Vielleicht werde ich alt, aber das Wort “Innovation” als Ziel ergibt für mich keinen Sinn. Ich vermute auch, dass wir uns damit das falsche Ziel setzen. Wollen wir nicht lieber nach Kundenmehrwert suchen? Denn “Innovationen” sind Lorbeeren, die wir erst im Nachhinein ernten.
“Innovation” einen hohen Stellenwert zu verschreiben ist nicht neu. Seit Jahren werden wir mit Büchern, Artikeln oder Vorträgen regelrecht bombardiert, die uns aufmuntern und belehren innovativ zu sein. Jeder Politiker und jeder neue Vorstandsvorsitzende greift auf das Wort Innovation zurück, um seine Position in den Augen der Wähler und Shareholder zu sichern.
Die Gegenposition - dass Innovation an sich ein Irrtum ist - ist ebenfalls uralt. Unter den alten Griechen lebte Diogenes in einer Tonne und trank aus seinen Händen, weil “Innovationen” wie ein Haus bzw. eine Tasse ihm als überflüssige Luxusartikel erschienen. Deshalb versuche ich heute nichts Neues zu erzählen. Ich bin auch nicht zynisch, sondern ich möchte eine Meinung zu einer Neuorientierung der Diskussion äußern.
Innovationen zu suchen ist ein verlockendes, aber falsches Ziel. Einfach gesagt, “neu” ist nicht gleich gut. Die Anwendung von Flugzeugen als fliegende Bomben war 2001 innovativ. Weitere Beispiele sind kaum notwendig. Die Anzahl von Patenten, die später mehr Geld als die ca. 1000 € Eintragungsgebühr einbringen, liegt bei unter 1%. Manche Firmen wie Uber haben “Zerstörung” sogar als Teil ihrer Firmenethik aufgeschrieben. Mit der Untergrabung von Taxi-Löhnen und dem unregulierten Verhalten mancher Fahrer hat Uber sicherlich Einiges zerstört. Außer billigere Preise ist für mich hier allerdings kein Mehrwert zu erkennen.
Wenn nicht nach Innovationen, wonach sollten wir streben? Die Antwort ist einfacher als man denkt: Lösungen zu Problemen, Mehrwert für den Kunden, Verbesserungen, Vereinfachungen, Effizienzsteigerung und einiges mehr. Jony Ives, der Chief Designer von Apple, einer Firma, die für seinen Innovationsgeist bekannt ist, bringt es auf dem Punkt: “‘Different’ and ‘new’ is relatively easy. Doing something that’s genuinely better is very hard.” Viele Produktideen, wofür Apple berühmt geworden ist, wurden schon von anderen zunächst auf dem Markt gebracht. MP3-Spieler gab es vor dem iPod. Smart Phones gab es mit dem Symbian und Windows CE vor dem iPhone. Tablet-PCs von Microsoft gab es schon vor dem iPad. Kunden kaufen etwas, weil es “better” ist oder weil es für sie ein Problem löst. Nur wenige kaufen nur weil es neu ist.
Bei einem Kunden, einem Startup im Finanzsektor, sagte mir ein Bereichsleiter: “Unsere Kunden erwarten von uns Innovationen”. “Nein,” konterte ich, “Ihre Kunden erwarten, dass ihr Geld sicher ist, und dass sie mit Ihrer Software schnell und einfach bezahlen können.” Dieser Innovationstreiber hat ein historisches Vorbild. Im neunten Jahrhundert tauschten jüdische Geschäftsmänner Schuldscheine untereinander aus. Dieser Handel wurde zu einer Art Papiergeld. Für sie gab es keine Sehnsucht nach Innovation, sondern sie mussten bloß ein Problem lösen: Wie kann man eine größere Menge an Wert über größere Distanzen weitergeben, ohne große Säcke mit Münzen zu transportieren? /1/
Eine Teilschuld für die sinnlose Suche nach Innovation stammt aus dem Buch “Innovator’s Dilemma”./2/ In dem Buch von 1997 wollte Clayton Christiansen analysieren, warum etablierte Firmen mit neuen Technologien trotz ihrer guten Marktposition nicht mithalten können. Teilweise durch Selbstgefälligkeit missdeuten etablierte Firmen die zerstörerische Kraft von Innovationen. Wobei das Buch korrekt das Phänomen identifiziert, zieht es aber eine fehlerhafte Schlussfolgerung, dass eine Firma per se nach Innovationen streben muss. Nur die Innovationen, die einen Mehrwert verschaffen, setzen sich dauerhaft am Markt durch. Wir sehen den innovativen Charakter einer Neuigkeit erst hinterher.
