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Navigieren im Netz der Komplexität: Führen im Tik Tok-Zeitalter

Im Jahr 2023 leben wir mit einer Fülle an Unvorhersehbarkeit und Ungewissheit. Das Industrie-Zeitalter wurde endgültig durch das Informations-Zeitalter abgelöst. In der Geschäftswelt wurde die Komplexität durch den ständigen Wandel angeheizt: neue Technologie, wirtschaftliche, soziale und politische Kräfte. Durch das hohe Tempo des Wandels werden wir immer wieder mit Überraschungen konfrontiert, die uns zur Anpassung zwingen. Ein Zeitalter ungeahnter Komplexität. In diesem Artikel möchte ich ihnen Impulse und Aspekte und Chancen dazu aufzeigen. 

Ständiger Wandel als treuer Begleiter

Die Rolle der Führungskraft besteht nicht länger darin anzuführen, sondern vielmehr darin, den Wandel zu erleichtern, zu inspirieren und das Beste in anderen hervorzubringen.

Die Globalisierung und der Aufstieg der sozialen Medien haben die Rahmenbedingungen für Führung stark verändert und zu einem exponentiellen Anstieg der Anzahl und Dichte von Kommunikationsnetzwerken geführt. Mit dem Aufkommen von Netzwerken, insbesondere der Sozialen Medien, wurde das traditionelle Machtgefüge auf den Kopf gestellt. Jetzt ist der Absender weniger wichtig als der Empfänger. Er entscheidet, was wertvoll genug ist und reißt die Macht an sich. Diese Machtverschiebung ist eine faszinierende Entwicklung des 21. Jahrhunderts. Sie zeigt die Kraft der Masse und bietet völlig neue Innovationsfelder. Sie schafft gleichzeitig exponentielle Komplexität.

Hier ein Beispiel, welches die Kraft der Masse und die Unvorhersehbarkeit der Auswirkungen für Führungskräfte aufzeigt:

In einem kurzen Clip wird ein Waltmart- Mitarbeiterin gezeigt, die über die Lautsprecher des Einkaufszentrums ihre Kündigung und Beweggründe öffentlich macht. Das Video 51-sekündige Video wurde von 1,2 Millionen Menschen mit einem Herzen versehen. Mehr als 13.700 überwiegend positive und verständnisvolle Kommentare. Der Clip wurde über 22.300 mal geteilt. Wie würden sie als Führungskraft darauf reagieren?  

@letstawlktalenttia When enough is enough! credit: @jwpanama on IG #tiktokwalmart #overworked #underpaid #walkoutchallenge ♬ original sound - LetsTawlkTalentTía

Hier gehts zum Original-Clip auf der Plattform Tik Tok. 

Diese komplexeren Systeme sind in der Regel nicht linear. Was bedeutet das? Lineare Systeme sind vorhersehbar in ihrer Wirkung. Nicht-lineare, dynamische Systeme haben eine Anzahl an Beteiligten und eine Interaktionsdichte mit gegenseitigen Abhängigkeiten erreicht, die es einem einzelnen unmöglich machen, alles zu überblicken. Das erhöht die Schwierigkeit für Führungskräfte mit einem eher linearen Verständnis von Führung: Vorhersagen und Ankündigungen haben weniger Kraft, der Planungshorizont verkürzt sich. Ein Fahren auf Sicht im dichten Nebel. Wir müssen erkennen, dass es nicht DEN EINEN Weg gibt, Dinge zu tun. Wir können nicht verbessern, was wir nicht erkennen. Um neue Lösungswege erkennen zu können, müssen wir lernen:
  • anders zu denken und 
  • uns anders zu verhalten.

Der Druck steigt: "Wie soll ich richtungsweisend, als auch stabilisierend agieren?"

Um der Überforderungsfalle zu entgehen, müssen wir anerkennen, dass das Wissen des Einzelnen nicht mehr ausreicht und die Ungewissheit dieser neuen Landschaft annehmen. Führungskräfte müssen zu Ermöglichern werden, die das Wissen des Einzelnen unterstützen, anstatt es zu kontrollieren.

Inspirieren und das  Beste herausholen

Welche Alternativen gibt es? Sie können ein Umfeld schaffen, in dem Menschen zusammenarbeiten, lernen und handeln können. Andere in die Lage versetzen, als Mit-Denker/innen zu agieren. Das bedeutet Strukturen und Prozesse zu etablieren, die Flexibilität, Autonomie und Wahlmöglichkeiten zulassen. Das bedeutet auch: einen offenen Wissensfluss zu fördern und Fehler willkommen zu heißen. Eigene Verhaltensmuster und Überzeugungen kritisch zu hinterfragen: 

  • Traue ich meine Mitmenschen wirklich etwas zu
  • Sehe ich mich als Lösungsbringer oder Lösungsermöglicher/in? 
  • Was könnte das jeweils für die Beteiligten bedeuten?
  • Lässt es mein Führungsverständnis zu, dass andere Lösungen finden, die meine Grenzen übersteigen?

Exponentielle Geschwindigkeit des Wandels & Verflüssigung der Grenzen

Um voranzukommen, müssen wir zusammenarbeiten und a

ktiv nach neuen Wegen suchen, um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Landschaft zu gestalten. Hier kommen Netzwerke ins Spiel: Indem wir ein Netzwerk von Beziehungen und Ideen schaffen, können wir gemeinsam einen Weg ebnen, der es uns ermöglicht, Veränderungen zu gestalten, statt uns gestalten zu lassen.

