"Schmaler Kaffee", was soll denn das sein? Das kannst Du hier erfahren, indem Du Dich mit hilfsbereiten und netten Menschen vernetzt:
https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-frankfurt-am-main-99d1-1139176/about
https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-karlsruhe-99d1-1139173/about
Das Zeitfenster ist schmal, aber der Horizont ist weit...
Unser erstes Vorweihnachten...
Am Dienstagmorgen des 21.12., der Countdown bis Weihnachten 2021 umfasst also noch drei Tage, treten Moderation und Maschinenraum mit passender Kopfbekleidung an.
Ein Gast: „Warum komm‘ ich nicht auf das verdammte Scrumlr-Board?“ Anderer Gast direkt zu ihm: „X, ich hab so’n dejavú…“ Die Runde lacht. Der erste Gast äfft das Lachen in gespieltem Ärger nach.
Bevor es richtig losgegangen ist, hat auch ein Teilnehmer eine passende Kopfbedeckung, die typische rot-weiße-Filzmütze mit zulaufender Spitze und weißer Bommel, hervorgekramt.
Zweimal in der Woche Refinement?
Bei diesem Beitrag erkennt ein Redner, dass er die Hand als erster gehoben hat, und fragt ungläubig: „Vor Y???? Bin ich vor Y?“ Der indirekt Angesprochene, ein echter Silberrücken im Thema, lacht wohlwollend: „Ja, du darfst, ich stell‘ mich hinten an.“
Insgesamt beschließt die Diskussionsrunde, dass mehrere Refinements pro Woche nicht ganz sinnlos seien, eine Teilnehmerin: „… es kommt immer mal was neues rein, es ist auch die Frage, wieviel Klarheit muss man noch im Team schaffen?“, angesprochen sind die Situationen neuer Teammitglieder und/oder neuer Themen.
Refinement ist manchmal immer
Jemand berichtet, er habe Teams, die jeden Tag ein bisschen Refinement machten, sie würden viele Themen bearbeiten, Aufteilen sei da angenehmer. Dieser Teilnehmer fragt sich noch laut: „Die Limitierung von Refinements auf 10% der Zeit ist beim letzten Scrum Guide-Update, glaub‘ ich, rausgeflogen.“
Die Themengeberin wird von jemandem gefragt, was sie dabei denn stört. Das Team habe gesagt, mehrere Refinements bedeuteten zu oft Meetings, das Team habe ohnehin schon zu viele andere Meetings (nicht klar, welche) und käme nicht mehr zum Arbeiten. Die wohlbekannte Argumentation also.
Weitere Ideen sind fest eingerichtete und - damit kombiniert - nach Bedarf angesetzte Refinements, Refinements, die nur ½ Stunde dauern, weitere Refinements, die dann angesetzt werden, sobald sich im Abhängigkeitsgefüge mit anderen Teams Änderungen ergeben.
Erkenntnisse aus 2021
Die Themengeberin möchte gerne von uns wissen, welches unsere Erkenntnisse sind, die endlich einmal nichts mit Corona zu tun haben. Als eine ganz kurze Denkpause einsetzt, fragt der erste ungeduldige Teilnehmer, Y vom Anfang der Nachschau, bereits freundlich-nachhorchend: „Will keiner? Traut sich keiner?“ Als dann aber zwischenzeitlich doch einige elektronischen Hände hochgegangen sind: „Nee, erstmal die anderen hören.“ (Schlau, denn was man selber sagen will, weiß man ja schon.)
Verschiedene Arten und Formen von Scrum
Der andere Teilnehmer vom Anfang, der gefragt hatte, ob er vor Y dran sei: „Nee, ich mach‘ immer nach Y!“ (Lautes gemeinsames Lachen in der Runde) Danach führt er aus, dass er erkannt habe, dass man verschiedene Formen und Arten von Scrum machen könne. Allein, wenn man mehrere Teams betreue, sei die Intensität wie beim Kümmern um nur ein Team, das man richtig und ständig begleitet, nicht mehr vorhanden. Als 24/7-Scrum Master könne man viel mehr PS auf die Straße bringen.
Eine andere Teilnehmerin hat für sich erkannt, was für Teams traumatisch gewesen war oder gewesen sein könnte und warum man welche Techniken einsetze. Eine weitere Teilnehmerin, die beim ScrumDay 2021 einen Redebeitrag hatte, bekennt offen, dass es "verdammt schwer" sei, online eine Rede zu halten, viel schwerer, als wenn man tatsächlich auf einer Bühne steht: „Mir hat die Resonanz gefehlt - die Kacheln ham‘s für mich nicht gebracht“, und fügt hinzu, dass sie online in dieser Form nicht mehr sprechen werde.
