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Transzendente Ziele für Teams

Was spornt Teams zu hohen Leistungen an? Ist es Geld? Oder Ruhm und Ehre? Der HBR-Artikel "The New New Product Development Game" spricht von transzendenten Zielen, also Zielen, die über das gewöhnlich hinaus gehen. Solche Ziele setzen viel Kreativität frei. Aber was ist damit genau gemeint?

Was macht die Produktentwicklung erfolgreich?

Ikujiro Nonaka (geb. 1935) ist ein bekannter japanischer Ökonom. Er fing im Jahr 1982 an, genauer zu erforschen, was erfolgreiche Firmen bei der Produktentwicklung anders machen. /1, p. xviii/ Berühmt wurde seine Arbeit durch den Artikel "The New New Product Development Game". /2/ Dieser Artikel wurde später zum Namensgeber von Scrum. 

Jeff Sutherland und sein Team wurden auf diesen Artikel aufmerksam, weil die vorgeschlagene Struktur, Teams besser macht. Dazu schreibt Jeff Sutherland in einem Blogartikel: "Was Takeuchi und Nonaka bei Toyota, Honda, Canon, Fuji-Xerox, 3M, HP und anderen leistungsstarken Unternehmen gesehen haben, ist Scrum-Projektmanagement. Es bedeutet, dass die Teams autonom sind, durch ein übergreifendes Ziel motiviert werden und gemeinsam lernen." /3/

Auf einer anderen Seite der Scrum Inc. gehen die Kollegen genauer auf Transzendenz ein: "Große Teams waren [...] transzendent: Sie haben ein Ziel vor Augen, das über das Gewöhnliche hinausgeht. Dieses selbstverwirklichte Ziel ermöglicht es ihnen, über das Gewöhnliche hinaus ins Außergewöhnliche zu gehen. Die Entscheidung, nicht durchschnittlich, sondern großartig zu sein, verändert in gewisser Weise die Art und Weise, wie sie sich selbst sehen und wozu sie fähig sind. [...] Die Menschen tun sich manchmal schwer mit der Idee der Transzendenz. Transzendenz ist der Geist des Teams. Das erste Scrum-Team sah sich zu Beginn jedes Daily Meetings ein Video der neuseeländischen Rugby-Mannschaft All Blacks an. Die Energie dieses Teams ist mit Händen zu greifen. Sie sind in ihrem Ziel geeint. Das erste Scrum-Team wollte diesen Geist einfangen: die Entschlossenheit, jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen; den Geist, jeden Erfolg zu feiern; das Ziel des Sieges. Das ist Team-Transzendenz, ob in einer Sportmannschaft oder bei der Bereitstellung großartiger Produkte oder Dienstleistungen."/4/

Foto von Natalie Pedigo auf Unsplash

Ford, Toyoda und Honda hatten hohe Ziele

Im Nachhinein finden sich immer wieder Beispiele. Starten wir mit Henry Ford (1863-1947). In der Zeit von 1900 bis 1908 wurden in den USA 500 Automobilhersteller gegründet. Zwei Drittel davon verschwanden gleich in den ersten Jahren oder wechselten in einen anderen Bereich. Wie schaffte es Ford an die Spitze? Ford wächst auf einer Farm in der Nähe von Detroit auf und ist irgendwie immer auch ein Junge vom Land geblieben. Er wollte es immer den Bauern einfacher machen, in die Stadt zu kommen. Das treibt ihn sein Leben lang an. Die Autos sind für die Menschen und nicht für den Unternehmer. 

Oder nehmen wir Sakichi Toyoda (1867-1930), der in bescheidenen Verhältnissen aufwächst. Er sieht die schwere Arbeit der Weberinnen in seinem Dorf. In ihm reift die Idee, bessere Webstühle zu bauen, um einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Er sieht Japan als gleichberechtigten Partner in der Weltwirtschaft.

