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Wer liest, hat mehr vom Buch #5: Kreativität

Welche Bücher waren oder sind für mich und für meine Arbeit hilfreich, prägend und wichtig? Diesmal eine kommentierte, ungeordnete Bücherliste* über Kreativität./1/ Genau jenem wichtigen Handwerk, das sich lernen lässt. Auch wenn uns das in unseren Ausbildungs- und Arbeits-Vollzugsanstalten seltsamer- und tragischerweise oft verwehrt wird. Kümmern wir uns also - wieder einmal - selbst darum.

* non-affiliate.



Tharp, Twyla: The Creative Habit. Learn it and use it for Life. New York, 2003.

Gerade hierzulande neigen wir ja dazu, an das Genie zu glauben. Daran, dass Kreativität mindestens ein seltenes Talent ist, angeboren oder irgendwie genetisch veranlagt. Wenigen Auserwählten vorbehalten.

Klar, ein gewisses Maß an Talent dürfte bei kreativem Wirken hilfreich sein. Ansonsten ist an der Mär vom kreativen Genie wenig dran. Kreativität ist eben wie so vieles - sorry Leute - schlicht: Üben und Tun. Also: Arbeit. Und zwar in allererster Linie Arbeit an und mit sich selbst. Und das gewohnheitsmäßig, also regelmäßig und immer. Zumindest ist es das, was alle ernstzunehmenden Experten auf diesem Gebiet sagen. So Twyla Tharp, ihres Zeichens Choreographin. Es gibt also keinen Zweifel: Wer es mit der Kreativität wirklich ernst meint und meinen will, wird sie als Teil des (beruflichen und/oder privaten) Lebens akzeptieren und betrachten. Und entsprechende Gewohnheiten in den Tag einbringen. Das, was Profis halt so machen.

Twyla Tharp erklärt, was das heißt. Wie dirigiert man den kreativen Prozess? Worauf kommt es genau an? Wie fabriziert man (gute und schlechte) Ergebnisse? Was trägt man mit der eigenen Persönlichkeit, den eigenen Fähigkeiten, dem eigenen Charakter und der eigenen Geschichte und den eigenen Prägungen selbst zu Kreativität bei? Welche Rolle spielen dabei auch andere oder die äußeren Umständen? Wie kann man sie beeinflussen? Wieviel sollte man sie beeinflussen?

Durch viele prägnante authentische Beispiele aus ihrer eigenen kreativen Arbeit, also mit wirklich gekonntem, kurzweiligem Storytelling öffnet Tharp die Tür zur Werkzeugkammer ihrer Kreativarbeit und vermittelt dadurch ein unglaubliches theoretisches, praktisches  und auch sehr konkretes, praktikables Grundwissen. Zwischendurch regt Twyla Tharp die Leser in Übungen dazu an, sich die Zusammenhänge klarzuwerden und die eigenen "kreativen" Wurzeln zu erkennen. Das alles geschieht spielerisch, in einem plaudernden, aber sehr verbindlichen Ton. So findet man beim Lesen - fast beiläufig - selbst eine kreative Struktur und beginnt sie zu etablieren (wenn man mag). Zumindest kommt man diesem Schritt sehr sehr nahe. Das Ziel dieser kreativen Reise, die natürlich auch von Rückschlägen und Fehlern geprägt ist (was so sein muss): Schlussendlich seine eigenen kreativen Wurzeln, das kreative Potenzial, das in einem selbst steckt, so zu verwirklichen, wie man das möchte. Man könnte auch sagen: Das tun und auch tun können, was man tun will. So gut es eben geht.

