Direkt zum Hauptbereich

Säbelzahntiger und Konflikte - große Gefahren für Teams

Missstände und schwelende Konflikte anzusprechen fällt uns häufig schwer. Warum? Wir sind doch gestandene Manager, die gerne und mit Elan Entscheidungen treffen und sie wirkungsvoll durchsetzen. Wieso tun wir uns so schwer damit, Konflikte anzusprechen? Ist das normal? Soll das so sein? Ich meine: Jein! Schließlich sind wir Fluchttiere. Mit ein wenig Intelligenz.

Zeichnung vom Autor

Nach längerer Krankheit kehrte ein Freund von mir an seinen Arbeitsplatz zurück. Sein Vorgesetzter begrüßte ihn mit einem knappen guten Morgen. Keine Frage nach dem Befinden, kein Briefing, was nun anstehe. Erst drei Tage später sprach er wieder mit ihm. In einer kleineren Projektangelegenheit. Die Enttäuschung meines Bekannten war groß. Doch auch er suchte kein Gespräch mit seinem Chef. Vermutlich haben wir alle schon einmal solche oder ähnliche Situationen erlebt. Wider besseren Wissens schleichen wir um unangenehme Themen herum. Schlimmer noch: Oft warten wir sehenden Auges auf den großen Zusammenprall. Was steckt hinter diesem rätselhaften Verhalten?

Urgroßvater lässt grüßen!


Die Höhlenvergangenheit unserer Ahnen liegt lange zurück. Doch trotz der etlichen Jahre, die wir seither in unsere Evolution investiert haben, ist unser Verhalten noch immer stark von den archaischen Handlungsmustern jener Zeit geprägt. Um uns gegen Lebensgefahren zu wappnen, dem sprichwörtlichen Säbelzahntiger, war unsere Erfolgsstrategie:
  1. Stillhalten: Solange er mich nicht sieht, geschieht mir nichts.
  2. Flucht: Oha, er hat mich gesehen. Besser nix wie weg!  
  3. Angriff: Jetzt hat er mich gleich: Jetzt heißt’s kämpfen, er oder ich!



Mit wilden Tieren haben wir es heute selten zu tun. Heute sind es unsere domestizierten Artgenossen, die um uns herumschleichen und auf die es zu reagieren gilt. Gerade, wenn wir dabei spontan sind, verhalten wir uns oft noch wie damals. Und der Erfolg gibt uns Recht: Manch eine E-Mail erledigt sich, wenn wir sie lange genug ignorieren. Eine Sitzung früh zu verlassen, bewahrt uns manchmal vor ungeliebten Aufgaben. Und wenn alles nichts hilft, argumentieren wir uns mehr oder minder angriffslustig aus so mancher Situation. Bei Sachfragen ist das oft pragmatisch schlau.


Der Säbelzahntiger der Neuzeit


Sehr viele Teamangelegenheiten sind aber zwischenmenschliche Angelegenheiten. Sie sind die wahren Säbelzahntiger der Neuzeit, und sie erweisen sich als äußerst langlebig und widerstandsfähig. Der Grund: Es handelt sich hierbei um Fragen nach Interessensausgleich und Bedürfnisbefriedigung. Mit Bedürfnissen ist's so eine Sache: Wir entwickeln aufgrund unserer individuellen Lebenserfahrungen unsere ganz eigenen, und wir achten darauf, dass sie möglichst maximal erfüllt sind! Deshalb gehören zum Zusammenleben und zur Zusammenarbeit kleinere und größere Auseinandersetzungen, die jeden Tag aufs Neue und solange geführt werden (müssen), bis die Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden. Hier zeigen sich viele Spielarten: offen oder unterschwellig, aktiv oder passiv, bewusst oder unbewusst, in Freundschaft oder in herzlicher Feindschaft (/1/).

Unser archaisches Handlungsmuster entpuppt sich in diesen sozialen Streitfragen als Problem und als ernstzunehmende Gefahr für Teams und deren Leistungsfähigkeit. Denn ob Stillhalten oder Weglaufen: beides löst den Konflikt nicht. Angreifen? Ist der Versuch den Menschen niederzuringen oder in die Flucht zu schlagen, nicht aber das eigentliche Problem! Der sichere Effekt dieser Variante ist, dass der oder die „Beteiligten“ in jedem Fall geschwächt sind - wenn nicht einer sogar ganz weggefegt wird.