Schicksalsschläge rücken Relationen zurecht
Nach diesem Beitrag machen auch andere Teilnehmer der versammelten Runde das Weihnachtsgeschenk ihres Vertrauens. Der erste offenbart uns, dass in seiner Familie dieses Jahr drei Elternteile gestorben seien, eine Erfahrung, die einem wieder zeige, dass es noch andere Dinge außer der Arbeit gebe, die wichtig sind. Private Erkenntnis: „Es ist ok zu sterben“, die business-bezogene Erkenntnis, inspiriert durch ein Buch von Bob Emiliani, ein zum Nachdenken anregender Impuls:
Andere werden beenden müssen, was wir gerade begonnen haben
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir Arbeit anfangen, die nicht wir fertigstellen werden, die andere Generationen weiterbringen müssen: Communities bilden, Funken weitertragen... das werden wir nicht mehr erleben, dass in unserer Zeit ein Großteil der Unternehmen umschaltet.“ (Eine sehr interessante Erkenntnis, wenn man nicht weit genug über den Tellerrand hinaussah, wie bis dato der Schreiberling dieses Artikels, der sich schon fragte, was mit all den gescheiterten Konzern-Initiativen auf riesigem Geldverbrenn-Steinbruch passieren soll, die alle das Etikett „agile Arbeitsweise“ tragen, und wohin der Weg hier wohl gehen soll.)
His way to agile
Ein anderer Teilnehmer bekennt, Gesundheit und Familie seien wichtig. Er berichtet uns, dass seine Frau schwer erkrankt sei (einmal taucht auch kurz sein Kind auf und umarmt ihn von hinten), und es gebe noch Werte außer „Business“. Danach sagt er: „Wir sind letztes Jahr schon durch Corona gekommen, Lean Coffees funktionieren auch mit Fremden online super“, er habe „my way to agile“ gefunden, so nennt der Teilnehmer es.
Lesen macht klug / Über die Allergie gegen getarnte Absagen
Der Nächste im Bunde berichtet, lesen tue nicht weh, er habe immer gerne gelesen, aber so richtig durchgerungen habe er sich erst dieses Jahr. Die andere Erkenntnis (viele haben zwei Themen im Säckel, wie man hier sieht): Der Teilnehmer hat dieses Jahr festgestellt, dass er noch allergischer als früher auf positive Absagen reagiert. Er spricht von Fällen, wo ein „ja“ kommt, wo man in der Ergänzung zum ja aber eindeutig das „nein“ heraushört. Jemand fragt nach einem Beispiel, Antwort: „Wenn man z. B. irgendwo seine Unterstützung anbietet, und dann kommt die Antwort: "Wir kommen auf dich zu." Einer aus der Runde ergänzt geistesgegenwärtig: „… nächstes Jahr!“, die anderen lachen.
Die Themengeberin wird aufmerksamerweise gefragt, wie es denn mit ihren eigenen Erkenntnissen stehe. Sie selbst, antwortet sie, habe es geschätzt, von zuhause aus zu arbeiten, sie hat aber das Gefühl, dass der Trend wieder weg von remote geht, was man ebenfalls verstehen könne.
Sinnvolle Arbeit des PO
Die Themengeberin fragt in den Zoom-Raum: „Wie habt Ihr es (die Arbeit des PO) positiv erlebt? Wie kann er sich sinnvoll einbringen?“ – Pause, alle denken offenbar nach. Die Themengeberin etwas ratlos: „Ihr habt es hochgevotet…“, eine andere Teilnehmerin: „Alle wollten was von anderen hören…“ Lachen in der Runde.
Fachkenntnis ist das A und O
Vorschläge aus der Teilnehmerschaft: Das A und O ist, dass der PO sich fachlich sehr gut mit dem Thema auskennt; er muss dem Team Futter bieten, der PO gibt die Richtung vor, er sagt, „was“ zu tun ist. Ein Teilnehmer meint dazu, dass diese Arbeit bei zu wenig fachlicher Kenntnis echt schwer sei, „da hängt die ganze Wirtschaftlichkeit dran. Von einem Proxy-PO halte ich gar nichts…“, er empfiehlt jemandem in dieser neuen Rolle: nebendran stehen, mitdiskutieren, irgendwann selbst Themen übernehmen, ein Apprentice sein. (Als jemand nach dem neudeutschen Begriff fragt, wird altdeutsch „Praktikant“ bzw. „Lehrling“ bzw. wieder neudeutsch „ein Shadowing“ geantwortet.)