Twyla Tharps ernsthafte, fokkusierte Art und ihr unbeirrbarer professioneller Ansatz, Kreativität zu leben ist sehr beeindruckend und auch inspirierend. Vor allem auch deshalb, weil in jeder Zeile deutlich wird, dass Kreativität etwas ist, das Menschsein ausmacht. Es kommen also nicht nur jene Leser auf ihre Kosten, die Kreativität als Job verstehen wollen oder müssen (sind wir das nicht irgendwie alle?). Sie finden hier eine riesengroße inspirierende Sammlung an hilfreichen Dingen. Doch auch all jene, die etwas bewegen und gestalten möchten, am besten gemeinsam mit anderen, bekommen Orientierung, wie man das durch kreative Arbeit an sich selbst besser verwirklichen kann. Auf die eigene Art kreativ zu gestalten und damit die eigene Freiheit zu leben und gleichzeitig mit anderen Gutes und Schönes zu schaffen und zu verwirklichen - darum geht es. 

Ein inspirierendes Buch für alle, die verstehen wollen und Anleitung suchen, wie sie ernsthaft, professionell kreativ, also mehr nach ihrer Natur und Vorstellungen arbeiten und leben können.

Rustler, Florian: Denkwerkzeuge der Kreativität und Innovation. Das kleine Handbuch der Innovationsmethoden. St. Gallen u.a., 2016.


Dieses Buch gehört zum "Inner Circle" meiner Arbeits-Handbibliothek. Es ist eine umfassende und anregende Sammlung von ganz konkret anzuwendenden Kreativ-Werkzeugen und -Tools. Für die Vorbereitung von Workshops jeder Art natürlich Gold wert. Das Buch beginnt mit einem allgemein gefassten einführenden Abschnitt zur Kreativität und zum kreativen Prozess an sich. Danach geht's schnell los mit der Sammlung dessen, was Rustler "Denkwerkzeuge" nennt, also die Formate und Tools zur kreativen Arbeit, die man alleine für sich oder eben auch im Team anwenden kann. Die werden so kurz wie nötig erläutert (Wofür? Wie?), sodass man sie dann schnell ein- und umsetzen kann.

Mit dem übersichtlich gestalteten vorangestellten "theoretischen" Teil über ergibt sich so ein wirklich gelungenes kompaktes Büchlein zum Thema Kreativität. Praktisch auch: Das Buch hat das Format von Moleskine-Büchern, ist also von Umfang und Format so gestaltet, dass man es gut mitnehmen kann, um es immer parat zu haben. Empfehlung also vor allem für alle Praktiker! /3/


Pressfield, Steven: The War of Art. Break Through the Blocks and Win Your Inner Creative Battles. New York, 2003.


Wir alle arbeiten kreativ. Jeden Tag. Leben heißt kreativ sein. Sich also den größeren und kleineren alltäglichen Herausforderungen zu stellen und sie so gut es geht zu meistern. Dazu nutzen wir uns bekannte und eingeübte Lösungsroutinen. Kurz also: Unsere Erfahrung. Oder, wenn die uns nicht weiterbringt, kombinieren wir das uns Bekannte, um die Probleme zu lösen, vor welchen wir gerade stehen. Für uns alle ist das ein natürlicher Vorgang, mit dem wir ganz natürlich unseren Alltag bewältigen.

Wenn es nicht anders geht. Wenn es darum geht, alltägliche Herausforderungen zu "meistern", benutzen wir nämlich eine energiesparendere Strategie: Wir vermeiden, wir gehen ihnen aus dem Weg, wir verschließen die Augen vor ihnen. (Zu diesem Thema gibt es übrigens ein gutes Buch von Margaret Heffernan: Wilful Blindness. Why we ignore the obvious. Doch das nur nebenbei.)

Manche Menschen können das aber nicht. Entweder, weil sie aus professionellen oder persönlichen Gründen kreativ sein müssen oder dies unbedingt sein wollen, einen kreativen Drang spüren. Diese Professionellen, Künstler oder Entwickler oder Wissenschaftler, können also nicht aus. Das gilt natürlich genauso für Laien-Künstler oder -Entwickler oder -Wissenschaftler. Sie haben die Möglichkeit eben gerade nicht, (kreative) Probleme, Hindernisse oder Rätsel zu umschiffen, geschweige denn zu ignorieren. Für sie ist das keine Option. Das ist natürlich selten angenehmen, meistens ist es ein sogar sehr anstrengender Prozess, ein Kampf. Kunst eben.

