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Lean Coffee Frankfurt/Karlsruhe, Nachschau zum Termin 23

Die agile Szene trifft sich in verschiedenen Stammtischen und Meetups. Hier ist ein Bericht vom Lean Coffee Frankfurt/Karlsruhe bzw. Karlsruhe Frankfurt. Unsere Gastgeberin Doris Weißgerber hat die Session zusammengefasst.

Es ist gut, wenn sich die agiles Szene untereinander vernetzt und sich gegenseitig hilft. Dazu dient dieses Lean Coffee, deren Mitglieder sich Dienstagsmorgens von 8-9 Uhr trifft. Wer dazu kommen möchte, darf sich gern in einer der entsprechenden Xing-Gruppe anmelden:

Photo by Nathan Dumlao on Unsplash

Beim 23. Lean Coffee in unserem Joint Venture waren die Gäste – wahrscheinlich wetterbedingt –müde und spürbar weniger lebhaft als sonst. Dieses Mal beehrte uns „Thomas Anders“ auf dem Scrumlr-Board, und nicht nur das: Wir wurden dank einem Teilnehmer, der wohl OBS installiert hatte, um Zoom auszubooten, auch kurz mit der passenden Musik aus den 80ern beschallt. Mit unmerklich entsetztem Unterton: „Dieter Bohlen?“ - „Das ist doch Modern Talking…“ Immerhin grinsten jetzt so einige der Gäste. Wir durften auch wieder einen neuen Gast begrüßen, der leider vorzeitig gehen musste und auch Probleme mit seiner Internetverbindung hatte. Vielleicht sehen wir ihn ein (thomas-)andermal wieder in unserem Lean Coffee?!? Doch nun zu den Diskussionen.

Kann man langfristig agil arbeiten?

Wer sich jetzt wundert, dass der Bildschirmabdruck etwas anderes sagt: Wir haben aufgrund eines zeitlichen Engpasses der Themengeberin des ersten Themas spontan die ersten beiden Themen getauscht, wir sind da trotz festgezurrten Lean Coffee-Formates ganz schön agil… (quasi Catalysts 😉)
Erste Stichworte sind: Sich (durch eine neue Arbeitsweise) wieder neu kennenlernen, man müsse gucken, welche Ängste Menschen „da oben in der Höhe“ haben (hier war sicherlich das vielgerühmte und -gebashte mittlere Management angesprochen); gemeinsam mit dem Projektleiter für Abwechslung im Arbeitsalltag sorgen. Apropos bashing: Zum wiederholten Male gab es freundschaftlichen Zoff zwischen Schweizern und Leuten vom Bodensee (vielleicht schon an diesem Punkt, vielleicht etwas später), als die Redereihenfolge nicht eingehalten wurde. Das Plenum lauschte dem „Zweikampf“ und befeuerte ihn mit Gelächter.

Ein Teilnehmer wandte ein, dass agil arbeiten u. a. bedeute, immer zu reisen, flexibel zu sein, während zuhause alles liegenbliebe, es fiel die schöne Metapher vom „Entgiften von einem Projekt“, es gebe typische Symptome, die zeigten, dass der aktuelle Lebensstil auf die Gesundheit schlage. Ein Einwand lautete, dass dies auch auf andere Arbeitsformen zutreffe (was der Schreiberling dieses Artikels bestätigen kann, man denke nur an klassische Unternehmensberatungen). Vielleicht dachte der Teilnehmer bereits an skalierte „agile“ Unternehmungen mit dem häufig anzutreffenden externen Druck und den externen Zielvorgaben und den extern gesetzten Meilensteinen… Als Nachfolgekommentar wurde von anderer Seite eingeworfen, dass laut Scrum ein Team seinen eigenen Flow finden soll, eine bestimmte Geschwindigkeit, die es auch längerfristig halten kann, ohne kaputtzugehen. Hier gäbe es die Möglichkeit, mit einer Prüfung einzusteigen: Ist das Team zu langsam oder zu schnell für seine Fähigkeiten?, um das Thema „Gesundheit“ in den Fokus zu bekommen.

Ein Teilnehmer, der sogar in einem Projekt oder Programm mit ziemlich hohem externem Druck arbeitet, konnte die paradiesischen Zustände berichten, dass sie sich 10% der Zeit für das Kennenlernen von Tools und eigene Weiterbildung hätten herausnehmen können, 10 weitere Prozent fürs Stakeholdermanagement, der Rest Umsetzung. (Ich muss noch mal nachfragen, wie er das geschafft hat!)

Ein weiterer Gast brachte die Metapher „Sprint“ aus dem Sport mit in die Diskussion (ungenannte Quellen wissen von einer Leistungssportvergangenheit): Wenn man trainiert und besser werden möchte, muss man sich immer wieder seine Zeit nehmen für entsprechende Ruhepausen. (Es geht sogar die Legende, dass sich Muskeln wieder selbst auffressen, wenn zu viel trainiert wird, man also „übertrainiert“ ist, aber dies war dann zu weit vom Fokus der Diskussion entfernt und ist nur ein verwässernder Nachtrag). Die Zyklisierung, so der Teilnehmer, komme meist zu kurz, und es gebe einen „kontinuierlichen Aufstieg der Überlastung“.

Darf man Retros ohne backlogfähige Maßnahmen durchführen?

