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Das lästige Impostor-Syndrom...
Erste Ideen zum Thema: Man ist als Scrum Master / Agile Coach exponiert, häufig muss innerhalb einer Situation entschieden und gehandelt werden - das klappt nicht immer. "Manchmal denke auch ich: Ich bin zu doof für den Job..." (Und dieses Zitat stammt von einem gut ausgebildeten und erfahrenen Silberrücken!)
Es geht um selbstbewusstes Auftreten
Ein anderer berichtet, in seiner Firma habe es "unendlich viele externe Berater" gegeben, bei deren Beobachtung er sich fragte, "woher die ihr Selbstbewusstsein nehmen", denn "gekocht wird überall nur mit Wasser", und es sei oft nicht so gewesen, dass das, was geliefert wurde (oder tatschlich war), auch das war, was nach außen hin dargestellt wurde. So kommt dieser Gast zu dem Schluss, dass das Auftreten "letzendlich keine Frage von Können oder Wissen, sondern von Selbstbewusstein" sei.
Im Dickicht der Theorien, Modelle und Ansätze
Ein anderer Impuls aus der Runde: Es gibt in dieser Branche so viele Themen, und man kann nicht alles kennen, man solle lieber positive Rückmeldungen zum Selbst von außen berücksichtigen, und schließlich: "lieber ein Impostor-Syndrom [bei Dienstleister:innen] als im Brustton der Überzeugung beispielsweise ungesicherte Info als sicher verbreiten..."
Wenn der innere Kritiker übers Ziel hinausschießt
Jemand wendet das Blatt der Diskussion, indem er diese Sicht ergänzt und präzisiert, dass beispielsweise kritische Selbstreflektion generell gut, jedoch der innere Kritiker, der nicht mehr loslässt, schlecht sei. Das Selbstbild sollte nicht verzerrt sein. Es folgen offene Worte, die das gewachsene Vertrauensverhältnis in unserem Lean Coffee nicht besser zeigen könnten: Das Selbstbewusstsein, so der Teilnehmer, beruhe auf Erziehung und früheren Erfahrungen, und man zweifle teils viel stärker an sich oder am eigenen Können als man eigentlich müsste.
Sich selbst hinterfragen als positive Berufskrankheit
Die Gästin, die das Thema mitbrachte (herzlichen Dank dafür, daraus entstand die ungewöhnliche uns schöne Diskussion!)
erwähnt, dass eine ihrer Kolleginnen sehr darunter gelitten habe. Die grundsätzliche Tendenz, sich infrage zu stellen, wird von der Teilnehmerin grundsätzlich als positive Berufskrankheit gesehen, gerade, wenn es bei Scrum heißt: "Was können wir besser machen?". Man arbeite an sich selbst, aber wenn diese kritische Sicht einen blockiere, was dann? Die Themengeberin schlägt selbst vor: Man solle Austauschformate etablieren, sich darin miteinander austauschen, fragen, wer etwas daraus lernen kann, wer eine gute frage hat.
Offene Worte zum Umgang mit negativen Erfahrungen
Nachdem sich die ersten bereits sehr offen geäußert haben, gesellt sich ein Silberrücken aus unserer Runde dazu: Es sei nur durch Therapie möglich, eine verzerrte (negativ belastete) Sicht auf sich selbst zu ändern. Entmutigende Botschaften eines Elternteils seien ihm "ein Leben lang nachgegangen", er habe über Hilfe von außen das Problem selbst in die Hände genommen. Vermutlich erklärt sich dadurch sein späterer großer beruflicher Erfolg...
Von gut gemeiner Hilfe und der nahen Todeszone
Ein anderer Gast mahnt, dass sich allerdings ein Scrum Master, sollte er/sie sich um derlei Fragen kümmern, "in der juristischen Grauzone, wenn nicht sogar Todeszone" bewege. Er wird unterstützt durch einen weiteren erfahrenen Gast, der berichtet, dass Kolleg:innen das tatsächlich versuchten, und sie würden gewarnt, dass sie "die Finger von der Psyche" von Menschen lassen sollten. Hier klinkt sich ein anderer ein, dass es schwierig sei, die Grenze zu erkennen, wann es noch eine gut gemeinte Hilfe bei Schwierigkeiten sei und wann eine Übertretung dieser Grenzen, da ein Problem existiere, an dem jemand anderes arbeiten müsse. Was es schwieriger mache, sei die Tatsache, dass man beispielsweise unter dem Impostor-Syndrom selbst leide. Bei 10-20% der auf LinkedIn aktiven Personen, die dies von sich behaupteten, wirft jemand ein, denke man: "Nee, du gerade nicht, eher umgekehrt..."
