Wenn Drachen (oder einfache Menschen) träumen...
Wenn Du Gemeinschaft und ehrlichen Austausch schätzt, komm uns gerne besuchen. Du findest uns jeden Dienstagmorgen in unserem Zoom-Wohnzimmer:
https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-frankfurt-am-main-7bac-1139176/about
https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-karlsruhe-7bac-1139173/about
Die Moderation eröffnet den Dialog (O-Ton:) „in kleiner schnuckeliger Runde“ mit einem Thema in eigener Sache, es geht um die Nutzung von bestimmten von uns versendeten Informationen. Kaum gesagt, füllen sich die Ränge auch schon langsam, bis unsere Teilnehmer:innenzahl zweistellig ist.
Aus dem Maschinenraum wird die Scrumlr-Uhr für die Themensammlung gestartet, dann erst richtig aufs Board geguckt, wo schon die ersten Karten liegen. Scherzhafter Kommentar: „Ah, da ham schon welche angefangen - immer diese Streber…“ (Lachen in der Runde)
Ein Teilnehmer wird gesondert begrüßt, da er erstmals bei
unserem letzten Spezialtermin „Bronzestandard für Teams in sich agil
entwickelnden Organisationen“ gesichtet wurde. Er begrüßt wiederum noch einen
Silberrücken unseres Lean Coffees und berichtet, dass er und der X (jener
Silberrücken :-)) häufig in gleichen interessanten Veranstaltungen sind, er sei
X gefolgt. Prompte Empfehlung aus dem Maschinenraum: „Ja, dem X immer dienstagsmorgens
folgen.“ (wieder Lachen)
Verbesserungswürdig bei Euch selbst? (Verlängerung)
Der erste Teilnehmer outet sich ohne sichtliche Überwindung. Er sei in Sachen soft skills gut, jedoch die eigenen Regeln im Team behaupten, alle Zuwiderhandelnden "geißeln" (wir halten uns nicht dran), das kann er nicht. Er frage sich auch selbst, wieso er das nicht gut könne. Zu dieser Selbsteinschätzung antwortet eine Teilnehmerin, das sei seine Eigenwahrnehmung, und etwas fühle sich nicht als Stärke an, könnte aber eine sein. Sie selbst wiederum stört an sich selbst ein sog. Imposter-Syndrom (haben das nicht alle Guten, diese Zweifel? So wird es zumindest irgendwo in der Bibel über die guten Gläubigen geschrieben…), ihr würde eine Reflexion von außen helfen (oder zwei oder drei).
Eine andere Teilnehmerin erkennt, dass ihr in dieser Frage nur sehr bedingt Hilfe durch das Lean Coffee zuteil werden kann, da wir anderen einen blinden Fleck haben, sie nicht in ihrem Arbeitsumfeld erleben.
Der Themengeber bekennt offen, er sei ein „leidenschaftsloser
seelischer Betreuer im Team“, dazu hätte er keine Lust, auch „das ganze Thema
Soft Skills“ und agile Spiele sprechen ihn nicht an.
Was kann ich als Scrum Master nicht gut?
Weitere Selbsterkenntnisse anderer: „Besser werden: auf den Punkt kommen", „Ich hab' einen Riesenpunkt, das ist timeboxing: Ich will Ergebnisse erzielen, manchmal ist das Team aber noch nicht so weit, manchmal gehen die meetings aus der timebox heraus. Sie [Teammitglieder -dieRed.] sind vielleicht gerade auf dem Weg, aber dann kommen wir nicht mit einem Ergebnis heraus. Mit der Coaching-Sicht tue ich mich schwer“, „Abgrenzung. Ich bin sehr in meinen Teams drin, weil ich (auch) Software-Entwickler bin, ich habe auch noch eine Leitungsrolle, manchmal nehme ich alles zu sehr mit und müsste einen Schritt zurück tun: Was kann ich in der anderen Rolle tun? Der zweite Punkt: Impediments verfolgen, beim Management platzieren - so richtig…“ (mit einem Lächeln)
Dem Management (galant?) auf die Füße treten
Einer der Teilnehmer zeigt sogleich seinen Coaching-Hintergrund, indem er fragt: „Wir haben schon mehrfach gehört, dem Management mehr auf die Füße treten zu müssen, da ist die Frage: In welchem Verhältnis steht Ihr zum Unternehmen?“ Der Teilnehmer erklärt sich nach der Gegenfrage „warum“: Er beobachte, wenn man in beratender Funktion arbeite, eine Distanz, man sei nicht so sehr drin im Unternehmen, oder es gebe das Dienstleistungsverhältnis, bei dem eine Wiederbeauftragung gewünscht sei, man brauche hier die Hilfe des Teams, das Team sei auch mitverantwortlich. Nicht „die Peitsche auszupacken“ könne man in beratender Funktion hinbekommen, so eine andere Teilnehmerin, es sei die Frage, wie transparent die Spielregeln gemacht würden: „Wenn wir nicht liefern, haben wir nicht recht“. Zum Management könne man gehen mit der Ausssage, das Team könne noch nicht liefern, weil es noch ein Impediment gebe (das lösbar ist), man selbst würde das gerne angehen, brauche dazu jedoch die Hilfe des Managements.