Einer der größten Nachteile, die das Vorgehen nach Urahnen-Art hat, ist, dass immer auch das Team in Mitleidenschaft gezogen wird. Denn zeitweise gerät der eigentliche Arbeitsauftrag aus dem Blick, Energie wird für den Konflikt aufgebracht und nicht für Teambelange verwendet. Dies gilt sowohl für die Streitpartner als auch für große Teile des nur indirekt beteiligten Teams: Eine spannende Rauferei sieht man sich gerne an. "Mal sehen, ob mein Favorit gewinnt." Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt, indem die Streitparteien dazu neigen, Allianzen zu schmieden und Unterstützer hinter sich zu versammeln. Ist es erst einmal so weit, dann ist die Kooperationsbereitschaft der Gruppe in allerhöchster Gefahr und damit der Erfolg des gesamten Teams.


Schwelende Konflikte - Der Grippevirus für Teams


Auseinandersetzungen, auch zwischen Einzelpersonen, bergen also stets eine große Ansteckungsgefahr für Gruppen: Das Karussell beginnt sich mit verhärteten Fronten zweier Teammitglieder oder Parteien zu drehen, nimmt mit Koalitionsbildungen immer schneller Fahrt auf, bis es in der letzten Stufe heißt: "Gemeinsam in den Abgrund!" Wird ein Konflikt ignoriert, kommt in jedem Fall diese Eskalation in Gang. Je weiter sie fortschreitet, desto schwerer fällt es den Konfliktpartnern, aktiv und aus eigenem Antrieb positiven Einfluss auf das Geschehen zu nehmen und das Karussell anzuhalten (/2/).

Was also tun? Akzeptieren Sie die Tatsache, dass widerstrebende Interessen und die Auseinandersetzungen zum Alltag gehören! Nehmen Sie auch als nur indirekt betroffenes Teammitglied - und als Führungskraft sowieso - persönliche Streitpunkte und Einwände ernst, sprechen sie sie frühzeitig an und moderieren Sie so neutral wie möglich! Es gibt hierfür eine Reihe hilfreicher und praktikable Methoden, die man lernen kann (/3/). Für den Anfang reicht aber sicher Ihr gesunder Menschenverstand und Ihre sprachlichen Bordmittel: „Schön, Sie zu sehen! Wie geht’s Ihnen? Können wir nachher sprechen, wie es jetzt weitergeht?“ (/4/).


Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de



Anmerkungen


/1/  Natürlich sind wir kompromissbereit. Wird ein wichtiges Bedürfnis allerdings dauerhaft nicht erfüllt, so ist das die Basis für einen größeren Konflikt, der früher oder später in irgendeiner Form ausbricht. Ein solcher Konflikt kann sich nach Außen auf die eigene Umgebung richten oder auch nach Innen gegen sich selbst.
/2/ Eskalationsmodell nach Friedrich Glasl (Siehe Literaturverzeichnis): Ab einem übrigens schon sehr frühen Stadium ist es den Streitparteien nicht mehr möglich, einen Konflikt aus eigener Kraft heraus zu lösen.
/3/ Neben der Gewaltfreien Kommunikation und dem Harvard-Konzept bietet auch die Themenzentrierte Interaktion gute, praktikable Ansätze, siehe Literaturhinweise. Zur Gewaltfreien Kommunikation siehe Jan Fischbachs Eintrag hier im Blog.
/4/ Zur weiteren Lektüre könnten Sie diese Blogeinträge auch interessieren: "Vom 'Warum?' zum 'Dahin!' Werden Sie Problemlöser!" und "Verantwortung übernehmen! Schuld- & Opferdenken"


Literatur & Links

Hier klicken für alle Artikel von Edgar Rodehack


Kommentare

  1. Lieber Edgar,

    beim Lesen Deines Beitrags habe ich an das Buch "Mammutjäger in der Metro" gedacht. Es zeigt, wie unsere steinzeitliche Firmware unser Verhalten noch heute steuert.

    LG, Jan

    Allman, William F.: Mammutjäger in der Metro : Wie das Erbe der Evolution unser Denken und Verhalten prägt. 1. Aufl. 1996. Nachdruck 2009. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, 2009.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Nie wieder Ärger mit Besprechungsserien in Outlook

Erstellen auch Sie Besprechungsserien in Outlook? Ärgern auch Sie sich manchmal darüber, wenn Sie etwas zu ändern haben? Falls nicht, versenden Sie entweder keine wiederkehrenden Outlook-Besprechungen (Serienterminen). Oder Sie ändern nie etwas daran. Dann ist dieser Artikel nichts für Sie. Lesen Sie aber bitte weiter, falls Sie sich schon immer mal gefragt haben, ob es eine Lösung gibt? 

"Denn sie wissen nicht was sie tun ...! Freigeben und teilen in OneDrive und SharePoint und per E-Mail

Neuerdings können Sie bei Ihren E-Mails entscheiden, ob Sie den Anhang als Datei (Kopie) anhängen wollen oder einen Link senden. Doch was kann dieser Link? Wie sicher ist er? Wer kann was damit tun? Lesen Sie hier was sinnvoll ist und was weniger.