Es liegt in unserer Verantwortung, unsere Ressourcen zu nutzen, um geeignete Wege der Zusammenarbeit zu finden. Organisationen müssen zunehmend intellektuell und technisch zusammenarbeiten, um zu überleben. Diese Verflüssigung organisatorischer Grenzen heißt zum einen, dass wir neue Entfaltungsmöglichkeiten haben. Zum anderen stellt es traditionelle Organisationsstrukturen in ihren zugrundeliegenden Annahmen in Frage. Statt „Wir gegen die Anderen.“ ein „Wir gemeinsam für die Kunden und unser Überleben.“. Durch vertikale Zusammenarbeit sind wir in der Lage, das Wissen, die Fähigkeiten und das Know-how zum gegenseitigen Nutzen einzusetzen.

Die Verflüssigung der horizontalen Zusammenarbeit innerhalb der Organisation ermöglicht es, entlang der Wertschöpfungskette zusammenzuarbeiten.

Der Veränderungsdruck verlangt von allen Beteiligten eine Menge ab. In Zeiten der Ungewissheit kann es passieren, dass wir uns destabilisiert fühlen. Die Komfortzone wird enger. Unsere Identität scheint unsicher. Doch gerade in solchen Momenten haben wir die Möglichkeit, uns und unsere Organisation auf eine tiefere Weise zu erforschen. Wir können uns fragen: Wer sind wir? Woher nehmen wir unsere Stärke, unseren Mut und unsere Widerstandsfähigkeit? Was hält uns im Kern zusammen? Worauf sind wir stolz? Auf welches Erbe wollen wir zurückblicken, wenn wir gehen? Die Antworten auf diese Fragen können uns die Klarheit und Sicherheit geben, um neue Kraft und neuen Mut zu schöpfen. Versuchen wir unseren Platz in der Welt zu verstehen, werden die Grenzen unserer eigenen Fähigkeiten sichtbar: Wo fange ich/wir an, wo höre ich/wir auf?

Ermutigung für Führungskräfte, sich der Komplexität zu stellen

Viele Führungskräfte verstehen intuitiv, dass ein veränderter Ansatz von Führung nötig wird. Persönliche Nähe und Beteiligung bekommen einen anderen Stellenwert. Individuelle Stärken und menschliche Verletzbarkeit gewinnen an Bedeutung. Fehler werden willkommen geheißen, um schnell daraus zu lernen, statt sie unter den Teppich zu kehren – aus Angst vor Bestrafung. Stabilität ist zwar immer noch wichtig, aber nicht das einzige Ziel - Innovation ist der Schlüssel. Dies erfordert einen grundlegenden Paradigmenwechsel des Führungsverständnisses. Um dieses neue Selbstverständnis als neue Komfortzone zu erreichen, erfordert es Offenheit, unbekanntes Terrain zu erkunden. Und auch eine Menge Selbstreflexion: 

  • Die Bereitschaft, den Status quo in Frage zu stellen. 
  • Bereit zu sein, Risiken einzugehen. 
  • Durch Experimentieren und Erforschen können neue und inspirierende Ideen entstehen, wie eine neue Stabilität aussehen kann.

Fazit

Wir befinden uns in einer Zeit zunehmender Komplexität. Heutige Führungskräfte sind mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Der Einfluss der Massen und der Netzwerke stellt das herkömmliche Verständnis von Macht und Autorität in Frage. Die Auflösung von Organisationsgrenzen eröffnet neue Wachstumsmöglichkeiten, zeigt aber auch die Schwachstellen klassischer Managementansätze in Frage. Führungskräfte müssen sich ihrer eigenen Unwissenheit stellen, indem sie zu Ermöglichern werden, die das Wissen des Einzelnen fördern, anstatt zu versuchen, es zu kontrollieren. Führungskräfte können ein Umfeld schaffen, das der Zusammenarbeit, dem Lernen und dem Handeln förderlich ist, indem sie eine Kultur der Offenheit fördern, in der Informationen offen geteilt werden, Fehler als Chance begriffen werden und alle voneinander lernen können. 

Lassen wir uns von diesem Potenzial des Zusammenwachsens und Zusammenarbeitens inspirieren. Auf dieser Reise sind wir alle miteinander verbunden. Irgendwas geht immer.

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Quellen:

1.     Komplexität. Duden Online, abgerufen am 08.03.2023.

2.     P. Milling: Systemtheoretische Grundlagen zur Planung der Unternehmenspolitik. Duncker & Humblot, Berlin 1981, ISBN 3-428-04931-4.

3.     Luhmann 2005: zitiert nach Dijana Tavra: Vertrauen als Mechanismus der Reduktion von Komplexität – Resümee. (PDF; 79 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) Uni Bern 2009, archiviert

4.     Matti Miestamo, Kaius Sinnemäki, Fred Karlsson: Language Complexity: Typology, contact, change. John Benjamins Publishing Company, 2008, ISBN 9789027231048.

5.     Günter Dedié: Die Kraft der Naturgesetze – Emergenz und kollektive Fähigkeiten von den Elementarteilchen bis zur menschlichen Gesellschaft. 2. Auflage. tredition 2015, ISBN 978-3849576851

6.     Joseph Tainter: The Collapse of Complex Societies. Cambridge University Press 1990, S. 128 ff., ISBN 9780521386739

7.     Charles PerrowComplex Organizations: A Critical Essay. Echo Point Books & Media, Auflage 2014, ISBN 978-1626549029.

8.     Niklas Luhmann: Soziale Systeme: Grundriss einer allgemeinen Theorie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 978-3-518-28266-3

9. TikTok-Video, veröffentlicht von @letstawlktalenttia, hier gehts zum Original-Clip 


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