Wenn Du Unterstützung und eine feste Community suchst, in der Du für alle Deine beruflichen Fragen Ansprechpartner:innen findest, dann melde Dich gerne in einer unserer Lean-Coffee-Gruppen an (Joint Venture, Informationsaustausch auch hier), damit Du keine unserer Veranstaltungen mehr verpasst:
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Management 3.0 / Lean Startup
Dieses Eröffnungsthema wurde bis zum Ende der Zeit besprochen, es handelte sich aber eigentlich um gar keine Diskussion - wenn man mal davon absieht, dass einige Mitglieder sich nicht ganz einig darüber waren, inwieweit der "Erfinder" des Lean Management 3.0, Jurgen Appelo (ja, Jurgen ohne Ö-Striche!), Verdienstvolles geleistet oder im Wesentlichen abgeschrieben hat und ein Marketinggenie ist - sondern um einen Austausch und Informationsweitergabe von Lean-Coffee-Mitglied zu Lean-Coffee-Mitglied, und zwar ganz handfest, in einer Jobwechsel-Situation. Hinweise dazu gibt es auch in der Literaturliste (siehe unten).
Besondere (Nicht-)"Eignung" bestimmter Nationen für agiles Arbeiten?
Nach der Erfahrung eines Silberrückens gibt es zwischen den verschiedenen Nationen Unterschiede "ohne Ende". Japaner beispielsweise seien im Bereich von lean management sehr erfahren, aber bei Scrum, dem revolutionären Ansatz, überfordert. In ihrer Arbeitskultur sind sie die stete Verbesserung in kleinen Schritten gewohnt, es hat eine diesbezügliche Prägung stattgefunden, eine diskutive Kultur, wie wir sie kennen, ist in Japan allerdings nicht verankert.
Japanische stete Verbesserung in kleinen Schritten und indisches Managementgebell von oben
Indische Kollegen dagegen, so der Gast, hätten ziemliche Herausforderungen bei der Umgewöhnung, da eigenständige Entscheidungen für hierarchisch weiter unten liegende Ebenen nicht angedacht seien: Das Management entscheide von oben nach unten, und es werde auch bei Kleinigkeiten, die "schief" liegen, schnell Druck von oben ausgeübt. Er fügt leicht augenzwinkernd hinzu, dass der "deutsche Preuße nicht so schlimm, wie man glaubt" sei, bereits das preußische Militär habe agiles Vorgehen adaptiert. Viele Unterschiede hängen seiner Sicht nach mit der Organisation zusammen.
Kommunale Selbstverwaltung der Deutschen
Die Deutschen, findet er, seien ok, und wieder mit einem satirischen Blitzen in den Augen: sie hätten schließlich die kommunale Selbstverwaltung auf die Spitze getrieben [der Gast weiß, wovon er spricht, da er u. a. seit vielen Jahren daran arbeitet, die Verwaltung zu agilisieren - die Red.]. Ein anderer zieht eine zweifelnde Grimasse, und auch dieser Gast hat wertvolles Hintergrundwissen, da sich in seinem Umfeld Menschen mit interkulturellen Themen im Arbeitsleben beschäftigen, wie wir wenig später erfahren.
Das System übt den Einfluss aus und macht die Unterschiede
Zunächst berichtet aber ein Dritter, es gebe eine empirische Studie, die zeige, wie das Menschenbild von Menschen ausgeprägt werde, es gebe hierbei einen massiven Einfluss durch das jeweilige System, in dem man aufgewachsen sei. Der Gast zitiert ein Beispiel, das wir auch in der Literaturliste zur Verfügung stellen (vielen Dank an die Gäste!) und das zum Glück nur als Gedankenspiel durchgeführt wird: Würde man einen Freund ans Messer liefern, wenn dieser jemanden angefahren hätte? Würde man der Polizei die benötigte Information geben?
Did the pedestrian die?
Hier zeigten sich z. T. deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Nationen, die alle dasselbe Setting vorgesetzt bekamen. Die Reaktionen unterscieden sich u. a. je nachdem, ob Mitglieder einer Nation an ihr eigenes System glaubten oder nicht. Quintessenz dieses Gastes: Es hängt am politischen System.
"Deutsch gibt es nicht" und die Nation, die aus dem Rahmen fällt...
