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Stop Starting, Start Finishing: Eine 10 Minuten Übung für Dich, Dein Team und Deinen Chef!

Multitasking ist Gift für Produktivität, Qualität, Fokus, Motivation und Zusammenarbeit. Es ist kosten- und stressintensiv, verursacht Frustration, Nacharbeit und schlechten Service. Das wurde immer wieder bewiesen - in Studien, Büchern, Blogs und Artikeln.

Und doch finden all diese Studien, Diskussionen und Debatten auf einer intellektuellen Ebene statt. Wir lesen Zahlen, nehmen Ergebnisse zur Kenntnis - und ändern nichts in unserem ganz persönlichen Multitasking Alltag.

Hier ist eine Übung, die vielen meiner Teams geholfen hat, konkrete umsetzbare Ideen zu finden und damit wieder zu mehr Fokus, Konzentration und Fluss zu kommen. Sie ist kurz, braucht kaum Vorbereitung und ist explizit für Teams, die remote oder hybrid zusammen arbeiten entwickelt worden.

Dadurch, das die Übung die Multitasking-Hölle aktiv körperlich erlebbar macht, wird oft ein nachhaltigerer Transfer in den Alltag möglich, als das das intellektuelle Erfassen von Studien erlaubt.

Das ist auch der Grund, warum ich die Übung gern in meinen Professional Scrum Master Trainings nutze.


Ziel

Die Teilnehmer sollen die Auswirkungen des Multitaskings erfahren und erleben, was möglich wird, wenn man in einen fokussierten Singletasking Modus wechselt. Die Teilnehmer werden eingeladen, konkrete Gegenmaßnahmen zu entwickeln, um mit ihrem Multitasking-Umfeld umzugehen und es zu ändern.


Zielgruppe

Jeder, der mit den Nebenwirkungen des Multitaskings zu kämpfen hat. Also du, da du ja diesen Blogpost liest 😉, vielleicht dein Team, das Schwierigkeiten hat, Meilensteine, Motivation und Qualitätsstandards einzuhalten, und vielleicht dein Chef, der (noch) nicht weiß, was diese "kleine zusätzliche Aufgabe" wirklich bedeutet. 😎


Anzahl der Teilnehmer

1 - unbegrenzt


Dauer

10 Minuten + Reflexionszeit (je nachdem, wie detailliert du in die Impulse aus der Übung einsteigen willst)


Benötigtes Material

Stift und Papier

Stoppuhr / Handy

Projektbeschreibungen (👉🏻 Slidedeck hier herunterladen, pptx, pdf)

Ergebnisblatt (👉🏻 Vorlage herunterladen)


Anleitung zur Durchführung der Übung

Einführung in die Übung und das Ziel

Erkläre das Ziel der Übung und bitte die Teilnehmer dann, sich einen Stift und ein Blatt Papier zu nehmen und ihre Stoppuhr bereitzuhalten. 


Erkläre die Projekte für Runde 1

Erkläre die Projekte und die Arbeitsweise für Runde eins: Kein Projekt kann warten! Alle drei Projekte  müssen gleichzeitig erledigt: Wir können den Kunden nicht warten lassen! 

Die Projektaufgaben der ersten Runde



Erkläre dann die Projekte im Einzelnen. In der ersten Runde bedeutet das, dass wir zunächst einen Buchstaben vom ersten Projekt schreiben, dann sofort zum zweiten Projekt wechseln, hier die erste Zahl der Reihe notieren, dann zum nächsten Projekt wechseln und auch hier die erste Zahl notieren, um dann zurück zum Projekt Nr. 1 zu gehen und mit dem zweiten Buchstaben fortzufahren; Dann wechseln wir zum Projekt Nr. 2, berechnen die zweite Zahl, springen zu Projekt Nr. 3, und so weiter. Und so weiter. Bis alle drei Projekte unmittelbar fertig werden. 

Jeder stoppt für sich die Dauer, wie lange er für alle Projekte insgesamt braucht. Zeige, wo die Zeit erfasst werden soll (👉🏻 Ergebnisblatt). Weise darauf hin, dass die Zeit in Sekunden erfasst werden soll (hier sollen ganze Zahlen verwendet werden!).


Startet alle zusammen

Beobachte, wie die Teilnehmer ins Schwitzen geraten, oder mache bei der Übung selbst mit. 😎

Warte, bis alle Ergebnisse im Sheet erfasst wurden, dann erkläre die nächste Runde


Runde 2

Erkläre jetzt die zweite Runde, die neuen Projekte und vor allem die Änderung im Arbeitsmodell:
Die Projektaufgaben der zweiten Runde

Jetzt begrenzen wir die gleichzeitige Arbeit auf ein Projekt. Wir setzen unser WIP Limit auf 1! Das bedeutet: Wir konzentrieren uns jetzt vollständig auf das wichtigste Projekt Nr. A (Also schreiben: "Einzelaufgaben..") zuerst. Nach Abschluss dieses Projekts gehen wir zum Projekt Nr. B ("Zähle von .. bis .. "). Wenn dieses Projekt abgeschlossen ist, gehen wir zum Projekt Nr. C ("Zähle von .. bis .. ").

