Wissen ist Macht. Wer etwas weiß, muss dieses Wissen natürlich irgendwo als Information gesammelt haben. ;-) Vernetzung ist also alles.
"Zusammen sind wir weniger allein." Hier sind passende Lieblingsgruppen für Deinen Austausch:
- https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-frankfurt-am-main-99d1-1139176/about
- https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-karlsruhe-99d1-1139173/about
Der vergangene Lean Coffee stand erstmalig unter einem Schwerpunktthema, ein kleines Experiment. Unsere Lean-Coffee-Comunity trifft Menschen, die überwiegend an (nein, kein Tippfehler) der agilen Verwaltung arbeiten.
Bevor es richtig losgegangen ist...
Warum brauchen wir eine agile Verwaltung? Hier die Antworten des vergangenen Dienstagmorgens: Die Aufgabenkomplexität nimmt sehr schnell zu, dies bedeutet einen großen Bedarf an Schnittstellen - insbesondere in Digitalisierungsprojekten (enormer Kraftaufwand in der aktuellen Struktur), denn es gibt noch kaum crossfunktionale Teams, vertikal oder horizontal. Auch die Aufgabenmenge steigt stetig (Bsp.: Die Einwohnerzahl von Klein-Kleckersdorf steigt, die Beschäftigtenzahl in dessen Verwaltung aber nicht). Last but not least werden Reaktionen auf aktuelle Änderungen gefordert, z. B. adäquater Umgang mit der Corona-Pandemie, indem Teststationen errichtet werden, die Außenbereichsnutzung von Gastronomie geregelt werden muss etc. pp. Die Bürger möchten bei diesen Themen mitsprechen, geeignete Kanäle dafür gibt es aber (überwiegend) noch nicht.
Agil ist doch schon angekommen
Schlaglichter aus der angeregten Diskussion, die bereits losgeht, bevor jemand überhaupt die erste Scrumlr-Karte gelesen hat:
„Die Freiwillige Feuerwehr macht agil seit mehr als 150 Jahren – sie nennt es bloß nicht so. Sie sind dort hochgradig agil, weil sie sich Silos nicht leisten können, da sie zu wenige sind…“
„Die Verwaltung ist besser als ihr Ruf, sie nennt es bloß nie agil [was sie teilweise tut]. Sie muss aufpassen, dass sie nicht aufgefressen wird durch Ãœberregulierung.“
Umbau von Verwaltung mit Graswurzel-Ansatz
Der Gedanke des Kathedralenbaus aus einem unserer letzten Lean Coffees kommt hier wieder auf, als das Graswurzelprinzip zitiert wird: „Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Verwaltung in der Breite umgestellt ist. In einer Pilotierung von 100 Personen testen gerade 8, angelehnt an Herrenberg, die Selbstorganisation. Es ist faszinierend, was in ½ Jahr für Team- und Einzelentwicklungen schon stattgefunden haben. Scrum und Kanban fungieren als durch Führungskräfte unterstützter Schutzschild mit Freiheitsgraden, hinter dem Teams ungestört arbeiten können.“
„Schlechte analoge Prozesse sind auch nachher schlechte digitale Prozesse. Prozessoptimierung funktioniert gut, hier sind auch crossfunktionale Teams gut einsetzbar.“
Kanban als Optimierung des Regelbetriebs
Kanban ist laut einigen Stimmen gut nutzbar bei ca. 70% Regelbetrieb und 30% Entwicklung. Kanban wird also gerne bei vielen wiederkehrenden Aufgaben genutzt. Beispiele, die man bei Verwaltung zitieren kann? Der Landesrechnungshof Vorarlberg exerimentiert mit Kanban (bislang nur wenige Personen involviert), es gibt Beispiele, im deutschsprachigen Raum aber leider noch sehr wenige.
Berater:innen sollten nach dem fragen, was gebraucht wird
„Die Frage, die man stellen muss, ist: Was braucht ihr? Welches Team braucht was? Was habt Ihr probiert, was geht, was nicht? Die größte Herausforderung ist: Jeder sagt/denkt, er habe in diesem Themenbereich die Weisheit mit Löffeln gefressen, anstatt einfach mal anzufangen.“ Die Diskussion geht noch weiter, und sie geht auch weiter weg vom Ursprungsthema, aber das stört uns nicht arg, auch nicht die Themengeberin.