Eine interessante Geschichte gibt es auch von Mitarbeitern von Honda. Chuck Ernst und seine Kollegen habe keine Ahnung von Automobilproduktion. Aber sie sind von Motorrädern begeistert. Honda will ein Werk in Anna, Ohio aufbauen. Statt detaillierter Anweisungen wird ein altes Bauernhaus in der Nähe des künftigen Werks gemietet. Dort zerlegen Chuck Ernst und seine Kollegen ein Motorrad und bauen es wieder zusammen. Sie legen fest, in welcher Reihenfolge Teile geliefert und montiert werden. Ein paar Monate, im Jahr 1985, eröffnet das Werk. /5, S. 131/

In allen drei Geschichten sahen die Beteiligten etwas, das größer als sie selbst war. Jetzt sagt vielleicht ein Leser: "Ja, das sind besondere Leute oder besondere Firmen. Unsere Arbeit ist nicht so spektakulär." Kann jedes Team solche hohen Ziele bekommen?

Wie setzt man transzendente Ziele?

Ehrlich gesagt weiß ich das auch nicht genau. Es gibt einen ganzen Forschungszweig in der Psychologie, der sich mit solchen Fragen beschäftigt (Humanistische Psychologie).

Ich habe mit der Zeit ein paar Fragen gefunden:

  • Worum geht es bei der Arbeit eigentlich? Was ist das Große und Ganze?
  • Welchen Beitrag leiste ich im Leben meiner Kunden?
  • Welchen Beitrag leistet meine Arbeit für die Gesellschaft? Was ist der soziale Dienst hinter der Arbeit? Warum ist das für die Gesellschaft wichtig?
  • Welche Bedeutung hat dieses Unternehmen in dieser Region?
  • Was ist der Job hinter der Technologie oder unabhängig davon, den der Anwender erledigen will?
  • Haben wir eine besondere Mission?

Meist können Außenstehende das noch besser beurteilen, als die Mitarbeiter:innen im System. 

Gleichzeitig müssen ein paar Bedingungen gelten:

  • Die Einschränkungen zum Handeln dürfen nicht zu groß sein.
  • Die Handelnden müssen das Gefühl haben, handeln zu können.
  • Es müssen viele, kleine Erfolgserlebnisse möglich sein.

Erst dann enstehen Hingabe und Flow.

Am o. g. Honda-Beispiel lässt sich das gut erklären. Chuck Ernst und sein Team kannten das große Ziel der neuen Fabrik. Und sie wussten auch um die Bedeutung der Fabrik als Arbeitgeber für die Region. Sie wussten auch, dass die Honda-Produkte gut bei den Kunden ankamen. Das Team war handlungsfähig. Die Aufgabe war erst einmal nicht, die ganze Fabrik zu planen. Der Auftrag war viel kleiner: zerlegt das Motorrad und findet eine Reihenfolge, in der man es wieder zusammenbauen kann.

Wir können die o. g. Fragen stellen. Zusätzlich müssen wir die Handlungsfähigkeit des Teams stärken. Ein kurzer Takt erlaubt es, schnell Erfolge zu sehen. Das alles können Scrum Master und Führungskräfte in die Hand nehmen.

Anmerkungen

  • /1/ Nonaka, I. ; Toyama, R. ; Hirata, T.: Managing Flow : A Process Theory of the Knowledge-Based Firm. Hampshire: Palgrave Macmillan UK, 2008.
  • /2/ Takeuchi, Hirotaka, and Ikujiro Nonaka. "The new new product development game." Harvard business review 64.1 (1986): 137-146.
  • /3/ Takeuchi and Nonaka: The Roots of Scrum, Scrum Inc. Blog, erschienen am 22.10.2011, abrufbar unter https://www.scruminc.com/takeuchi-and-nonaka-roots-of-scrum/ 
  • /4/ Scrum Inc.: The Scrum Team, Scrum Inc. Webseite, ohne Datum, abrufbar unter https://www.scruminc.com/scrum-team/ 
  • /5/ Rothfeder, Jeffrey: Driving Honda : Inside the World’s Most Innovative Car Company. London: Penguin Uk, 2014. Die Webseite des Werks: https://ohio.honda.com/our-story

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