Steven Pressfield, selbst Autor und also Mitglied der professionellen kreativen Zunft, vergleicht diesen kunstvollen Prozess in diesem Buch deshalb sogar mit Krieg./4/ Pressfield beschreibt den kreativen Prozess als einen harten, steinigen Weg, der vor allem daraus besteht, die eigenen inneren Widerstände zu überwinden. Es geht darum, Tatsachen anzuerkennen. Dass das kreative Problem überhaupt besteht und solange bleiben wird, bis man es selbst löst. Dass man das kann. Und darf. Dass niemand einem die Aufgabe abnehmen wird. Dass man alles selbst mitbringt, um das Problem lösen, das Kunstwerk erschaffen, die Lösung finden und umsetzen zu können. Dass man dabei allein sein wird, auf sich selbst gestellt. Dass man dafür professionelle Routinen und Handwerkszeug braucht. Dass man Durchhaltewillen und einen langen Atem braucht. Dass es Rückschläge geben wird. Dass man sich davon nicht abhalten oder entmutigen lassen darf. Und dass das alles zusammen Gelingen und Erfolg ausmacht.

Dies ist ein kleines lyrisches, ein sehr hilfreiches und Mut machendes Buch für alle, die gelegentlich Gefahr laufen, an ihrem eigenen (kreativen) Wirken zu (ver) zweifeln. Für alle, die wissen wollen, worum es beim Kreativsein wirklich geht und wie man das macht. Nämlich (Achtung, Spoiler Alarm!): 1. Radikale Akzeptanz: Es ist wie es ist. Du bist wie du bist. Es ist gut so. Es für einen guten Zweck. 2. Arschbacken zusammenkneifen! 3. Tun! 4. Hinfallen. 5. Aufstehen. 6. Gehe zu 1 und beginne von Vorn.


(Link führt zur deutschen Ausgabe: Die Kunst des kreativen Denkens. Assoziation, Inspiration, Idee)

Die beiden Autorinnen und so genannte Kreativitätsprofis, Dorte Nielsen und Sara Thurber, haben ein schön gestaltetes, umfassendes und praktikables Buch zum Thema verfasst. Der rote Faden der Autorinnen ist, dass es bei kreativer Arbeit selten bis nie darum geht, etwas wirklich Neues zu generieren. Es geht vielmehr darum, Vorhandenes und Bekanntes neu zu kombinieren, also neue Verbindungen herzustellen. Dorte Nielsen und Sarah Thurber untermauern diese Aussage vor allem im ersten Teil des Buches mit vielen (leicht lesbaren und nicht übermäßig in die tiefen gehenden) Verweisen auf die aktuelle und historische Kreativitätsforschung. Für Praktiker beginnt das Buch dadurch etwas schleppend. Die können ja aber dann einfach zur zweiten Hälfte des Buches blättern. Dort finden sie nämlich viele gute praktische Anleitungen, wie man einzelne Menschen und Teams dazu anleiten kann, kreativere Ansätze zu finden.

Denn das ist die schöne Quintessenz des Buches, die freilich auch die von manchen doch auch gerne gepflegte geheimnisvolle Aura der Kreativität entzaubert: Kreativität ist ein Handwerk mit gewissen Fähig- und Fertigkeiten, die jeder von uns lernen kann: "You can't use up creativity. The more you use the more you have." (Maya Angelou)



Eigentlich wollte ich niemals Bücher empfehlen, die die Mutter aller spießigen und abtörnenden Wörter im Titel tragen. Und sei es nur im Untertitel. Eigentlich. Ich merke aber: Es geht nicht. Denn dieses Buch gehört zu meinem wichtigsten kreativen Handwerkszeug, das ich sehr oft für die Workshopvorbereitung benutze. Das liegt vor allem an der umfangreichen und sehr praxisorientierten Sammlung an Kreativitätstechniken, die für als Moderatoren sehr hilfreich sind.