Der PO als Freund des Teams?
Es wird auch die Geschichte eines Teams berichtet, das „dick“ mit seinem PO war, der eher der Freund des Teams schien, aber leider nicht genau wusste, wo es hingehen soll. Als drei Monate vor Projektende der PO ausgetauscht wurde, trat die Befürchtung, dies sei „ganz schlimm für das Team“ nicht ein, stattdessen half die Art und Weise, wie der neue PO arbeitete, da er immer 100%ig vorbereitet gewesen sei und dem Team eine Richtung gegeben habe, wenn er auch als Mensch eine distanziertere Rolle einnahm.
Ein Team, das lange auf seinen PO warten muss
Einer aus der Runde proklamiert: „Also bitte erst mal alle das Wort Proxy-PO aus ihrem Vokabular streichen…“, so etwas gebe es nicht, und man spürt förmlich die Allergie-Flechte beim Antragsteller wachsen. Er berichtet aus einem Projekt, bei dem ein Team ohne PO war. Die Personen, die diese Rolle hätten ausfüllen können, sahen sich als Stakeholer. Ein halbes Jahr wurde verloren mit „Ausprobieren von POs“, unter denen auch eine Reihe von Externen waren (was ja auch kein so gutes Setting für das Know-how im Unternehmen ist, wie schon vielfach zitiert). Man kam nicht voran, und ein PO war auch schon mehrfach krankheitsbedingt ausgefallen. Die Person, die der Teilnehmer als die geeignete Person angesehen hatte, habe etwas gesagt wie: „Also, wenn der jetzt nicht zurückkommt, mach‘ ich‘s halt…“ Dies war die beste Wahl, so der Teiknehmer, denn die Person kannte das Produkt genau und hatte Erfahrung aus der Historie heraus. Hat man diese Erfahrung und das Wissen nicht, so ein weiterer Beitrag, hilft es, damit man von Entwickler:innen anders wahrgenommen wird, wenn man nachfragt und sich von seinen Entwickler:innen Dinge zeigen lässt (man zeigt dann, dass man in der Rolle nicht nur „heiße Luft“ ist).
Ein Haufen weiterer guter Tipps der Schwarmintelligenz
Weitere wertvolle Tipps der Erfahrenen: Bei Reviews alles mitschreiben: „Wie baut man heute gute Software?“, außerdem die Grenzen des Arbeitsbereichs zeigen lassen (hierzu gibt es übrigens auch einen Blogbeitrag im Teamworkblog), eine Mindmap malen lassen und aufschreiben, wovon die Benutzung des Systems, dessen Erfolg, dessen Performance etc. abhängen. All diese Information kommt in ein Übersichtsbild, und der referierende Teilnehmer sagt, wenn er in einen Teamraum komme und da keine solche Übersicht hinge, liefe was schief. „Wenn ich da nichts sehe, gehe ich davon aus, dass das Team den Überblick ebenfalls nicht hat.“; Man solle fragen: Mit welchen Lösungen könnten wir dieses Problem angehen? Von wem sind wir abhängig? Was wollen wir von anderen? Wie oft müssen wir einander informieren, und wie? (Der Teilnehmer sagt hierzu mit einem schalkhaften Aufblitzen im Auge: „Ich verbiete natürlich E-Mail, denn das ist kein Kommunikationsmittel mehr.“).
Vergesst das Stakeholdermanagement nicht
Ein weiterer Tipp lautet, das Sprintziel auch für die Stakeholder zu formulieren, um möglichst wenig Arbeit in parallel laufendes Stakeholdermanagement stecken zu müssen. Die Arbeit mit Stakeholdern solle außerdem ebenfalls geplant werden (leuchtet irgendwie ein): „Was kann ich mit meinen Stakeholdern diese Woche machen?“ Alle notwendigen Aktivitäten sollen am Anfang der Woche eingeplant werden. Diese Arbeit, so unser Silberrücken, sei wichtig, „weil ständig jemand Ressourcen bzw. Geld abzieht“. Dies verursache extrem hohe Kosten. Teilnehmer: „Ich mach‘ die richtig wild“, er empfiehlt seinen Stakeholdern, wenn ihnen jemand die Ressourcen abzuziehen drohe, ihm auf den Kopf zu zu sagen, wieviel Projektgelder in Millionen er/sie gerade stiehlt. Ressourcen, so der Teilnehmer, müsse man „mit Klauen und Zähnen verteidigen“ (ja, so martialisch und archaisch kann das Projektgeschäft aussehen… die Red.).