I am what I am...
Ein Silberrücken auf dem Parkett des Projektmanagements und der Arbeit mit Teams findet klare schlichte Worte: „Ich sage dem Team, wer ich bin und was ich machen möchte, und ich vereinbare Regen mit dem Team.“ Hilfreiche Methoden bei der Arbeit sind ihm alles andere als fremd, widergespiegelt in seinem schönen Schlusswort für dieses Thema: „Ich bin ein Methodenpapst.“
Metriken (Verlängerung)
Negativbeispiel aus der Arbeitswelt: „Nach jedem Review müssen die Metriken erfasst und in einen Doc Manager hochgeladen werden.“ Subtile visuelle und auditive Zeichen des Spotts ob dieser angeordneten Vorgehensweise sind kurz im Raum. Die Themengeberin stellt die Fragen: „Welche Metriken will das Unternehmen, wo holt Ihr sie her und wie sinnvoll findet Ihr sie?“
Seid doch nicht so verMESSEN
Schlaglichter auf die Antworten: „alles, was in JIRA auffindbar ist und nicht auf eine Einzelperson zeigt“, „Durchlaufzeit von Aufgaben“ (bei alten backlogs sei es „auch gesund, das abzubilden“ (bsp. „code smells“)), „Man muss ein Verständnis davon haben: Was tun wir, und warum tun wir es?"
CFD
Auch gängigste Metriken wie „Velocity“ und „happiness“ werden natürlich erwähnt. Ein Teilnehmer: „Die Summe aller Tickets über den Sprint hinweg mit Status, ein burnup cumulative flow diagram.“ Über die Zeit hinweg sehe man, wie das Team Tickets erforsche und wie schnell es sie abarbeite, und wenn sich dabei bestimmte Arbeitsabschnitte aufbauten, hänge das Team irgendwo.
Schätzen und planen und messen sind dreierlei
Ein anderer fragt: „Bugs und Spikes werden nicht geschätzt, wie messen wir unsere Kapazität wirklich? Wie unterscheiden wir zwischen produktiven vs. nicht zum Wertstrom dazupassenden Dingen?“ Eine Teilnehmerin gibt folgende Antwort: „Was schätzt dein Team? Dein Team schätzt Dinge und plant Dinge, damit es möglichst große Verbesserungen am Produkt ausliefern kann. Das, was das Team schätzt und plant, ist: Was habe ich für Aufwand, welches ist das gemeinsame Verständnis, wie kann ich in einem Sprint sinnvoll Dinge tun?“ Erst einmal ginge es nur um die Organisation des Teams, Themen wie „wann ist etwas fertig?“ würden über Auswertungen beantwortet, z. B. Durchlaufzeit oder Bug-Quote.
Dragon Dreaming (Verlängerung)
Die Themengeberin berichtet uns, sie habe Dragon Dreaming in einer Liste agiler Methoden entdeckt und zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas davon gehört (so erging es am gestrigen Dienstagmorgen sicher auch so einigen anderen). Später kam das Thema in anderem Kontext wieder auf sie zu, in einem Ökodorf. Sie habe gedacht, "ok, die bieten das an, jetzt wird’s interessant." Sie habe dann eine Woche lang offline gelebt und einen „Traum-Kreis“ kennengelernt. Es handelt sich bei dieser community um komplett ehrenmtlich und agil arbeitende Personen. Diese stellen sich die Frage danach, wie man ehrenamtliches Engagement über die Zeit aufrechterhält. Erkenntnis: Wenn Menschen nicht mehr für ein Ziel brennen, fahren sie das Engagement zurück oder lassen es komplett fallen. Bei Dragon Dreaming sind alle von Beginn (einer Arbeit, einer Initiative, eines Projektes) an dabei und sagen, was sie von sich aus hineinbringen/geben möchten. Anschließend wird komplett in der Gemeinschaft geplant, und auch Widersprüche werden nicht aus dem backlog entfernt, sondern verbleiben dort, da man niemanden verlieren möchte. Die Ziele aller Teilnehmer:innen gehen also (zunächst) zu 100% ein. Die Gemeinschaft erarbeitet sich einen Weg in der Realität, der schleßlich zeigt, was wirklich geht und was nicht. Bei Dragon Dreaming werden vier Phasen gemeinsam durchlebt: träumen, planen, handeln und feiern/wertschätzen (was man erreicht hat). Dies schafft eine starke Team-Kohärenz, und die Mitglieder brennen für das Team-Ziel.
