Direkt zum Hauptbereich

Die Taylor Society - eine wichtige Stütze zur Verbreitung von Scientific Management

Wir nehmen gern einzelne Personen wahr, die revolutionäre Ideen entwickeln. Aber was nützen tolle Ideen, wenn sich keiner um die Verbreitung kümmert? Lean Thinking und Agilität würde es heute nicht geben, wenn die Menschen in der Taylor Society sich nicht um den Austausch gekümmert hätten.

Ende des 19. Jahrhunderts werden die Fabriken größer

Im Jahr 1915 wurde die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft im Management zu Ehren ihres ersten Gründers und promintentesten Ideengebers Frederick Winslow Taylor in die Taylor Society umbenannt. Um die Bedeutung von Taylors Arbeit besser zu verstehen, sehen wir uns den Kontext genauer an.

In den USA erholt sich die Wirtschaft nach dem Bürgerkrieg (1861-1865). Im Nordosten des Landes wird Stahl produziert und verarbeitet (Carnegie Steel Company, Bethlehem Steel). Pennsylvania ist ein industrielles Zentrum. Der Staat gehört zu den bevölkerungsreichsten Bundesstaaten. Philadelphia ist nach New York die zweitgrößte Stadt.

Da die Fabriken größer werden, stellt sich die Frage, wie man Menschen und Material organisiert. Das passiert nicht nur in den USA, sondern auch in Europa (Henri Fayol, Max Weber). Henry R. Towne stellte im Jahr 1886 seine Ideen unter dem Titel "The Engineer as Economist" anderen Ingenieuren in der ASME vor. Auch einige Ingenieure hatten schon vor Taylor Bücher zu diesem Thema veröffentlicht, hauptsächlich über Kostenmanagement und Buchhaltung. Taylor wird der erste sein, der ein geschlossenes Managementsystem entwickelt.

Die Zeit von 1873 bis 1896 wird in den USA als die Zeit der Großen oder Langen Depression bezeichnet. Die Stahlproduzenten suchen nach Hilfe und finden sie bei F. W. Taylor.

F. W. Taylor wird der erste Managementberater

Taylor wächst in einer wohlhabenden, gebildeten Familie auf. Eigentlich will er Anwalt werden. Aber ist so kurzsichtig, dass er beim Lesen immer Kopfschmerzen bekommt. Er wird stattdessen Werkzeugmacher und arbeitet sich in dem Stahlwerk Midvale Steel bis zum Meister hoch. Später absolviert er noch aus der Ferne ein Ingenieursstudium am Stevens Institute of Technology.

Bei Midvale Steel hat Taylor mit seinem Kollegen Maunsel White durch systematisches Experimentieren mit Zusätzen und unterschiedlichen Temperaturen ein Verfahren entwickelt, um Stahl besonders hart zu machen. Durch das sog. Taylor-White-Verfahren verzieht sich das Stahl nicht mehr nach dem Härten. Das wird später eine wichtige Voraussetzung für die Massenfertigung von Teilen. Daher kommt sein guter Ruf als Erfinder.

Taylor verfeinert sein System für das wissenschaftliche Management schrittweise. Bei Midvale Steel stand er vor der Frage, wie man eine Fabrik organisiert, sodass die Maschinen gut bedient werden können. Er wollte also nicht die Arbeiter reglementieren, sondern die Materialflüsse in der Fabrik besser steuern. Dazu musste er verstehen, wie die Arbeiter die Maschinen bedienen.

Um Anreize zu schaffen, entwickelte er danach wie andere Ingenieure seiner Zeit auch, ein System für einen Akkordlohn. Taylor unterschied sich von seinen Zeitgenossen, weil er sein System bei Midvale erfolgreich aufgebaut und in einer konkreten Anleitung beschrieben hatte. Sein Vortrag vor dem amerikanischen Verein der Maschinenbauer „A piece-rate system“ machte als Artikel schnell die Runde.