Bauhof Herrenberg in Zwangslage
In Herrenberg konnte eine Führungslücke nicht geschlossen werden; es sei ein Kampf gewesen, die Belegschaft dazu bringen, sich selbst zu organisieren, so eine Stimme in der Runde. Dies wird von mehreren auf die Sozialisierung von Verwaltungsbeamten zurückgeführt: „Nicht ausscheren!“ Es gebe in der Ausbildung zum gehobenen Dienst diese Art von Konditionierung. Wenn ein Auftrag ergehe, würde spätestens irgendwann gesagt: „Komm, ich mach’s halt…“
Ein Teilnehmer über (wir erinnern uns an Lean Coffee #54:) den Bauhof Herrenberg: „Sobald du sie laufen lässt, können sie plötzlich Dinge kreieren, dass du mit den Ohren schlackerst“. Jemand anderes zieht Parallelen, man sehe das durchaus auch in der Wirtschaft.
Kanäle für den Transport des Bürgerwunsches
Die BürgerApp einer Stadt wird erwähnt. Ein anderer Ansatz: Die Anliegen von Bürgern mit Beteiligten aus der Verwaltung werden an einem gemeinsamen Tisch besprochen (genannt „Arena“). Diese Arenen wirken, so ein Teilnehmer, über einen einzelnen Fachbereich hinweg. Auch ein Bürgerrat könne eingerichtet werden. Das Problem bei allen Apps sei, so ein erfahrener Gast, dass man nicht wirklich in einen Dialog komme.
Wie könnte dauerhafter Austausch aussehen?
Im Bereich Bürgerbeteiligung hat der Teilnehmer sehr viel Erfahrung, hier seien die Austausche aber meist auf den Fachbereich x im Silo y begrenzt. Dialog über längere Zeiträume hinweg lässt sich beispielsweise über sogenannte „Zukunftswerkstätten“ aufrechterhalten (dies habe viele Knoten in beiden Richtungen gelöst, auch die Bürger:innnen verstehen durch diesen Austausch das rechtliche Korsett, in dem sich die Verwaltung bewegt und warum sie teils handeln muss, wie sie handelt). Apps sind laut der Runde nur für die Adressierung kurzfristiger und punktueller Themen gut nutzbar.
Ich bezahle, also muss die kommunale Einrichtung was leisten
Ein anderer Gedanke: In den letzten Jahren kam zunehmend die Sicht vom Staat bzw. von kommunalen Einrichtungen als Dienstleister auf. Der Bürgergedanke (Teil der Gemeinschaft) sei in den Hintergrund getreten (eher herrsche die Sichtweise vor: „Ich bezahle Steuern und habe dann das Recht auf Dienstleistungen“), dies sei eine falsche Erwartungshaltung. Der Teilnehmer empfiehlt , dass Bürger:innen vielleicht mehr die Bürgerrolle übernehmen sollten.
Ãœbergreifende Digitalisierung vs. individuelle Organisation von Silos
Ein weiterer Punkt: Wenn in der Verwaltung gewisse Strukturen sich eigene Vorgehensweisen erarbeiteten und autonom arbeiteten, sei das dann nicht ein Hemmnis, um eine übergreifende Digitalisierung voranzutreiben? Der Teilnehmer gibt zu bedenken, dass diese Strukturen/Arbeitsbereiche, die sich ggf. bereits eigenständig eingerichtet haben, die eigenen neuen Prozesse und Vorgehensweisen leben möchten und u. U. keine neuen Impulse von außen mehr aufnehmen.
Verwaltung als Konzern sehen?
Ein anderer ergänzt, dass die Anspruchshaltung des Bürgers aus den 90er Jahren stamme, als Relikt einer Bewegung, die die Verwaltung als Konzern sehen wollte. Es wird noch in den Raum geworfen, dass, wenn eine Bürgerbeteiligung gefragt sei, diejenigen, die kommen, 70jährige Rentner seien. Menschen würden eingeladen, sich zu beteiligen. Sie meckerten trotzdem, kämen aber nicht (Zitat: „Ist mir zu viel Geschäft“). Als Quintessenz fasst ein Silberrücken zusammen, dass das einzige Modell, das dieses Verhalten aufzubrechen imstande sei, der Bürgerrat sei: Hier würde man per Los ausgewählt. Man könne zwar nein sagen, das traue sich aber in den meisten Fällen dann niemand.