Enkeltraumata und Ereignisse, die die Gruppendynamik verlassen
Zum Schluss teilt ein erfahrener Gast, dass viele von uns von etwas umgetrieben würden, ob Impostor-Syndrom oder
sogenannte "Enkeltraumata", und man könne merken, dass man an letzteren leide, wenn man auf bestimmte Dinge unerklärlicherweise ganz seltsam reagiere. Bei allem, was den Bereich der Gruppendynamik verlässt, so die Erkenntnis, müsse man Personen auf ihre sich negativ auf sie selbst und/oder andere auswirkenden Probleme ansprechen und sie bitten, damit zu einem Spezialisten zu gehen. (Eine heikle Aufgabe, aber schließlich ist es eine der Aufgaben von Scrum Mastern, Hindernisse aus dem Weg zu schaffen, die die Lieferfähigkeit beeinträchtigen - die Red.)
Alles agile oder alles bullshit?
Dem Themengeber schwillt der Kamm: Überall muss agil draufstehen. „Der Erfolg in der Breite führt zu Misserfolg in der Tiefe“ (danke für dieses griffige Zitat!). Die Basisidee sei ihm dafür zu wertvoll.
Er wird von einer Teilnehmerin gefragt, ob es ihm klieber wäre, wenn alle, die "agile" schreien, auch alle die Botschaft spiegeln würden "Agile interessiert uns nicht".
"Agile" als (falsch umgesetzter) Mainstream, vermittelt von Glücksrittern
Man sei, so die Teilnehmerin, im Spannungsbereich zwischen „wir möchten es gern richtig machen“ und auf der anderen Seite der misslichen Lage, dass man, wenn "in der Welle drin", zum Mainstream gehöre. "Dann kommen auch sämtliche Glücksritter und belegen dir das Thema mit Inhalten, die mit agile nichts zu tun haben." Sie fragt in den Raum, wie man die Trendwende nutzen könne, (denn es wäre blöd, wenn man sie nicht nutzen würde), "ohne dass der Kern, von dem wir uns einbilden, dass wir ihn kennen, verlorengeht". Man könne eine Einladung aussprechen, dass man noch etwas viel besseres daraus machen könne. Das Agile Manifest sage nicht, dass agil bedeute, dass man auf alles reagieren müsse. Man solle getreu diesem Werk immer die Möglichkeiten willkommen heißen, nötigenfalls den Weg ändern, den man bisher verfolgte.
Das Agile Manifest und Harry Potter...
Dem Themengeber schwillt auch abschießend noch einmal der Kamm, aber dieses Mal weniger als zu Beginn: „Sei Harry Potter, sage agil, ohne dass du 'agil' sagst.“ Lean thinking und die Ansätze bei Toyota habe es bereits dreißig Jahre vor der Entstehung des Agilen Manifests gegeben, er habe in der jüngeren Zeit aber etwa dreimal zu hören bekommen, dass die Leute noch nie vom Agilen Manifest gehört hätten. Das Schlusswort kommt von einer Gästin, die "kein Mitleid mit uns Agilisten" hat: Wer einen so generellen Begriff nähme und mit seinen Inhalten belege, der müsse auch damit rechnen, dass er abgewandelt oder neu belegt werde mit Themen, die rein sprachlich agil sind, aber nicht im Kern, "...das muss einem klar sein."
Laut am Nachdenken: Scrum Host statt Scrum Master ...
Der Themengeber stößt sich an der Diffusion um die Bezeichnung Scrum Master und fragt sich laut, ob der zweite Teil „Master“ vielleicht irritierend und fehleinschätzend sei, was die Rolle betreffe. Aufgefallen sei ihm das bei einer anderen Rolle, bei der der "Master" in "Host" umbenannt wurde: Der Host schafft den Raum für den Austausch und sorgt dafür, dass ein verwertbares Ergebnis bei der Arbeit herauskommt, aber er mischt sich nicht in Details ein.
Ein neuer Name, ein besseres Verständnis?
"Braucht es wirklich einen griffigeren Namen, damit klar wird, damit es sich nicht um einen Scrum-Polizisten handelt?"