Erkläre, wo die resultierende Zeit erfasst werden soll (👉🏻 Ergebnisblatt). Wenn Du das Template verwendest, kannst Du Spalten C und D einblenden und hier die Ergebnisse der zweiten Runde erfassen lassen. Das Template berechnet dann automatisch die Unterschiede der beiden Runden und stellt sie dar.

Beispielergebnisse



Debrief

Die zweite Runde ist normalerweise viel schneller (bis zu 300%). Die Teilnehmer berichten auch, dass die zweite Runde weniger verwirrend, fehleranfällig und frustrierend ist.

Ich verwende häufig folgende Fragen, um eine Diskussion und Momentum für das Identifizieren von Follow Up Aktivitäten entstehen zu lassen:
  • Wenn man Runde 1 mit Runde 2 vergleicht, was ist anders? 
  • Was noch? 😎
  • Wie fühlt man sich in Runde 1? ... und in Runde 2? 
    👉🏻 Runde 1: Frustration, Sebstzweifel, Ärger, Bocklosigkeit
    👉🏻 Runde 2: Flow und Fokus entsteht
  • Wie war die Qualität der Ergebnisse? Welche Runde lieferte qualitativ bessere Ergebnisse?
    👉🏻 Oft machen die Teilnehmer Fehler in der ersten Runde, oder verlieren den Überblick
  • Wann wurde das wichtigste Projekt in Runde #1 beendet? .. in Runde #2?
    👉🏻 Wenn man sich auf das wichtigste Projekt konzentrieren kann, wird es viel schneller  fertig als in Runde #1, in der alle Projekte kurz nacheinander enden

Follow-Up / Was tun, nun? (optional)

Nachdem die negativen Effekte des Multitaskings erlebt wurden kann nun im Team überlegt werden, was verändert werden soll.
Ich arbeite hier gern mit folgender Einladung:
Nachdem wir die Nebenwirkungen des Multitaskings erlebt haben: Was hält uns im Multitasking-Modus? Wo könnten wir am meisten profitieren, wenn wir unsere Work-in-Progress-Limits einschränken?
Welches Experiment können wir durchführen, das uns voranbringt?

Abhängig von der verfügbaren Zeit arbeite ich hier mit einem simplen 1-2-4-All, 25/10 Crowdsourcing oder einem Conversation Cafe in Kombination mit einem Shift & Share an den Impulsen aus der Gruppe. 


Fallstricke / Trainer-Tipps

Stelle sicher, dass der Arbeitsmodus für die erste Runde gut verstanden wird. Ich gebe oft die ersten Sets explizit vor ("M, 33, 13, U, 30, 16, ..").

Stelle sicher, dass den Teilnehmern Zugang zu Google Sheets zur Verfügung steht. Andernfalls biete an, ihre Ergebnisse im Chatfenster eurer Videokonferenzanwendung zu notieren und die Zahlen dann für sie in die Tabelle zu übertragen.

Stelle sicher, dass sie ganzzahlige Zahlen in das Ergebnisblatt eingeben. Also "1:05" wird zu "65"; "66,7" wird zu "67", "133,3" wird zu "133" (ansonsten funktionieren die automatischen Formeln in der Tabelle nicht).


Goodies

Nicht immer wird bemerkt, dass das jeweils dritte Projekt in jeder Runde so nicht lieferbar ist! (Du kannst nicht von 13 auf 42 in Schritten von 3 zählen; auch nicht von 36 auf 2 in Schritten von 3). Dies wird in Runde #1 selten bemerkt. Wenn diese Fehlkonfiguration (= falsche Anforderung) identifiziert wird, geschieht dies fast immer in Runde #2. Wenn es in der Reflektion bemerkt wird, liefert die entstehende Diskussion einen weiteren Argumentationspunkt zu den Qualitätsproblemen beim Multitasking.


Variationen

Die Übung wurde entwickelt, um in Online-Umgebungen verwendet zu werden, kann jedoch auch in Präsenz-Workshops durchgeführt werden! Hier bietet sich dann auch das Naming Game von Henrik Kniberg an, das Inspiration für diese Übung gewesen ist.


Wer diese Anleitung nützlich missversteht und neue Ideen und Wege erfindet, die Simultation zu nutzen, ist herr(z)lich eingeladen, mir davon zu erzählen!

Stop Starting. Start Finishing.

Viel Spaß!





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