Viele Menschen meinen sicherlich höhere Qualität und bessere Lösungen, wenn sie von Innovation sprechen. Aber, das Wort lenkt ab. Eine Produktentwicklung, die sich nach Kundenwert orientiert, bringt Produkte auf den Markt, die ein Potenzial sowohl für den Kunden als auch für den Produzenten bieten. Als Firmenmission ist dies auch nachhaltig. Dagegen enthält die Suche nach “neu” nur per Zufall ein solches Potenzial.
Darüber hinaus stiftet das Streben nach Kundenmehrwert für das Arbeitsleben eine klaren Sinn. Es untermauert den Team-Geist, und es mindert die Last der Überstunden. Wenn es uns gelingt, ein Problem für den Kunden durch etwas Innovatives zu lösen, können wir vielleicht noch besonders stolz sein.
/1/ http://www.jewishhistory.org/how-the-jews-invented-checks/ und https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_banking Etwas genauer: Unser Wort “Bank” stammt von den öffentlichen Sitzbänken, auf denen die jüdischen Darlehensgeber in der frühen Renaissance in Italien gesessen hatten. Landbesitz war ihnen verboten. Das Geld haben sie an Bauern verliehen, die Kredite für das Saatgut am Anfang der Saison brauchten.
Banken und Münzgeld gab es allerdings viel früher. Beweise existieren für das Aufzeichnen von Handelssummen durch eine Art “Geldanstalt” schon im 4. Jahrtausend v. Chr., für Darlehen schon im 2. Jahrtausend v. Chr. in Babylon (ebenfalls für die Ernte) und für das Einzahlen von Geld auf Konten bei den Griechen und Römern.
Die Chinesen haben im 11. Jahrhundert das Papiergeld erfunden, um den Handel auf der Seidenstraße zu erleichtern. Möglicherweise sind sie dem Beispiel der jüdischen Schuldscheine gefolgt.
/2/ Clayton M. Christensen, The Innovator’s Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail, Paperback, The Management of Innovation and Change Series (Boston: Harvard Business Review Press, 2016).
“Innovation” einen hohen Stellenwert zu verschreiben ist nicht neu. Seit Jahren werden wir mit Büchern, Artikeln oder Vorträgen regelrecht bombardiert, die uns aufmuntern und belehren innovativ zu sein. Jeder Politiker und jeder neue Vorstandsvorsitzende greift auf das Wort Innovation zurück, um seine Position in den Augen der Wähler und Shareholder zu sichern.
Die Gegenposition - dass Innovation an sich ein Irrtum ist - ist ebenfalls uralt. Unter den alten Griechen lebte Diogenes in einer Tonne und trank aus seinen Händen, weil “Innovationen” wie ein Haus bzw. eine Tasse ihm als überflüssige Luxusartikel erschienen. Deshalb versuche ich heute nichts Neues zu erzählen. Ich bin auch nicht zynisch, sondern ich möchte eine Meinung zu einer Neuorientierung der Diskussion äußern.
Innovationen zu suchen ist ein verlockendes, aber falsches Ziel. Einfach gesagt, “neu” ist nicht gleich gut. Die Anwendung von Flugzeugen als fliegende Bomben war 2001 innovativ. Weitere Beispiele sind kaum notwendig. Die Anzahl von Patenten, die später mehr Geld als die ca. 1000 € Eintragungsgebühr einbringen, liegt bei unter 1%. Manche Firmen wie Uber haben “Zerstörung” sogar als Teil ihrer Firmenethik aufgeschrieben. Mit der Untergrabung von Taxi-Löhnen und dem unregulierten Verhalten mancher Fahrer hat Uber sicherlich Einiges zerstört. Außer billigere Preise ist für mich hier allerdings kein Mehrwert zu erkennen.