Träumst du auch in deinem Arbeitsumfeld?
Auf die Frage aus der Diskussionsrunde, ob die Teilnehmerin es bereits in ihren Teams bzw. in ihrem Arbeitsumfeld einsetze, antwortet diese, dass bei Dragon Dreaming alle freiwillig dabei seien, das gebe es im Unternehmen nicht. Sie versuche gerade, ihre Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Statt Geld Gemeinschaft
Eine Teilnehmerin spricht ihren Dank für das Mitgebrachte aus, es sei „genau das, was ich in der letzten Zeit gesucht habe“. Sie führt aus: „Menschen können nicht aussteigen, das geht nicht. Es geht aber doch, sie können aussteigen und woanders für mehr Geld arbeiten. Etwas anderes als die Gemeinschaft kann ich nicht bieten - wenn wir aber so arbeiten können, so inspiriert und gemeinschaftlich, könnte uns das helfen.“
Das Ehrenamt - nur ein Traum des Altruismus?
Ein Teilnehmer erwähnt sein Ehrenamt und leitet für die Menschheit zwei Motivationen ab, um ein solches auszuüben: „Ich habe ein Eigeninteresse“ (z. B. als Beirat in der Eigentümergemeinschaft möchte man Einblick haben, wirtschaftliche Erfolge erzielen, auch für sich selbst etwas gutes tun) und „allgemein gehaltenes Interesse“, es wird kein primärer Nutzen daraus gezogen, aber man kann sich „in der Gruppe beweisen oder hervorheben“. Eigennutz sei für den Menschen immer ein großer Motivationsfaktor. Nach seiner Sicht sind die vier Phasen absolut korrekt, sie hätten aber nichts mit „agil“ zu tun, sondern seien ganz normales, ureigenes Handeln, das es auch im klassischen Umfeld gebe (so wie die agile Community auch nicht die Werte erfunden hat, die plötzlich als „agile Werte“ ein Revival erleben – hätten können… - die Red.)
Ein anderer greift den Faden mit der Freiwilligkeit auf und bekennt: „Ich habe nur Freiwillige im Team. Wenn das nicht so ist“, fügt er mit ernstem Blick hinzu, „schmeiße ich sie lieber raus.“
Weiterentwicklung für Teams: Ownership an Themen
Jemand spricht vom Potential, solche Inhalte auch einmal in einer Retrospektive einzubringen. Als interessanter weiterer Gedanke wird erwähnt: Auch hinter dem Produkt steht die Frage an jede/n: „Was ist mein Betrag, wie kann ich mich einbringen?“ Hier könne eine Weiterbildung im Rahmen des Scrum-Prozesses für das Team greifen: Wie übernimmt das Team ownership an einem Thema? Ist diese Frage geklärt, geht auch das Team mit Begeisterung mit hinein (in die Arbeit bzw. Entwicklung).
Ein anderer Teilnehmer meint, dass Anleihen aus dem Ehrenamt oft inspirierend seien: „Man denkt darüber nach: was kann ich im Firmenkontext noch gestalten, unabhängig von Geld?“ Der Diskutant hat gute Hoffnung, dass man hier einiges erreichen kann.
Man wird doch noch träumen dürfen...
Eine Teilnehmerin bemerkt, dass die Traum-Phase oft als Schnickschnack abgetan werde, aber großes Potential birgt. Sie findet „diesen spielerischen, lernenden Realitätsabgleich unglaublich charmant“, und auch einer weiteren Teilnehmerin fällt aus dem Maschinenraum heraus auf, dass die Beschreibung von Dragon Dreaming an den Prozess des brainstormings erinnert: In der ersten Phase darf hemmungslos herumgesponnen werden, das Aussieben aus Phase zwei übernimmt dann der gemeinsame Abgleich mit der Realität.
Wir finden, dass diese Themen wieder einmal über den agilen Tellerrand hinausgezeigt haben, und danken allen Themengeber:innen für ihre wertvollen und anregenden Beiträge, der Runde natürlich für ihre Treue sowie Offenheit und Vertrauen, die in unseren Reihen stets spürbar sind.
Wer das auch einmal selbst erleben möchte, ist herzlich dazu eingeladen, uns dienstagmorgens in Zoom zu besuchen.
Zu guter Letzt noch alle an diesem Dienstagmorgen mitgebrachten Themen:
Der Schreiberling (der nicht der Host der Sitzungen ist) war zwar der Ansicht, auch den ziemlich kurzen Chat kopiert zu haben (ein bestimmter Teilnehmer, auch "Bücherwurm" genannt, konnte nicht dabeisein, sonst wäre deutlich mehr Material dagewesen), fand aber in seinen elektronischen Ordnern leider nichts derartiges mehr. Hier wenigstens noch ein eigenständig herausgesuchter Link zu Dragon Dreaming – zum Lesen und Träumen:
http://dragondreaming.org/de/definition/
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