Impulse der Lean-Coffee-Gäste: "Was möchten wir transportieren? Nach Einführungsbeginn ist das Bedürfnis da, dass jemand einschätzen kann, was zu tun ist, insofern ist der „Master“-Begriff für die Person mit Ahnung und Autorität sinnvoll"; "Ich weiß nicht, ob 'Agile Coach' der letzte Schluss ist, dann schreit aber die Coaching-Community, weil sie ein ganz anderes Verständnis von 'Coaching' hat", jemand meint, dass sich eine Rollenbezeichnung in den nächsten Jahren nicht herauskristallisieren und nicht bestehen bleiben wird, "Master ist kein idealer Begriff; es ist aber schwierig, wenn man etablierte Begriffe ändert, dann reißt man die Welt auseinander: Die eine Hälfte bleibt beim alten Begriff, die andere Hälfte nimmt den neuen an". Zudem werde von jedem und jeder anderes in die Rolle hineininterpretiert.
"Scrum Master" ist definiert - verkaufe ich die Rolle oder Ergebnisse?
"Ein anderer Begriff hilft nicht, der Scrum Master ist beschrieben, man trägt den Hintern hinter den Leuten her, wenn man einen anderen Begriff einführt, um ihre Missverständnisse aus dem Weg zu räumen". Ein Silberrücken wirft ein: "Ich habe immer Zeit verkauft, um Projekte durchzuziehen. Ich verkaufe nicht Scrum Master, ich verkaufe Ergebnisse, mit denen der Unternehmer etwas anfangen kann."
Scrum Master als Weltenretter:in oder Sekretär:in
Der Themengeber selbst fügt noch hinzu, dass man einen Scrum Master einstellt und gewisse Erwartungen damit verknüpft, messbare Ergebnisse aber erzeuge das Team, nicht der Scrum Master selbst. Zu wenig Leute seien bereit, sich zu überlegen, wie man messbar machen kann, was der Scrum Master tut (i. S. v. welchen "impact" er oder sie erzeugt) - es würden fast immer nur klassische Unternehmens-KPI gemessen. "Es wird entweder so viel in die Rolle hineininterpretiert, oder sie wird reduziert auf die Standardaufgaben eines Sekretärs."
Entscheidungshilfe für Jobwechsel
Die Frage, die seitens eines Teilnehmers an die anderen im Raum steht, lautet: Wie habt Ihr entschieden? (gemeint: Wie seid Ihr bei einem Jobwechsel zu Eurer Entscheidung gekommen?) Hier wird also die Community konkret um Rat gefragt, einer der vielen Gründe, warum man regelmäßig an einem Lean Coffee teilnehmen und Teil dieser Community werden kann.
Du selbst bist die Lösung - aber wir unterstützen Dich
Ratschläge aus der Runde: seine eigenen relevanten Kriterien finden; üblicherweise gebe es sechs Monate Zeit (Probezeit), und der Teilnehmer werde einen Grund dafür haben, warum er etwas sucht; Mischung aus objektiven Kriterien und Bauchgefühl, man könne sich fragen, ob man den Eindruck hat, dass das Unternehmen auch den Wert eines/einer Angestellten einschätzen kann und an dessen/deren Wertzuwachs interessiert ist ("Was sind das für Dinge, die ich zu tun habe, und wie werden die bepreist?"); eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, beim Katalog an Kriterien auch beachten, was für einen selbst ein No-Go ist und ob beispielsweise die eigene finanzielle Absicherung gewährleistet ist.
Wir vermuten, dass der Gast seine eigene Vorentscheidung schon längst gefällt hat, sich aber über bestimmte Details noch einmal in der Gruppe versichern und möglichst viele Blickwinkel erhalten möchte.
Unsere Themen im Überblick
Literaturtipps
Dieses Mal gab es tatsächlich keinen einzigen Literaturtipp (nur, weil Du nicht da warst, Jan!), dafür aber schöne Kommentare im Chat, z. B. zum Impostor-Syndrom: "Donald T. hat es wohl nicht..." ;-)
Weil hier noch so viel Platz ist, möchten wir noch erwähnen, dass der Lean Coffee Nr. 87 gänzlich ohne Moderatorenteam stattgefunden hat. Die letzte Person musste notgedrungen am Vortag abspringen, aber die angesprochenen Stammgäste erklärten sich sofort dazu bereit, die Veranstaltung zu begleiten. Sind ja alles erwachsene Leute. (Trotzdem hätte es ja auch sein können, dass es dann heißt: "Och nöö, dann haben wir keine Lust...")
Hocherfreut stellten wir bei diesem Termin dann fest, dass der Lean Coffee sogar MIT Moderationsteam klappte. ;-)
Wir freuen uns auf viele weitere Runden mit Euch!
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