von bildlicher Darstellung aktiviert eine Art von Parallelverarbeitung in unserem Gehirn, welches verschiedene Bildausschnitte wirklich gleichzeitig und nebeneinander verarbeitet. Das verleiht uns das Gefühl von Überblick und Vertrauen in die Ordnung.
Schmählied der Listen
Im Gegensatz dazu werden E-Mails in Listenform dargestellt. /2/ Jedes Dokument erhält (automatisch oder durch den Anwender) eine Reihe von Marken („tags“) zugewiesen – so wie das Datum, den Absender oder Empfänger und evtl. weitere Merkmale - , und die Listen können nach diesen Merkmalen sortiert und gruppiert werden:
Abb. 2: Beispielliste |
Kontextverlust durch E-Mails
Dateiordner bilden Kontexte ab. Die Dateien in dem Ordner
2012-05-06_AFM_Teammethoden
gehören zusammen. Sie können unterschiedliche Verfasser haben, in ganz unterschiedlichen Monaten entstanden sein, die „Betreffs“ (Dateinamen) sind vielleicht sogar ein bisschen wirr – alles egal: Ich weiß - oder besser - ich sehe: Diese Dateien gehören zusammen. Und nicht nur sehe ich es, sondern es stellt auch eine Botschaft dar. Die Vorstellungen von Kontextualisierung sind nämlich individuell sehr unterschiedlich /4/, und durch die Zusammenfassung in einem Ordner teile ich meine Sicht den anderen Kollegen mit: „Das ist für mich ein Kontext.“
Diese Ordnung klappt aber immer weniger, seit E-Mails die vorherrschende Dokumentenform geworden sind. Die Mails bleiben meist während ihres gesamten Lebenszyklus’ in individuellen Ein- oder Ausgangskörben und werden nie in die Baumstruktur im Filesystem gezogen.
Eine Folge: Es ist schon lange nicht mehr möglich, sich auf einen Blick eine Übersicht über einen Kontext zu verschaffen. Sondern neben dem elektronischen Ordner muss man noch seine diversen E-Mail-Fächer durchforsten.
Eine noch wichtigere Folge: Das Gefühl für Kontext geht uns verloren. Gerade jüngere Kollegen haben Probleme, in Kontexten zu denken. Sie denken immer vom einzelnen Dokument her und nur mit Anstrengung in Zusammenhängen.
Tipps für die Teams
Was können wir tun, um die größten Nachteile der gegenwärtigen Aufbewahrungspraxis abzufedern?
- Es führt kein Weg daran vorbei – um zu einer teamfähigen Ablage zu kommen, müssen relevante E-Mails in Kontextordnern zu den anderen elektronischen Dokumenten gespeichert werden. Das ist das Thema „Team-Regeln“. /5/
- Rechnet! Wir denken immer, dass das „Speichern unter“ von E-Mails wahnsinnig aufwendig sei und lassen es darum bleiben. Aber das Suchen in den diversen E-Mail-Fächern ist in 70-80% der Fälle deutlich aufwendiger.
- Das „Speichern unter“ von E-Mails ist wahnsinnig aufwendig /6/. Regeln, die nur auf Disziplin aller Teammitglieder bauen, werden deshalb immer schwierig einzuführen sein. Sie sollten unbedingt durch eine Software (Outlook-Add-on oder ähnliches) unterstützt werden, die den Aufwand für das „Speichern unter“ um mindestens 80% verringern.
Anmerkungen:
- /1/ Wolf Steinbrecher: Die 4-Milliarden-Euro-E-Mail, Teamworkblog, 11. Juni 2012, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2012/06/die-4-milliarden-euro-e-mail.html
- /2/ Auch viele Dokumentenmanagement-Programme stellen die Dokumente vorwiegend in Listenform dar.
- /3/ Die einzelnen Fächer wie „Eingang“, „Gelöschte Objekte“ usw. entsprechen bestenfalls der obersten Ordnerebene einer Teamablage, nämlich der Unterscheidung zwischen „aktiv“ und „Archiv“.