Taylor konnte seine Ideen als Berater in verschiedenen Firmen ausprobieren. Ein Auftrag bei der Firma Bethlehem Steel macht ihn berühmt. Durch seine Arbeit halbierten sich im Jahr 1900 die Arbeitskosten je Tonne. Gleichzeitig schafften die Arbeiter dreimal so viel wie vorher und ihre Löhne waren um 60% gestiegen. Das sind enorme Vorteile.

Allerdings widersetzten sich oft die Besitzer und Geschäftsführer dieser Firmen einer kompletten Umsetzung von Taylors Ideen.

Taylor hat Vorträge in Amerika und Europa gehalten und an der Universität in Harvard gelehrt. Seine Bücher wurden millionenfach verkauft. Offensichtlich sprach er ein wichtiges Bedürfnis der Unternehmer seiner Zeit an. Zum anderen hat er seine Ideen durch Artikel und Vortragsreisen einem großen Publikum bekannt gemacht. Er traf den Nerv der Zeit. Sein Erfolg ermunterte auch andere Experten weltweit in ihrer Arbeit.

Im Jahr 1911 wird die Taylor-Society gegründet

Sie wie es heute eine agile Community gibt, so organisierten sich auch Anhänger des Scientific Management damals. Zunächst diskutierten die Ingenieure ihre Organisationsfragen unter dem Dach der amerikanischen Maschinenbauer, der ASME. Im Jahr 1910 muss die ASME Schwerpunkte setzen. Sie entscheidet sich für einen eher technischen Bereich. Die Ingenieure suchen sich ein neues Forum für Organisationsfragen. Im Jahr 1911 gründen James M. Dodge, Frank B. Gilbreth, Robert T. Kent, Conrad Lauer, Carl G. Barth, Morris L. Cooke, H. K. Hathaway und andere die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Managements (engl. The Society to Promote The Science of Management).

Zunächst waren die Treffen eher informell. Ab 1914  gab es regelmäßige Treffen. Als Taylor 1915 starb, wurde sie zu seinen Ehren in Taylor-Society umbenannt.

In einem Artikel aus dem Jahr 1925 schreibt Percy S. Brown, dass der Taylor- Society mehrere Dinge wichtig waren, /1/:

  • In der amerikanischen Wirtschaft gibt es ein Problem mit (dem fehlenden) Management.
  • Den Mitgliedern ist eine Ingenieurssicht auf das Thema wichtig (im Gegensatz zum Kaufmann oder Besitzer).
  • Lösungen lassen sich wissenschaftlich finden.

Um ihr Anliegen durchzusetzen fördert die Gesellschaft wissenschaftliche Untersuchungen, organisiert Treffen unter den Mitgliedern für den Austausch und veröffentlicht Newsletter. Sie beteiligt sich auch an internationalen Konferenzen, wie z. B. dem ersten Internationalen Management Kongress in Prag im Jahr 1924. Im Jahr 1925 sind schon 800 Menschen in der Gesellschaft organisiert.

Die Mitglieder der Taylor Society tauschen sich mit anderen Ingenieuren oder Anhängern des Scientific Management in Europa und Japan aus. Sie nehmen auch an Konferenzen in anderen Ländern teil.

Als Frank B. Gilbreth unerwartet stirbt, nimmt seine Frau Lilian Moeller Gilbreth in Prag teil. Es gibt auch Berichte über ihre Zusammenarbeit mit Experten in Deutschland.

Im Jahr 1936 schließt sich die Taylor-Society mit der Society of Industrial Engineers zur Society for Advancement of Management zusammen, die es bis heute gibt.

Ideen brauchen Organisationen, um sich zu verbreiten

Man kann über den Beitrag einzelner Menschen wie Taylor in den USA oder Henri Fayol in Frankreich oder Max Weber diskutieren. Ihre Ideen hätten sich bestimmt nicht verbreitet, wenn sie keine Antworten auf damals aktuelle, gesellschaftliche Fragen geliefert hätten.