Lächelnd gegebene Antwort des ersten Diskussionsteilnehmers: „Ja.“ (Längere Pause, dann leichtes Lachen in der Runde und ein paar Worte). Diese Prägnanz wünscht man sich von so manchem Meeting…

Laut einem Teilnehmer ist alles backlogfähig, sofern nicht ableitbar ist, wer betroffen ist. Ein anderer Gast erwiderte, dass ihn das Wort „backlogfähig“ irritiert habe, da eine Retrospektive ja im geschlossenen, geschützten Raum stattfinde, sozusagen „top secret“. (Für Maßnahmen wie „wir setzen einen Teamchat zum besseren Austausch auf“ sicherlich unkritisch, wohingegen Punkte wie „Mitarbeiterin x und Mitarbeiter y aus demselben Team hacken sich gegenseitig die Augen aus“ eher in ein geschütztes Impediment-Backlog gehören…)

Ein Teilnehmer berichtete von einer beneidenswert guten Retrospektive auf beiden Seiten (Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Moderation), in der ein Thema aufkam, aber direkt in der Veranstaltung schon gelöst wurde. Die Themengeberin argumentierte in Richtung Erhöhung des gegenseitigen Verständnisses im Team und Verbesserung des Teamaustauschs durch die „Programmpunkte“ in der Retrospektive selbst statt einer Maßnahme, die man im Nachgang umsetzen kann. Es wurde gesagt, dass es zwar nicht die Regel sein sollte, ohne ein konkretes Ergebnis aus einer Retrospektive zu gehen, aber „mal“ ginge es wohl schon.

Jemand erinnerte noch einmal an etwas, das einem Scrum Master oder Agile Coach natürlich bekannt ist: Die Retrospektive ist Zeit für das Team - wenn das Team gut ist (sprich, die Chance erkennt und eigeninitiativ Verbesserungen für sich sucht). Es wurde hervorgehoben, dass die Verschriftlichung der Ergebnisse die Relevanz der Veranstaltung und des Erarbeiteten zeige.

Mit welchen Methoden fördert Ihr die Kreativität in Teams?

Zunächst einmal ritten wir – gerne getan in unseren Kreisen – auf den unterstützenden Tools herum, genannt wurden Conceptboard (Sitz in Leipzig, daher gute Datensicherheit) mit Grundfunktionalitäten sowie die breiter aufgestellten, aber krakenartig alle Daten aufsaugenden Konkurrenten Mural und Miro, die, so das Plenum, kreativeres Arbeiten ermöglichten.

Tipps lauteten, dem Team Zeit zu geben, kreativ zu sein; Links zu verschicken und das Team Dinge selbst ausprobieren zu lassen (Behauptung: In skalierten Umfeldern klappt das aufgrund des ständigen Zeitdrucks nicht). Ein Teilnehmer differenzierte, dass Zeit für die Entwicklung von Kreativität extrem wichtig sei (hier liegt das Sprichwort „Zeit ist Geld“ nahe, Zeit als kostbares Gut, von dem man aber leider nie genug hat), aber auch eine timebox hilfreich sein könne (da sie das Bewusstsein fördert, für ein Kreativ-Thema keine 5 Jahre Zeit zu haben), weiterhin hätten Fragen geholfen: fiese Fragen, freundliche Fragen, à la „was ist jetzt und in 5 Jahren?“, „Stell dir vor, alles ist gegen die Wand gefahren - was haben wir gemacht?“ Diese Fragen, so der Teilnehmer, triggerten andere als die üblichen Gedanken im Gehirn.

Dankenswerterweise erinnerte uns jemand aus der Runde daran, dass Tools nur verschriftlichen, ein unterstützendes Werkzeug darstellen, dass aber Kreativität eine ureigene menschliche Fähigkeit sei, die, wie so vieles, unterschiedlich verteilt sei. Es wurde betont, dass man in Kreativprozessen klar machen müsse, dass kein Gedanke falsch sei. Ein anderer Teionehmer berichtete, dass ihm breakout sessions helfen würden, in „Gruppen“ von teilweise lediglich zwei Leuten, damit keine große Diskussion mit zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aufbricht und stattdessen auf das Thema fokussiert werden kann.

Als Schlagworte für Techniken wurden „Morphologie“ („Ich hab‘ ‘nen Burger und lass‘ Fleisch weg, was hab‘ ich dann?“) und „Brainstorming“ genannt, letzteres als einfache Technik, die aber den Nachteil habe, dass sich passive Leute zurückzögen. Hier empfiehlt sich für den ersten Schritt das Gegenmittel „stilles Brainstorming“, damit nicht die lauten Personen die Veranstaltung „kapern“: Jede/r schreibt die eigenen Ideen auf und stellt sie nachher in einer timebox vor.

Erwähnt wurde auch die Liberating Structure „TRIZ“ (der Name rief zunächst Verwirrung bei einigen hervor; während der Veranstaltung wurde Wikipedia angeworfen, um die Historie dieser Methode herauszufinden: https://de.wikipedia.org/wiki/TRIZ ). Typische Fragen aus diesem Kontext sind: „Was muss ich tun, damit der nächste Sprint danebengeht?“ Diese Art der Fragestellung fördert die eigene Erkenntnis, beispielsweise, dass ggf. gewisse ungünstige Verhaltensweisen, die über TRIZ erarbeitet werden, im Team bereits erkennbar sind (und dadurch bewusst gestoppt werden können).
Das war’s dann für diesen Dienstag auch schon. Die letzten 10 Minuten waren so blöd angebrochen, dass wir nach kurzer Abstimmung die restliche Zeit für offenen Austausch nutzten und diejenigen mit einem „harten Anschlag“ die Veranstaltung zeitig verlassen konnten, ohne etwas zu verpassen (außer unserem netten Schnack natürlich).

Wie immer freuen wir uns schon auf unseren nächsten Lean Coffee, und da er wie für Lean Coffees üblich schon um 8 Uhr startet, gibt’s kommende Woche auch kein Hitzefrei! (Vielleicht mal einen Eiskaffee am Morgen ausprobieren? Brrr…)

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