Nun meldet sich wieder der zweite Gast mit dem Wissen zu interkulturellem Management zurück. Er protestiert gegen das Wort „deutsch“ in diesem Zusammenhang und zitiert innerdeutsche Unterschiede, beispielsweise Obrigkeitshörigkeit in Bayern ("Ober sticht unter, das ist dort normal..."), die aber nicht überall verbreitet sei ("... ein Hamburger würde sich das nicht ansatzweise gefallen lassen!"). In der DDR sei Zusammenarbeit im Team - aus bekannten historischen Gründen - extrem wichtig gewesen. "Deutsch gibt es gar nicht." Der erste Gast ergänzt noch, dass die Iren allerdings aus dem Rahmen fielen, denn obwohl sie in der Geschichte Vorschriften bekommen hätten, seien sie trotzdem alles andere als obrigkeitshörig. (Als Extrem-Untermauerung dessen erwähnt jemand murmelnd die IRA...)
Scrum Master-Zertifizierungsnachweis
Der Themengeber holt sich in der Runde Rat, wie er vorgehen sollte, wenn ein Unternehmen eine Zertifizierung sehen möchte, die er zwar derzeit nicht vorweisen kann, während er aber durch praktische Arbeit im betreffenden Bereich bereits wertvolle Erfahrungen gesammelt habe. Da er kurz vor Gesprächen steht, fehlt auch die Zeit, eine solche Zertifizierung noch im Vorfeld zu absolvieren.
(Was) Hilft einem die Zertifizierung beim neuen Arbeitgeber?
Hinweise aus der Runde lauten, dass der Teilnehmer bereits wichtige Erfahrungen gesammelt, Wissen akquiriert habe und dabei sei, ein entsprechendes Netzwerk an Kontakten aufzubauen. Wenn jemand nichts habe, würde ein Unternehmen (besonders?) gerne eine Zertifizierung sehen. Wenn das Unternehmen Geld sparen wolle, könne es schwierig sein, noch keinen entsprechenden Nachweis zu haben, denn u. U. würde das Unternehmen sich hier nicht engagieren wollen. Zertifizierungen, die man in nullkommaichts absolvieren könne, würden nicht so wertvoll erscheinen wie solche, bei denen man beispielsweise monatelang Zeit und Geld investiert habe.
Schluss mit Muda - Renaissance der sieben Verschwendungsarten
Direkt zu Beginn geht die bekannte Diskussion los, dass leider fast niemand des Japanischen mächtig ist, sonst würde man hierzulande merken, dass viele von den Konzepten und Ideen nicht ganz zutreffend ins Deutsche übersetzt wurden - teilweise, weil es keinen passenden Begriff bzw. kein passendes Bild dazu gibt.
Muda ist mehr als nur "Materialverschwendung"
Wir sprechen darüber, dass in westlichen Ländern häufig nur Material und Geld verschwendet werden, in "Muda" stecke aber mehr als nur das. Es ginge für Japaner darum, so der Themengeber selbst, wertschätzend mit Material umzugehen. (Hierin steckt offenbar eine allgemeine Form des Respekts, der in der japanischen Kultur stärker verankert zu sein scheint als in beispielsweise Deutschland - die Red.). Die Babyboomer seien bald in Rente, der Fachkräftemangel werde in Deutschland immer stärker spürbar.
Gerät die Welt gerade langsam aus den Fugen?
Einem anderen ist es, als gerate die Welt aus den Fugen. Heute würden sich Firmen wünschen, sie hätten übervolle Lagerbestände angehäuft, denn JIT bräche derzeit vielen Firmen das Genick, weil erstens keine Vorräte da seien und zweitens auch nicht mehr geliefert werden könne. Am Markt würden gerade alle marktrelevanten Dinge gekauft, eine gewisse Panik mache sich breit: Es sind keine Chips mehr da, es ist kein Holz mehr da, alles werde exportiert, und alle versuchten nun, ihre Lager aufzubauen, um im Winter mit Holz heizen zu können.