- /4/ Siehe den Blogartikel „Warum Teams keine funktionsfähige Ablage mögen“.
- /5/ Die Definition der „relevanten E-Mails“ kann man ruhig etwas enger fassen, damit man unnütze Arbeit spart. Kurze Infos über den aktuellen Projektstand gehören meistens nicht dazu, aber eine Erklärung des Kunden zur Vertragsinterpretation mit Sicherheit.
- /6/ Seitdem Dante Alighieri Anfang des 14. Jahrhunderts seine Göttliche Komödie verfasste, sind neue büßenswerte Sünden hinzugekommen und damit neue Vorhöllen. In der Vorhölle Version 7.0 sind diejenigen Seelen untergebracht, die zu Lebzeiten unsinnige und menschenfeindliche Software programmiert haben. Ihr Purgatorium besteht darin, 1000 Jahre lang E-Mails zu speichern.
Lieber Wolf,
AntwortenLöschenich habe gute Erfahrungen mit MessageSave von TechHit gemacht: http://www.techhit.com/messagesave/
Diese Software vergibt automatisch einen Dateinamen und speichert eine E-Mail in verschiedenen Formaten (.txt, .msg, .eml, .mht). Ich speichere die Dateien meist als Text-Datei im Kontext-Ordner ab. Ein Klick genügt und schon liegt die E-Mail in meiner Inbox im File-System. Von dort verschiebe ich sie in den Kontext-Ordner.
Wenn ich die Formatierung, Tabellen oder Bilder behalten will, drucke ich die E-Mail mit Strg+P als PDF-Datei aus.
Es gibt noch ein paar andere Produkte (z. B. http://www.encryptomatic.com/messageexport/). Die kosten aber auch etwas mehr Geld.
Kannst Du nochmal etwas dazu sagen, wie man damit umgeht, wenn man am Tag sehr viele E-Mails bekommt (darunter sehr viele interne E-Mails)? Mit "sehr viel" meine ich mehr als 100 Stk./Tag.
LG, Jan
Lieber Jan,
AntwortenLöschenzu deiner Frage des Umgangs mit vielen E-Mails: da lautet die spontane Antwort "ungelesen löschen".
Aber im Ernst: Bei so vielen E-Mails aus der eigenen Organisation gibt es kein Rezept für E-Mails. Höchstens ein Rezept "wie heile ich meine Organisation".
Rechne doch einmal selbst. Angenommen, die 100 Mails wären relevant. Relevante E-Mails wandern bei mir in 2 Arbeitskörbe: ToDo's und Infos, je nachdem, ob sie einen Arbeitsauftrag für mich enthalten oder nicht. Nehmen wir an, das Verhältnis deiner E-Mails sei 30:70. Für eine ToDo-Mail, also einen Arbeitsauftrag, soll ich nur 5 Minuten brauchen. Zur Kenntnisnahme einer relevanten Information (ich bin Schnellleser) 2 Minuten. Macht 150 + 140 = 290 Minuten am Tag oder 5 Stunden oder 60% meiner Arbeitszeit nur für die Mails. (Wenn aber meine knappen Minutenschätzungen nicht stimmen, dann sind die Mails überflüssig.)
Also stimmt etwas nicht im "Betriebssystem" der Organisation: Die Prozesse sind schlecht abgestimmt, so dass dauernd die Zuständigkeiten per E-Mail geklärt werden müssen ("Kannst du mal bitte ganz schnell für mich kurz einmal ...??"). Oder es gibt kein gemeinsames Dokumenten-Repository ("Schick mir doch mal schnell den Vertrag mit Kunde X zu Projekt Y") oder so was. Und all das ist sicher - sonst würde das kein vernünftiger Mensch mitmachen - unterfüttert durch eine "Kultur" emsiger Geschäftigkeit, die Relevanz und Produktivität vortäuschen soll.
Ist dein Beispiel real oder habe ich mir jetzt für Fantasiegebilde einen "Wolf" geschrieben?
LG, Wolf