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Warum Dienstleistungen immer teurer werden

Wenn die Kosten im öffentlichen Sektor (z.B. Bildung, Gesundheitswesen, Kultur) steigen, ist eine bekannte wirtschaftsliberale Antwort: Kürzen, Sparen und Abbau von Leistungen. Denn man nimmt an, dass die Kosten von zu vielen Angeboten und Leistungen kommen. Vielleicht aber gibt es auch eine andere Erklärung.

Die Fabrik und das Streichquartett

Foto: Larisa Birta (unsplash)

Überlegen Sie bitte, wie sich die Produktivität von Fabriken und von Musiker:innen in den letzten 100 Jahren verändert haben? Wie viele Personen brauchte man damals, um ein Auto zu bauen und wie viele braucht man heute? Wie viele Personen brauchte man damals, um ein Streichquartett aufzuführen und wie viele braucht man heute?

In dem Bereich, in dem wir Dinge maschinell herstellen können, haben wir große Fortschritte bei der Produktivität gemacht. Doch bei Dienstleistungen dauert es damals wie heute genauso lang. Z.B. um ein Musikstück aufzuführen. Und auch die Ausbildung der Musiker:innen braucht seine Zeit.

Die Kostenkrankheit

Mit diesem Beispiel beschrieb der Ökonom William Jack Baumol im Jahr 1967 ein Phänomen in der Mikroökonomie. Es gibt Branchen, die im Hinblick auf Produktivität sehr fortschrittlich sind. Und es gibt Branchen, in denen sich wenig rationalisieren lässt. Das sind vor allem Branchen wie das Gesundheitswesen, Bildung oder Kunst, also Dienstleistungen, die von anderen Menschen erbracht werden (müssen).

Gleichzeitig ist es so, dass die Löhne über alle Branchen hinweg angehoben werden müssen. Sonst würden die Arbeitgeber:innen im Dienstleistungsbereich keine Mitarbeiter:innen mehr finden.

Baumol beschreibt dieses Phänomen als Kostenkrankheit. Sie führt dazu, dass wir einen immer größer werdenden Anteil unserer privaten oder öffentlichen Mittel für Dienstleistungen aufbringen müssen.

Die Baumolsche Kostenkrankheit wurde in vielen weiteren wissenschaftlichen Artikeln untersucht. Eine kurze Suche bei Google Scholar bringt eine lange Trefferliste. 

Wenn ich das richtig überblicke, wird die Kostenkrankheit mehrfach von anderen Ökonomen bestätigt, aber man streitet sich über den Grad der Auswirkungen.

  • Eine Musikgruppe kann zwar nicht groß rationalisieren. Aber es könnte wegen gestiegener Qualität die Eintrittspreise mit Recht erhöhen. Es könnte seine Stücke aufnehmen und verkaufen. Das führt auch zu weiteren Einnahmen. 
  • Ein anderer Artikel weist daraufhin, dass man bestimmte Leistungen in Produkte umwandeln könnte. Früher haben wir den Schuhmacher für seine Fähgkeit bezahlt, Schuhe zu machen. Heute kaufen wir ein Paar Schuhe.
  • Ich habe einen Artikel gefunden, der für den Bereich des Gesundheitswesens darauf hinweist, dass die Löhne von Ärzten (in Deutschland, Frankreich und UK) inflationsbereinigt kaum gestiegen sind. Medizinische Leistungen sind dagegen viel gefragter als früher. Allerdings kann man hier nicht wie bei Autos die einzelnen "Werkstücke" zählen oder gut abgrenzen.

Im Zuge der Digitalisierung von Dienstleistungen werden wir bestimmt noch mehr über die Kostenkrankheit lernen. Warum ist es wichtig, dass wir in diesem Blog über die Kostenkrankheit schreiben?

Von Kosten zu Wert und Qualität

Viele Teams, die wir ausbilden, erbringen Dienstleistungen. Die einzelnen Mitglieder müssen sich nicht nur wegen schlechter Planung für die Kosten einer Produktentwicklung rechtfertigen. Verwaltung, Medien, Schulen, Krankenhäuser oder IT-Dienstleister stehen unter Pauschalverdacht, zu viel Geld zu verdienen. Reflexartig Löhne und Leistungen zu kürzen hätte aber sehr schlechte Folgen:

  • Menschen in der Verwaltung wären anfälliger für Korruption. In der Lokalpolitik setzen sich die Leute durch, die sich ohnehin gut um sich selbst kümmern können. Was ist mit den Bedürfnissen von Menschen ohne Lobby?
  • Wenn Lokalzeitungen schließen, gibt es weniger Kontrolle von politischen Ämtern und weniger Wettbewerb um die besten Konzepte.
  • Wenn die Qualität in Lehre und Ausbildung sinkt, finden Arbeitgeber:innen keine guten Fachkräfte mehr. Mangelnde Medienkompetenz und geringe politsche Bildung sind eine Freude für Demagogen.
  • Was passiert, wenn sich Krankenhäuser an möglichen Erlösen statt am Patientenwohl orientieren müssen, um zu überleben?
  • Was ist die Folge, wenn bei IT-Sicherheit gespart werden muss?

Die Ausbildung von Expertise braucht Zeit und Erfahrungen. Das sollte uns etwas wert sein.

Im Gegensatz zur Produktion von Gütern findet bei Dienstleistungen Produktion und Benutzung gleichzeitig statt. Das bedeutet, dass Dienstleister mit ihren Kunden kommunizieren können. Wir können also herausfinden, was den Kunden wichtig und wertvoll ist. Hier können wir ansetzen und die Qualität erhöhen. Hier können wir ansetzen und überlegen, was mit der Expertise noch alles möglich ist.


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