Agile Methoden außerhalb der reinen Softareentwicklung
Der Teilnehmer vom Anfang („ich bin vor Y dran?“): „Ich mach mal vorm Y…“, und dieser Teilnehmer kichert zum running gag dieses Morgens. Er arbeitet in einer Versicherung, die Scrum, Kanban, Flight Levels anendet, „Wir sind ein experimenteller Kasten, und wenn man in die Versicherungsbranche schaut, ist das ungewöhnlich“, der Teilnehmer ist stolz darauf. das Umfeld ist hochreguliert, Staat und Bafin haben ein Auge auf die Prozesse, für die es gesetzliche Regelungen gibt. Der Teilnehmer: „Wir haben einen schönen Weg gefunden: wir definieren Prozesse, aber nach agilen Methoden.“
Kontinuierliche Verbesserung und bestimmte Produktrichtungen
Ein anderer Gast zitiert zwei Zweige: auf der einen Seite kontinuierliche Verbesserung, hinter der als Treiber der Scrum Master steht, auf der anderen Seite das Einschlagen einer bestimmten Produktrichtung, wie beispielsweise bei Toyota oder die Entwicklung von Roboterarmen. Ford habe mit Produktentwicklung den turnaround geschafft. Weitere Beispiele sind ein starker Teamaufbau beim TWI (1,7 Mio. Personen, größes Programm), lean healthcare, eduscrum, die Entwicklung des street scooters, die relativ einfach gehaltenen Beatmungsgeräte von Viessmann in der Pandemie ab 2020 oder der BioNTech-Impfstoff Comirnaty.
Ein schönes Zitat zu Lean und Scrum
Es wird festgestellt, dass Scrum-Prinzipien universell sind. Die Methode an sich ist nicht das Allheilmittel für alle, allen gemeinsam ist aber immer, dass es Ziele gibt, die erreicht werden möchten. Lean Thinking wird zitiert: „Lean ist >Verschwendung vermeiden, ohne den Kunden zu frustrieren<. Agil ist Lean mit Feedback.“
Am Schluss kommen noch ein kleiner schmuckloser Werbeblock und eine Ankündigung: Wir haben quasi Jubiläum, es ist unsere 50. Veranstaltung, und noch dazu sind 12 Personen zugegen, der Zoom-Bildschirm ist voll. Bevor alle aus der Veranstaltung gehen, sagt ein Silberrücken zum anderen: „Y, ich brauch‘ noch mal deine Telefonnummer...“ Der Angesprochene mit schelmischem Schmunzeln: „Ich hab‘ dich angerufen, aber du hast mich gleich weggedrückt…“ Mit einem herzlichen Lachen der übrigen Teilnehmenden endet diese Jubiläumsveranstaltung.
Die Sammlung aller eingebrachten Themen im Überblick:
Die Literaturliste zum Nachlesen und Hineinschmökern in den Weihnachtsferien:
Call for Papers ScrumDay 2021: https://www.teamworkblog.de/2021/12/wir-suchen-vortrage-fur-den-scrum-day.html
https://bobemiliani.com/the-back-story-improvement/
Beitrag von Christiaan Verwijs. Sehr lesenswert: https://medium.com/the-liberators/what-makes-scrum-teams-effective-7ca9f56a82c7
https://www.teamworkblog.de/2021/12/bei-scrum-geht-es-um-das-schlieen-von.html
Owning the Sky with Agile. Saab baut mit Scrum Flugzeuge: https://www.scruminc.com/wp-content/uploads/2015/09/Release-version_Owning-the-Sky-with-Agile.pdf
TWI-Programm als Beispiel für den Erfolg der Scrum-Master-Tätigkeit: https://de.wikipedia.org/wiki/Training_Within_Industry
Lean Healthcare: https://www.teamworkblog.de/2021/02/scrum-in-healthcare-agilitat-im.html
https://www.dropbox.com/s/e8u9tm2alj4y6dj/Zusteller%20sind%20ver%C3%A4rgert%20%C3%BCber%20die%20neuen%20StreetScooter%20der%20Deutschen%20Post.mp4?dl=0
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Wir wünschen allen einen guten Start in ein neues Jahr, das Euch Gesundheit, Glück und neue Lachfältchen schenken möge!
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