Scrum-Trainings können eine Menge Energie und Hoffnung freisetzen. Einige Menschen sagen auch schnell: „Ich verstehe, was mit Scrum gemeint ist. Aber ich weiß nicht, wie ich das in dieser Organisation umsetzen kann.“ Vielleicht ist das der falsche Anspruch. Ich gebe meist eine andere Antwort.
Scrum funktioniert nicht
Was passiert nach einem Scrum-Training im Team? Ehrlich? Nichts! Wer mit dem Anspruch aus einem Training kommt, dass die Organisation nun auf agiles Arbeiten umgestellt wird, wird scheitern. Häufig wird mir erklärt, dass man an dem sehr fragmentierten Arbeiten in der Firma nichts ändern könne. Das sei in dieser Branche nun mal so. Zudem hätte man viele externe Abhängigkeiten, auf die man warten müsse.
Scrum Framework |
Warum Scrum funktioniert
Die ersten Scrum-Teams haben sich immer wieder gefragt, wovon ihre Lieferfähigkeit abhängt. Und in dieser Antwort steckt auch die Lösung für die Frage, was nach einem Scrum-Training passiert. In klassischen Organisationen können die Mitarbeiter nicht liefern, weil die Organisation u viele Ziele gleichzeitig verfolgt. Alle Beteiligten verlieren viel Zeit beim Wechseln zwischen den ganzen Baustellen. Keiner geht den Hindernissen und Wartezeiten nach. Projekte werden um die Verfügbarkeit einzelner Spezialisten herumgebaut. Zudem glauben die Beteiligten, dass der Output der Organisation von den Spitzenleistungen von Einzelpersonen abhängt.
Scrum funktioniert, weil sich die Organisation ändert. Wir ändern sie so, dass Teams fokussiert an Zielen arbeiten und ein Hindernis nach dem anderen entschärfen. Wenn eine Organisation zu viel zu tun hat und die Leute fehlen, lohnt es sich, etwas zu verbessern. Hier sind meine Tipps, was die Teilnehmer:innen nach einem Scrum-Training tun können, um besser zu werden.
Projekte zum Erfolg bringen
Ein nächster Schritt könnte sein, ein Projekt beispielhaft mit den Prinzipien von Scrum zum Erfolg zu führen. Alle Beteiligten arbeiten mit mehr als 50% ihrer Zeit an diesem Projekt. In Wochensprints wird an einer sortierten Liste von Teilergebnissen gearbeitet. Gleichzeitig wird jede Woche etwas verbessert, bis die Lieferprozesse rund laufen.
Ein Scrum-Training könnte auch der Anlass sein, ein bestehendes Projekt neu und agiler aufzusetzen.
In laufenden Projekten könnte das Team anfangen, das einfachste Inkrement zu liefern. Dieses wird sukzessive durch das Feedback erweitert. Dabei legt das Team zunächst Wert auf die Punkte, die für die verschiedenen Beteiligten den größten Nutzen hat. Wenn man zu wenig Zeit hat, sollte man alles weglassen, was der Kunde nicht braucht. Dazu muss man mit den Kunden reden, sie bei ihrer Arbeit beobachten und verschiedene Experimente machen. Immer wieder steht die Frage im Raum: „Gibt es eine Alternative, die einen höheren Nutzen mit weniger Aufwand liefert?“
Prozesse verbessern
Vielleicht haben nicht alle Teilnehmer:innen gerade ein Projekt vor. Dann wäre der nächste sinnvolle Schritt, die eigenen Prozesse zu hinterfragen. Welche Prozesse müssen bei uns gut funktionieren, damit die Kunden zufrieden sind? Welche Mengen haben wir pro Woche zu erledigen? Was schaffen wir davon im Moment? Was sollten wir eigentlich schafften? Welche Ziele geben wir uns? Wenn es keine Vorgaben gibt, kann man mit dem Ansatz „Verdopple das Gute, halbiere das Schlechte“ starten.
Nehmen wir an, das Team muss pro Woche 20 Einheiten liefern, schafft aber nur 5, d. h. die Arbeit staut sich seit Wochen auf. Das Ziel lautet also, wie kommen wir von aktuell 8 Stunden Laufzeit (5 Einheiten in 40 Stunden pro Woche) auf 2 Stunden Laufzeit, ohne den Kunden zu frustrieren? Der erste Schritt dazu besteht meist darin, die Laufzeiten und Mengen überhaupt einmal zu erfassen.
Wissen teilen und ausbilden
Spezialwissen ist ein großes Hindernis für eine agile Organisation. Unabhängig davon, für welche Arbeitsweise sich ein Team später entscheidet, kann es immer nach einem Scrum-Training anfangen, eine Kompetenzmatrix zu erstellen. Welche Kompetenzen brauchen wir, um unsere Kunden gut zu beliefern? Dann werden die Wissenslücken identifiziert und das Team entwickelt eine Strategie, wie diese Lücken von Woche zu Woche geschlossen werden. Im Ergebnis haben wir Teams die flexibel einsetzbar sind. Wir müssen nicht immer auf die üblichen Experten warten, um weiterzuarbeiten.
Themen in der eigenen Einheit sortieren
Wie werden wir die Fragmentierung der Arbeit los? Dazu könnten sich Führungskräfte und Mitarbeiter treffen und alle Themen in eine Reihenfolge bringen. Meist fällt auf, dass 30% der Themen gar keinen Nutzen mehr für die Organisation bringt und gestoppt werden kann.
Zudem sollten wir Pakete kleiner geplant werden. Welche Zwischenergebnisse sollten wir minimal erreichen, damit wir das Thema dann zu Not liegen lassen können?
Das Sortieren sollte mindestens einmal im Monat gemacht werden.
Organisationsexperimente starten
Organisationen sind soziale Konstrukte und keine Maschinen. Komplex-adaptive Systeme kann man nicht dirigistisch verändern. Das Verhalten komplexer Systeme wird durch Beschränkungen, Grenzen und Zwänge bestimmt.
Wenn Spezialwissen nur bei einzelnen Leuten verfügbar ist, entwickelt die Organisation ein Verhalten, das alle Projekte um diese Spezialisten herumbaut. Wenn wir das Verhalten der Organisation ändern wollen, ändern wir etwas an dieser Einschränkung.
Dave Snowden arbeitet seit ein paar Jahren an Estuarine Mapping, um Constraints zu beschreiben. Ich habe mir aus dem Buch „Adaptive Action“ das Kürzel CDE gemerkt:
- Container: was hält das System zusammen?
- Differences: was sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Elementen im System?
- Exchanges: was tauschen die Elemente im System untereinander und mit der Umwelt aus?
An diesen Punkten würde ich nach Contraints suchen und mit einzelnen Experimenten starten.
In diesem Beitrag habe ich fünf Themen aufgelistet, die Teilnehmer:innen nach einem Scrum-Training ausprobieren können:
- Projekte agil starten oder Projekte agil neu aufsetzen
- Prozesse gemeinsam verbessern
- Wissen teilen und sich gegenseitig ausbilden
- Themen priorisieren
- Organisationsexperimente machen
Das Ziel sollte niemals sein, Scrum einzuführen. Viel wichtiger ist es, die eigenen Ziele der Organisation zu kennen und darauf fokussiert hinzuarbeiten. Dazu brauchen wir ein Organisations- oder Managementsystem, das es allen Beteiligten leicht macht, sinnvolle Ergebnisse zu liefern.
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