Aber für die Verbreitung brauchte es auch einen Organisationsrahmen. Und das vergessen wir heute manchmal. So wie damals ist es heute wichtig, dass es Organisationen gibt, die die Konzepte progressiven Managements, zu denen ich Lean, Scrum und Agile, aber auch MTM oder Projektmanagement zähle, verbreiten. Das können Vereine, Unternehmen, Konferenzen oder lose Treffen sein. Diese Organisationen brauchen unsere Unterstützung.

Anmerkungen

  • /1/Brown, P. S. (1925). The Work and Aims of the Taylor Society. The Annals of the American Academy of Political and Social Science, 119, 134–139. http://www.jstor.org/stable/1015419

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Selbstbewertungsfragen für den Alltag in Arbeitsgruppen aus Sicht von Mitarbeitenden

Welche Fragen können wir Mitarbeiter:innen stellen, um herauszufinden, ob agiles Arbeiten wirkt? Es gibt bereits eine Menge an Fragebögen. Aber ich bin nicht immer zufrieden damit.

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Agile Sternbilder: Die Entdeckung kosmischer Agilitäts-Superkräfte

Hast du dich je gefragt, ob dein Sternzeichen deine Fähigkeiten in einer agilen Arbeitsumgebung beeinflusst? In diesem Blogpost tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Astrologie und ihre mögliche Verbindung zu modernen Arbeitsweisen. Entdecke, wie die Sterne deine agilen Stärken prägen könnten. Ob überzeugter Agilist oder neugieriger Sternzeichenliebhaber – dieser Artikel kann dir neue Perspektiven eröffnen und vielleicht sogar dein nächstes Teamprojekt inspirieren!

Microsoft Lists: mit Forms und Power Apps komfortabel mobil arbeiten

In meinem Kundenkreis sind viele Menschen, die den Arbeitsalltag nicht vorwiegend auf dem Bürostuhl sitzend verbringen, sondern "draußen" unterwegs sind. Vielleicht in Werkstätten oder im Facility-Management. Es ist so wichtig, dass die Schnittstellen zu den Abläufen im Büro gut abgestimmt sind. Microsoft 365 hat so einiges im Baukasten, man muss es nur finden und nutzen.  In diesem Artikel spiele ich ein Szenario durch, das auf Microsoft Lists, Forms und - für die Ambitionierteren - Power Apps setzt.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Scrum und Hardware: Es kommt auf die Basics an

Man kann Hardwareprodukte agil entwickeln. Zum einen kommt Scrum aus der Hardwareentwicklung. Die Softwerker haben die Hardwarekonzepte auf ihre Situation übertragen. Zum anderen hat Hardwareentwicklung heute ganz viel mit Software zu tun. Gerade in frühen Phasen kann man sich mit Simulationen noch viele Wege offen halten und mehrere Pfade parallel verfolgen. In diesem Beitrag empfehle ich eine Podcastfolge und ein Buch, für alle, die mit der Geschwindigkeit ihrer Hardwareentwicklung nicht zufrieden sind.

Warum eine Agile Transformation keine Reise ist

Die agile Transformation wird oft als eine Reise beschrieben. Doch dieser Vergleich kann viele Unternehmen in die Irre führen oder Bilder von unpassenden Vergleichen erzeugen. Transformationen sind keine linearen Prozesse mit einem klaren Ziel, sondern komplexe und dynamische Entwicklungen. Dieser Artikel zeigt, warum Agilität kein Weg mit einem festen Endpunkt ist.

Warum bringen Warum-Fragen so wenig?

Frust! Wieder gibt's am Ende des Meetings keine Lösungen, sondern nur Diskussionen darüber, wer was warum verbockt hat. Wieder geht nichts voran. Warum passiert uns das immer wieder? (Ha! Da ist sie wieder, die Warum-Frage.)