Michael Luther ordnet in seinem Buch die Formate den einzelnen Kreativphasen zu. Es handelt sich hier also um eine sehr gute und praktikable Zusammenstellung von Möglichkeiten, wie man Menschen anleiten kann, kreativ zu guten und besseren Lösungen zu kommen. Die Formate sind so ausführlich wie nötig und so kurz wie möglich (Danke!) beschrieben. Das Wann, Wofür, Für-Wen, Wie-anleiten usw. wird also leicht, verständlich und in der nötigen Tiefe beschrieben. Und vor allem so, dass man gleich damit loslegen kann. Sehr praktisch.

Zusätzlich zu dem sehr hohen praktischen Nutzen bekommen all jene, die in die Moderation allgemein und die "kreative Moderation" natürlich sowieso einsteigen, eine gute Einführung in die Hintergründe der Kreativarbeit mit Gruppen und Teams. Was ist Kreativität, was ist ein Kreativprozess, welche Phasen werden durchlaufen werden, warum und wozu etc. All das legt Michael Luther in der gebotenen Ausführlichkeit und der freundlichen Beschränkung auf das Notwendigste dar.

Fazit: Für alle Praktiker, Moderatoren, Facilitoren, Scrum Master etc. eine gute Grundlagenlektüre und vor allem inspirierende Quelle für Workshops und die Teamarbeit./3/


Patton, Jeff: User Story Mapping- Nutzerbedürfnisse besser verstehen als Schlüssel für erfolgreiche Produkte. München, 2015.


Kreativarbeit allgemein, die Phasen, Techniken und Herausforderungen etc. schön und gut. Nur: Wie etabliere ich eine kreative Routine im Team? In agilen Kreisen hat sich hierfür nicht zufällig User Story Mapping etabliert. Jeff Patton ist der Vater dieser Vorgehensweise, die er in diesem Buch auf angenehmste und beste Weise erklärt.

Ein Muss. Standardwerk halt. Und zwar zu Recht.

(Übrigens: Sehr sehenswert ist der Vortrag "Velocity City" von Jeff Patton auf dem Scrumday 2017 hier auf Youtube.)



Kleon, Austin: Steal Like an Artist. 10 Things Nobody Told You About Being Creative. New York, 2012.
Und: Kleon, Austin: Show Your Work! 10 Ways to Share Your Creativity and Get Discovered. New York, 2014.


Austin Kleons kleine, sehr schön gestaltete und ausgestattete Bücher beinhalten nichts, was man in anderen Büchern über Kreativität so oder so ähnlich nicht auch finden würde. Sie machen nur so viel Spaß. Sie sind schön leichtgängig und sprühen nur so vor kreativer Energie. Hat sich seinerzeit sofort auf mich übertragen. Und sie enthalten wirklich viele praktische Tipps, wie man selbst zielgerichtet kreativ werden kann.

Besonders gut aber gefällt mir, dass Austin Kleon auf seine sympathische, offene Art mit dem Mythos aufräumt, Kreativität sei ein angeborenes Talent und nur jenen vorbehalten, die das kreative Gen hätten. Im Gegenteil: Kreativität ist intuitiv, einfach zu erlernen und auszubauen! Mit ein paar kreativen Tricks und Einstiegshilfen und - ja - auch Routinen geht es sofort los. Im Grunde geht es doch nur darum, die Dinge neu zu kombinieren. Das können wir alle.

Fazit: Praxisorientiert, inspirierend, authentisch, macht Mut und Lust. Für alle, die sich mit dem Thema auf leichte Weise beginnen zu beschäftigen, sich vielleicht fragen, wie, sich trauen wolle und wissen wollen, wie und wo beginnen.



