Jede Veränderung in Organisationen bedeutet auch ein Verlust, ein Abschiednehmen von Vertrautem. Auch wenn wir es uns im beruflichem Kontext kaum eingestehen wollen: wo Verlust ist, findet sich Trauer. Ich verstehe Trauer als eine natürliche Reaktion.
Der Verlust von Vorbildern, vom Systemverständnis, von Glaubwürdigkeit des einmal Gewußten, des eigenen Selbstverständnisses, von Prozessen, von Kollegen und Vertrautem und so weiter.
Wo Trauer ist, sind Ängste nicht weit: Verlustangst, Versagensängste, Angst vor Enttäuschung. Die Optionen, wie Menschen in Momenten der Trauer und Angst reagieren sind vielfältig.
Wut, Ohnmacht, Starre - es gibt viele Facetten. Alle Reaktionen dienen dazu, so schräg es auch klingen mag, überlebenswichtige Funktionen aufrechtzuerhalten:
- sozialer Beziehungen aufrecht erhalten
- emotionales Gleichgewicht behalten
- negative Einflüsse regulieren oder vermeiden
- Perspektiven für Erholung sehen
Ich lade dich ein, über folgende Fragen nachzudenken:
- Wer verliert oder gewinnt, wenn die Veränderung kommt?
- Wer, wenn die Veränderung nicht kommt?
- Was brauche ich, um die Veränderung (mit)-tragen zu können?
- Was soll bleiben?
- Wovon kann ich leicht Abschied nehmen?
Anfang der 90er Jahre verlor sie ihren Arbeitsplatz in der ehemaligen DDR. Sie war Mitte 30 und hatte 3 kleine Kinder. Ihre bisherige Karriere wurde offiziell Infrage gestellt. Mit viel bürokratischem Aufwand sollte sie nachweisen, welchen Wert ihre beruflichen Abschlüssen und Berufserfahrungen haben.
In den darauffolgenden Jahren durchlebte sie tiefe Phasen der Depression. Ich fragte sie, was das Schwerste war, das Sie in dieser Zeit zu überwinden hatten.
Sie antwortete: "Alles, was ich bis dahin erreicht hatte, alles, was ich gelernt, woran ich geglaubt und was ich an meine Kinder weitergegeben hatte, sollte von einem Tag auf den anderen falsch sein.Dieselben Leute, die mich in Strukturen zwingen wollten, wollten mir nun sagen, dass alles nicht mehr stimmte.
Ich fragte, was ihr in dieser Zeit geholfen hätte. Sie sagte: "Was fehlte, war die Anerkennung dessen, was erreicht worden war. Nicht alles war schlecht. Einiges davon war es wert, bewahrt zu werden, und sei es in der Erinnerung. Das hätte mir geholfen."
Rituale, Gedenkfeiern: Erreichen solche Inszenierungen nicht genau das? Sich an das zu erinnern und zu schätzen, was uns wichtig war und ist?- Wir nehmen mit, was uns antreibt (Werte, Prinzipien, Ressourcen).
- Wir lassen zurück, was uns belastet (z. B. alte Gewohnheiten).
- Wir würdigen, was uns im Kern wichtig ist/war
- Wir erkennen an, was wir vermissen, um uns zu verabschieden.
Diese Anerkennung, diese Wertschätzung, könnte ein entscheidendes Element in der Veränderungsarbeit sein.
"Ich sehe dich" - Vieles kann in diesen kleinen Satz gequetscht werden.
Was für ein wunderbarer Gedanke, dass eine kleine Botschaft so viel bewirken kann. Und es kostet nichts! Auf welche Bereiche im täglichen Berufsalltag kann der Raum für Abschied und Trauer eine Rolle spielen? Hier einige Beispiele:
- ein Kollege verlässt das Unternehmen
- ein Projekt wird beendet
- Prozesse verändern sich grundlegend
- eine neue Software wird eingesetzt, die eine grundlegende Einarbeitung nötig macht
Wie kann ein ritualisierter Abschied aussehen?
- Was verbindet ihr mit Sabine? Was hat sie für euch einzigartig gemacht?
- Welchen Schatz (Arbeitsergebnisse, übernommene Gewohnheiten ...) lässt sie da?
- Welchen Fähigkeiten und Kompetenzen möchtet ihr in eure Arbeit einfließen lassen?
- Was möchtest du dem Team mitgeben?
- Welche Ressourcen hast du besonders an deinen Kollegen geschätzt?
- Wofür bist du dankbar?
Was wurde ermöglicht?
Du bist auf der Suche nach Wegbegleiter:innen?
- Impulse für deinen Arbeitsalltag mitzunehmen
- dich aktiv einzubringen
- in den Austausch mit anderen Branchen zu kommen
- neue Perspektiven und Blickwinkel kennenzulernen
jeweils Mittwochs
Zeitraum: 12:15 Uhr bis – 13:15 Uhr via Zoom.
Über die Autorin
- Consultant in systemsich agilen Kontexten, Common Sense Team GmbH
- Blogautorin & Speakerin
Kommentare
Kommentar veröffentlichen