Wenn nicht nach Innovationen, wonach sollten wir streben? Die Antwort ist einfacher als man denkt: Lösungen zu Problemen, Mehrwert für den Kunden, Verbesserungen, Vereinfachungen, Effizienzsteigerung und einiges mehr. Jony Ives, der Chief Designer von Apple, einer Firma, die für seinen Innovationsgeist bekannt ist, bringt es auf dem Punkt: “‘Different’ and ‘new’ is relatively easy. Doing something that’s genuinely better is very hard.” Viele Produktideen, wofür Apple berühmt geworden ist, wurden schon von anderen zunächst auf dem Markt gebracht. MP3-Spieler gab es vor dem iPod. Smart Phones gab es mit dem Symbian und Windows CE vor dem iPhone. Tablet-PCs von Microsoft gab es schon vor dem iPad. Kunden kaufen etwas, weil es “better” ist oder weil es für sie ein Problem löst. Nur wenige kaufen nur weil es neu ist.
Bei einem Kunden, einem Startup im Finanzsektor, sagte mir ein Bereichsleiter: “Unsere Kunden erwarten von uns Innovationen”. “Nein,” konterte ich, “Ihre Kunden erwarten, dass ihr Geld sicher ist, und dass sie mit Ihrer Software schnell und einfach bezahlen können.” Dieser Innovationstreiber hat ein historisches Vorbild. Im neunten Jahrhundert tauschten jüdische Geschäftsmänner Schuldscheine untereinander aus. Dieser Handel wurde zu einer Art Papiergeld. Für sie gab es keine Sehnsucht nach Innovation, sondern sie mussten bloß ein Problem lösen: Wie kann man eine größere Menge an Wert über größere Distanzen weitergeben, ohne große Säcke mit Münzen zu transportieren? /1/
Eine Teilschuld für die sinnlose Suche nach Innovation stammt aus dem Buch “Innovator’s Dilemma”./2/ In dem Buch von 1997 wollte Clayton Christiansen analysieren, warum etablierte Firmen mit neuen Technologien trotz ihrer guten Marktposition nicht mithalten können. Teilweise durch Selbstgefälligkeit missdeuten etablierte Firmen die zerstörerische Kraft von Innovationen. Wobei das Buch korrekt das Phänomen identifiziert, zieht es aber eine fehlerhafte Schlussfolgerung, dass eine Firma per se nach Innovationen streben muss. Nur die Innovationen, die einen Mehrwert verschaffen, setzen sich dauerhaft am Markt durch. Wir sehen den innovativen Charakter einer Neuigkeit erst hinterher.
Viele Menschen meinen sicherlich höhere Qualität und bessere Lösungen, wenn sie von Innovation sprechen. Aber, das Wort lenkt ab. Eine Produktentwicklung, die sich nach Kundenwert orientiert, bringt Produkte auf den Markt, die ein Potenzial sowohl für den Kunden als auch für den Produzenten bieten. Als Firmenmission ist dies auch nachhaltig. Dagegen enthält die Suche nach “neu” nur per Zufall ein solches Potenzial.
Darüber hinaus stiftet das Streben nach Kundenmehrwert für das Arbeitsleben eine klaren Sinn. Es untermauert den Team-Geist, und es mindert die Last der Überstunden. Wenn es uns gelingt, ein Problem für den Kunden durch etwas Innovatives zu lösen, können wir vielleicht noch besonders stolz sein.
Anmerkungen
/1/ http://www.jewishhistory.org/how-the-jews-invented-checks/ und https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_banking Etwas genauer: Unser Wort “Bank” stammt von den öffentlichen Sitzbänken, auf denen die jüdischen Darlehensgeber in der frühen Renaissance in Italien gesessen hatten. Landbesitz war ihnen verboten. Das Geld haben sie an Bauern verliehen, die Kredite für das Saatgut am Anfang der Saison brauchten.
Banken und Münzgeld gab es allerdings viel früher. Beweise existieren für das Aufzeichnen von Handelssummen durch eine Art “Geldanstalt” schon im 4. Jahrtausend v. Chr., für Darlehen schon im 2. Jahrtausend v. Chr. in Babylon (ebenfalls für die Ernte) und für das Einzahlen von Geld auf Konten bei den Griechen und Römern.
Die Chinesen haben im 11. Jahrhundert das Papiergeld erfunden, um den Handel auf der Seidenstraße zu erleichtern. Möglicherweise sind sie dem Beispiel der jüdischen Schuldscheine gefolgt.
/2/ Clayton M. Christensen, The Innovator’s Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail, Paperback, The Management of Innovation and Change Series (Boston: Harvard Business Review Press, 2016).
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