Kreativität ist nicht nur eine individuelle oder gemeinschaftliche, also z.B. Teamkompetenz. Sie ist nicht nur Prozess mit entsprechenden Phasen. Sie ist nicht nur Psychologie oder vorhandene oder nicht vorhandene Rahmenbedingungen. Kreativität ist vor allem immer auch: Wertschöpfung. Denn Menschen entwickeln für sich und andere etwas, was ihnen das aus welchen Gründen auch immer wichtig erscheint. Insofern ist Kreativität auch immer wertschöpfendes Business (und zwar faszinierenderweise stets unabhängig vom Ergebnis). Und so hat Kreativität neben den gerade genannten noch hunderte andere Facetten: Theorie, Technik, Kultur, Kulturgeschichte, Industrie, Gesellschaft, Politik...

Ein in diesem Sinne besonders prägnantes, weitverbreitetes und für "Normalsterbliche" relativ leicht zugängliches kreatives Feld ist die Musik. Wer sich also beispielhaft, sehr umfassend bis ins Detail ein Bild davon machen möchte, was Kreativität ganz konkret in den vielen Bereichen heißt, erfordert und bewirkt, und wer natürlich Spaß und Interesse an Musik allgemein hat, der sei besonders auf dieses wirklich tolle Buch von David Byrne (Talking Heads) hingewiesen (das ich nicht müde werde, zu empfehlen).


(Link zur deutschen Ausgabe: Wie Musik wirkt.)


Selten wird es so deutlich gesagt. Aber kreativ zu arbeiten, auch Lösungen kreativ zu erarbeiten ist etwas völlig anderes als innerhalb von stabilen Routinen etwas zu erledigen, also das zu tun, was einem gesagt wird. Auf Letzteres werden wir hierzulande allgemein gut vorbereitet, das lernen wir in Schule und sonstigen Ausbildungsstätten und auch an unserem Arbeitsplatz zu genüge. Dagegen wird auf die Vermittlung von kreativem Hintergrundwissen und Grundfertigkeiten bei Einzelnen und im Team nach wie vor quasi vollständig verzichtet. Auf breiter Front überlassen wir es dem Zufall und dem Einsatz Einzelner, dass sich Kompetenzen auf diesem Gebiet entwickeln.

Das ist gefährlich und tragisch, weil kreatives Wirken und die damit verbundenen schnell umgesetzten Innovationen heute schon über Erfolg oder Misserfolg im Wettbewerb entscheiden. Schwer vorstellbar, dass das morgen anders sein wird. Es bleibt also zu hoffen, dass wir alle möglichst schnell erkennen, dass wir unserer in der Vergangenheit sehr erfolgreichen und auf stabile routinierte Sicherheit bedachte Command-and-Control-Kultur möglichst bald den Gegenpol der kreativen, zielgerichteten Spielkultur hinzuzufügen haben. Und es dann auch tun. Indem wir die Art, wie ausbilden, unterrichten, miteinandern umgehen und uns organisieren schnell anpassen. (Man darf ja wohl träumen.)
In der Zwischenzeit bleibt uns, alleine gelassen von Politik und Wirtschaft, wieder einmal nichts anderes übrig, als uns selbst darum zu kümmern, uns also zu bilden und uns so gut es geht eben vorbereiten auf kreative Situationen.

Zwei der besten Bücher hierfür sind diese Bücher von Frank Berzbach. Sie fokussieren sich auf die Selbstmanagement-Fähigkeiten Einzelner, die mit kreativen Situationen umzugehen haben. Berzbach spricht zwar kreative Professionals an, also all jene, die in Kreativjobs arbeiten (z.B. eben Designer). Da hierzulande aber die Produktionsjobs immer weniger werden, wir uns also mehr und mehr in einer Service- oder Dienstleistungswelt bewegen, wir also immer mehr situative, individuelle Lösungen zu erarbeiten haben, lässt sich das, was Berzbach zu sagen hat, mühelos auf viele, vermutlich sogar die meisten Arbeits-Welten übertragen (von Lebenswelten ganz zu schweigen): Manager, Ingenieure, Entwickler, Projektleiter, Admins, Callcenter-Agents, Mediziner, Lehrer, Verwaltungsangestellte und und und...