Sieben Verschwendungsarten auf dem Prüfstand / Wider das Vergessen bei verschiedenen Themen
Jemand empfiehlt, die sieben Verschwendungsarten dahingehend unter die Lupe zu nehmen, welche davon in der heutigen Zeit überhaupt noch Bestand hätten, zutreffend seien. Ist es mit diesem Thema ähnlich wie mit der Klimakrise: Es wird nur geredet, aber niemand handelt? Muss der Leidensdruck ggf. noch größer und noch deutlicher spürbar werden, muss das Sytem an der Wand stehen, bevor sich etwas bewegt? Als weiteres Beispiel für die "Vergesslichkeit" der Menschheit möge das Beispiel mit der Annexion der Krim dienen (wir waren an diesem Morgen tatsächlich in vielen Themen unterwegs...), der Gast dazu: "Man hat sich nicht so richtig erinnert nichts daraus gemacht." Wir werden das richtige und vernünftige Vorgehen bald vergessen haben, so seine Einschätzung, das Wissen werde "eine geringe Halbwertszeit" haben. Sobald wieder mehr Puffer in den Lagern seien, sobald sich die Lage wieder etwas verbessere, hätten wir die jüngere Vergangenheit schon wieder vergessen, würde wieder "rigide wegoptimiert und ins Fleisch geschnitten".
Warum "Just In Time" bei japanischen Unternehmen/Toyota funktioniert
Heute, so meldet sich jemand zu Wort, müsse man einen Puffer haben, um kontinuierlich produzieren zu können, die Lieferketten seien in extremem Zustand, die Zukunft sei schwierig vorhersehbar. Wir werden durch einen Lean-Haudegen direkt daran erinnert, dass auch Just In Time in unserem Kontext falsch verstanden werde. Er habe viele Übersetzungen gelesen und dabei festgestellt, dass hierzulande ein ganz anderes Verständnis darüber existiere. Toyota aber, und das scheint immer wieder gerne überlesen zu werden, würde traditionell insourcen statt outzusourcen, damit ihnen das nicht passiere. [Wie war das noch mit der Vergesslichkeit??? - die Red.] Das Unternehmen achte darauf, die Lieferketten stabil zu halten, die sogenannte Effizienzrendite liege zu 50% beim Lieferanten und zu 50% beim Unternehmen. [Auf diese Weise greift natürlich alles, das einander beeinflussen kann, auch harmonisch ineinander - die Red.] In Deutschland, fasst jemand zusammen, haben wir das Problem, dass wir alles "outgesourced" haben, während in Japan bzw. bei Toyota enge Beziehungen zu Lieferanten und Logistikern gepflegt werden. Die Unternehmen sind häufig auch über Beteiligungen miteinander verbunden. [Wer möchte, kann diese engen Verbindungen auch im Toyota-Produktionssystem nachlesen, das in den 1950er Jahren entwickelt wurde, als das Unternehmen Toyota durch Mangel an finanziellen Mitteln an der Wand stand, obwohl es Weltmarktführer werden wollte; dieses Thema war allerdigs nicht direkt Teil der Diskusion - die Red.]
An diesem Dienstagmorgen haben wir wieder mal die Welt gerettet, in ihren großen und kleineren Facetten. An dieser Stelle dankeschön an alle, die unser gemeinsames Zoom-Wohnzimmer ein bisschen aufgemischt haben.
Themenüberblick
Literaturliste
Lean Start-Up Eric Ries https://www.medimops.de/eric-ries-lean-startup-schnell-risikolos-und-erfolgreich-unternehmen-gruenden-taschenbuch-M03868815678.html?variant=UsedGood&creative=&sitelink=
https://management30.com/
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Trolley-Problem-und-Maschinen-Ethik-82-Prozent-der-Deutschen-wuerden-einzelnen-Menschen-opfern-4643841.html
Sozialkapitaltheorie: https://press.princeton.edu/books/paperback/9780691037387/making-democracy-work
https://www.deutschlandfunk.de/clash-of-civilizations-huntingtons-kampf-der-kulturen-100.html
https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1039543935
https://www.researchgate.net/profile/Fons-Trompenaars/publication/334506456_Did_The_Pedestrian_Die_Ethics_Across_Cultures/links/5e773cd992851cf2719db036/Did-The-Pedestrian-Die-Ethics-Across-Cultures.pdf?origin=publication_detail
https://www.weltbild.at/artikel/buch/did-the-pedestrian-die_14617899-1
https://www.buecher.de/shop/interkulturelle-kommunikation/did-the-pedestrian-die/trompenaars-fons/products_products/detail/prod_id/11112175/
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