Die eine größte Herausforderung
Da die Verwaltungen sehr unterschiedliche Formen annehmen können, kann diese Frage (des Schreiberlings) nicht so plump und über einen Kamm scherend beantwortet werden, weswegen wir einstimmig ganz fix zum nächsten Thema schreiten.
Größte Hürde: Fehlerkultur
Die (bestehende) Fehlerkultur wird als große Hürde für das gewünschte Zusammenarbeiten gesehen. Die Teilnehmerin, die das Wort hat, ruft uns das geflügelte Wort vom „Fehler vom Amt“ in Erinnerung. Eine wichtige Frage ist, wie kann man die Angst vor Fehlern nehmen?
Der Silberrücken der im Bereich der agil werdenden Verwaltung arbeitenden Gäste öffnet uns allen die Augen. Wir würden uns kein Bild davon machen, was passieren würde, wenn Fehler aus der Verwaltung nach außen sickerten. Die Presse meckert, der Schrei nach Rücktritt wird laut… „Der Kopf wird abgerissen - aber nicht vom Chef, sondern von den Bürgern!“
Mit einem Hammer auf den Schrottplatz...
Wer einmal bei Telefonaten vom Ordnungsamt mithören könne, so die lebendige Schilderung des Teilnehmers, müsse die Mitarbeiter:innen eigentlich mit einem Hammer auf den Schrottplatz schicken, damit sie sich dort austoben könnten. Man könne ein Buch darüber schreiben, was für Breitseiten sie abbekämen. „Die Bürger verzeihen der Verwaltung keinen Fehler mehr“, und hierin liege der Unterschied zur Privatwirtschaft. Sonst seien viele Parallelen vorhanden, in jedem Fall mehr Gemeinsamkeiten, als die Menschen denken.
Reden hilft auch hier - Supervision im Team als ein Ansatz
Die Stimme einer Teilnehmerin: „Miteinander in Kommunikation zu treten ist eine große Herausforderung.“ Für dieses Thema bietet eine andere Teilnehmerin gleich einen Lösungsansatz aus eigener Erfahrung an. Sie kennt Supervision im Team, und das an einer Hochschule, wo dies schwierig einzurichten gewesen sei, auch hätte Geld in die Hand genommen werden müssen (was ja fast immer der Fall ist, aber in diesem Setting war es wohl zuvor noch nicht für derartige Initiativen ausgegeben worden – die Red.). Es wurde der Austausch mit vertrauten Kollegen, die die gleiche Erfahrung haben, initiiert und aufgebaut, um Mut zu geben und gegenseitige Unterstützung zu sichern.
Wir, die wir überwiegend in Konzernen arbeiten, dachten wahrscheinlich, dass Konzerne ganz anders sind als Verwaltungen, aber andererseits, wenn ich da an gewisse Erfahrungen aus großen „agilen“ Projekten denke… vielleicht doch nicht. 😊(die Red.) Es ist jedenfalls immer ein Aha-Moment, wenn einem jemand anderes die Augen öffnet über Bereiche, in die man bisher keinen Einblick hatte, und erhebend, als mit der passenden Information gefütterter Außenstehende/r plötzlich echtes Verständnis für die andere Seite aufbringen zu können.
Vorgeschlagene Themen im Ãœberblick
Literaturliste aus dem Termin...
... von Teilnehmer:innen für Teilnehmer:innen (und diejenigen, die nicht dabei waren, aber ggf. hier nachlesen) wurde - nicht mitgeschnitten, waaaah! (Nein, der Host der Sitzung war leider nicht zugegen.) Falls wir dran denken, reichen wir das nach, was wir nachträglich zusammenkratzen können. Falls das nichts wird: Selber teilnehmen macht Spaß!
Unser Schwerpunkt-Lean-Coffee hat allgemein Freude bereitet, das merkte man auch am offenen und angeregten Austausch. An dieser Stelle danken wir nochmals unserer Impulsgeberin Gaby dafür, dass sie uns für den Streifzug durch die agile Verwaltung an die Hand genommen hat, und natürlich allen Gästinnen und Gästen dafür, dass sie da waren und mit uns geschnackt haben.
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