Der Hauptunterschied zur routinierten Erledigung von Aufgaben nach Handbuch und Standards besteht darin, dass bei kreativen Prozessen selten gute oder gar zutreffende Vorhersagen zu den Ergebnissen möglich sind. In vielerlei Hinsicht ist ungewiss, was herauskommen wird. Das ist für unsere ängstliche, sicherheitsverliebte Natur keine gute Nachricht und eine andere psychische Herausforderung als in Situationen, in welchen wir nach Input-X-Output-Y-Mustern sicher Vorhersagen treffen können. Also brauchen wir andere Möglichkeiten. Welche? Das erfahren sie in Frank Berzbachs Büchern. Tipp: Lesen Sie zuerst "Die Kunst ein kreatives Leben zu führen".



Taleb, Nassim Nicholas: Antifragilität. Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen. München, 2013.


Warum war und ist Kreativität für uns und unser Leben so wichtig? Weil es die absolute Sicherheit, die wir uns wünschen, nicht gibt. Wir werden uns (aller Datensammelwut und Algorithmen zum Trotz) immer in mehr oder weniger überraschenden Situationen wiederfinden, in welchen wir mit unseren bisherigen Mitteln nicht mehr weiterkommen werden und wir ergebnisoffen versuchen müssen, möglichst das Beste herauszuholen, was möglich ist. Dann werden wir gefordert sein, unsere Erfahrungen, Annahmen, unsere Mittel und unser Können kreativ einzusetzen, um die Herausforderungen zu meistern.

Warum aber können wir eigentlich nicht die Sicherheit haben? Der Finanzmathematiker, Zufallsforscher und Erfolgsautor (Der Schwarze Schwan) Nassim Taleb erklärt es uns in seinem faszinierenden, kulturkritischen und herausfordernden Hauptwerk "Antifragilität". Dabei zeigt Taleb auch auf, weshalb es in vielen Situationen mindestens unsinnig, oft sogar gefährlich schädlich sein kann, auf stabile oder resiliente Sicherheit zu bauen. Diese Systeme sind nämlich fragil: Bei entsprechend starken Erschütterungen brechen sie unweigerlich zusammen oder auseinander. Stattdessen macht oft mehr Sinn, auf lernende Systeme zu bauen, die an den Herausforderungen nicht nur nicht zerbrechen oder nur wachsen. Sondern sogar besser werden. Hier ist die Verbindung zu Kreativität und kreativen Systemen. Denn antifragile Systeme sind kreative Systeme.

Sicherlich muss man Talebs stellenweise - äh - provokanten Stil nicht gut finden oder auch allen seinen Thesen zustimmen. Anregend sind seine Gedanken aber allemal.

Warnung: Das ist keine klassische Bettlektüre.

Robert, Francois; Robert, Jean: Gesichter. Hildesheim 2014.


Dieses Buch eignet sich schon eher als - witzige, also anregende - Bettlektüre. Oder auch zum Üben. Nämlich die Welt mit anderen Augen zu sehen. Eine sehr schöne und witzige Zusammenstellung von Bildern von den beiden Fotokünstlern Francois Robert und Jean Robert. 



Viel Spaß und Erkenntnisse beim Lesen und Kreativsein!



Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de

 


Anmerkungen und Links

  • /1/ Rodehack, Edgar: Blogpost-Serie: Wer liest, hat mehr vom Buch
  • /2/ Weitere Literaturlisten auf Teamworkblog finden sich hier.
  • /3/ Übrigens noch ein Tipp für die Vorbereitung von Moderationen. Ein Eldorado für alle, die Workshops vorbereiten, und längst schon kein Geheimtipp mehr sind die "Liberating Structures": www.liberatingstructures.de
  • /4/ Auch wenn ich soweit nicht gehen würde wie Pressfield, der diese Analogie vielleicht auch der Pointe wegen benutzt. Der Titel seines Buches gleicht schon verdammt einem fernöstlichen Klassiker über Kriegskunst. Wie auch immer...

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