Direkt zum Hauptbereich

Standards definieren ist gar nicht so schwer

Ich glaube speziell für uns Deutsche ist es sehr schwer, Standards zu definieren. Wir wollen es gleich perfekt machen und suchen nach Beschreibungen, die alle Variationen berücksichtigen. Das war aber gar nicht die ursprüngliche Idee im Lean Management. Die war viel einfacher.
Immer wieder sitze ich in Workshop, in denen wir über Qualitäts- oder Performanceprobleme reden. Häufig findet das Team heraus, dass bei vielen Aufgaben gar nicht geklärt ist, was eigentlich genau erwartet wird. Jeder denkt, wir meinen das Gleiche und am Ende stellt sich heraus, dass wir alle eine unterschiedliche Vorstellung hatten. Jeff Patton hat in seinem Buch über Story Mapping eine schöne Grafik dazu /1/. Sie zeigt drei Personen. Jede hat eine andere geometrische Form im Kopf. Unter dem Bild steht: "Wie schön, dass wir alle einer Meinung sind."

Ein Beispiel: Der Gast im Restaurant beschwert sich, dass das Essen kalt ist.
  • Koch: Blöd, dass das passiert ist. Ich habe das Essen sofort fertig gemacht und in die Durchreiche gestellt.
  • Kellner: Ja, stimmt. Aber Du hättest mir sagen müssen, dass das Essen in der Durchreiche steht. Dann hätte ich es geholt und serviert.
  • Koch: Ja, klar. Wenn ich gewusst hätte, dass ich Dir das sagen muss, hätte ich es Dir ja auch gesagt.
Wie kommen wir aus diesem Spiel raus? Beim Lean Management gibt es den Ansatz, die Prozess-Standards zu klären. Dabei geht es gar nicht darum, den bestmöglichen Ablauf idealtypisch zu beschreiben. Stattdesssen schreibt das Team gemeinsam auf, wie es meint, dass der Prozess im Moment abläuft. Das ist die Basis für weitere Verbesserungen. Standardisieren bedeutet hier, den Status Quo festzuhalten und sicherzustellen, dass alle sich an den vereinbarten Ablauf zu halten.

Sie kennen sicher schon den PDCA-Zyklus von Deming (Plan-Do-Check-Act) /2/. Daneben gibt es den SDCA-Zyklus. Standardize-Do-Check-Act. Der kommt bei der Prozessverbesserung immer vor dem PDCA.

Bevor man mit der kontinuierlichen Verbesserung anfangen, braucht man erst eine Baseline, von der aus man Verbesserungen anstößt. Für gute Teams bedeutet standardisieren also nicht, den besten Ablauf zu finden. Sondern gute Teams fassen zunächst zusammen, was eigentlich der momentane Ablauf ist. Im Rahmen der Verbesserung ändern die Teams etwas am Ablauf und passen auch die Prozessbeschreibung an. Wenn die Veränderung erfolgreich war, ist der neue Ablauf der neue Standard. So einfach ist das mit der Standardisierung.

Anmerkungen

  • /1/ Patton, Jeff ; Economy, Peter: User Story Mapping : Discover the Whole Story, Build the Right Product. Sebastopol: "O'Reilly Media, Inc.", 2014. 
  • /2/ Wenn Sie ihn wirklich verstehen, würden Sie mich sofort korrigieren und sagen: "Jan, Deming meinte aber Plan-Do-STUDY-Act." Deswegen ist es eigentlich ein PDSA-Zyklus.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Teamleitungen gesucht

Was macht Teams erfolgreich? Kann man das lernen? Ab Herbst starten unsere Kurse für aktuelle und künftige Teamleitungen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, den Kurs zu testen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Microsoft Copilot - Notebook, Pages, Agents und mehr

Es tut sich sehr viel an der Copilot Front. Gefühlt entwickelt Microsoft mit aller Kraft die KI-Anwendung weiter. Mit dem letzten Update hat sich die Microsoft-Startseite stark verändert. Hier zeige ich, was sich hinter all den Begrifflichkeiten verbirgt und was davon alltagstauglich ist.

Nachschau zum Lean Coffee-Spezial "Agil einfach machen" (Interaktive Buchvorstellung)

Bei unserem Lean Coffee-Spezial Ende Mai waren wir von Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt Zeugen einer Buchvorstellung, doch nicht nur das – natürlich gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil an eigener Aktion, denn bei unseren Spezialterminen ist traditionell „Teilgabe“ angesagt. Das Autorenduo Christian Baron und Janick Oswald zeigte uns, was es mit „Agil einfach machen“ auf sich hat.  

Wenn es mal gerade etwas schwierig bei Kund:innen wird… Zwei Fragen, die uns helfen, unsere Strategie mit unseren Kund:innen abzusprechen.

Seit 2024 organisieren Bob Galen und ich eine Masterclass für agile Coaches. Wir möchten die Ausbildung von agilen Coaches verbessern und ihnen Techniken mitgeben, mit denen sie bei ihren Kund:innen etwas einfacher haben. Bisher haben wir in vier Durchgängen mit jeweils 14 Modulen ungefähr 70 Extraordinarily Badass Agile Coaches ausgebildet (/1/). In diesem Blogpost möchte ich ein paar Erfahrungen und simple Techniken aus der Masterclass teilen, wie wir unsere Strategie besser abstimmen können. Sie beschränken sich nicht auf agiles Coaching – das ist nur das Setting.

Schätzungen sind schätzungsweise überschätzte Schätze

"Wer viel misst, misst viel Mist." Zumindest ist diese Gefahr gegeben. Entweder misst man z. B. Mist, weil man zu früh zu KPIs zur Messung von Ergebnissen greift, oder aber man greift zu den falschen KPIs, die gar nicht das messen, was man wissen möchte. Einst war agiles Arbeiten der alternative Ansatz, aber inzwischen gibt es auch für einige Details dessen, was in Konzernen als "agil" praktiziert wird, einleuchtende alternative Ideen, die bis heute noch nicht so richtig auf die große Bühne vorgedrungen zu sein scheinen. 

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.