Direkt zum Hauptbereich

Ein Product Owner ist ein Feedbacksucher

Bei Scrum gibt es die Rolle eines Produktverantwortlichen, den s.g. Product Owner. Der Scrum Guide beschreibt ihn als "Wertmaximierer". Für die praktische Arbeit in einem Scrum Team bedeutet das, dass der Product Owner Ideen sammelt. Er bereitet sie so gut vor, dass das Development Team mit der Umsetzung starten kann. Die Liste der Ideen (das Product Backlog) kann schnell anwachsen. Wie kann der Product Owner Arbeitsschwerpunkte setzen? Das Spiel Mastermind zeigt uns, wie wir hierzu hiflreiche Fragen entwickeln können.

Produktentwicklung bedeutet Unsicherheit

Wenn wir neue Produkte entwickeln, hoffen wir, dass uns die Kunden das Produkt aus den Händen reißen. Die wichtigste Frage ist daher, ob es einen Markt für das neue Produkt gibt. Don Reinertsen und Preston Smith (und wahrscheinlich auch andere) schreiben, dass viele Firmen technische Risiken in ihren Projekten gut managen. Aber bei Marktrisiken tun sie sich schwer:

"Compared with how they handle technical risk, most companies do a poor job of managing market risk. In part, this occurs because market risk is less objective and quantifiable than technical risk." /1, S. 226/

Bei Lean Startup und bei Scrum kümmern sich die Teams immer sehr stark um die Frage, ob der Kunde für das Produkt bezahlt, ob er es benutzt und wie er es benutzt. Lean Startup und Scrum sind Feedbackmaschinen. Wir nutzen solch einen Arbeitsrahmen, um zu lernen, was der Kunde wirklich will. Wir können zufällig lernen oder unser Lernen steuern. Ein guter Product Owner steuert aktiv das Lernen.

Wer keine spezifischen Fragen stellt, braucht (viel) länger

Am Logikspiel Mastermind von Mordechai Meirovitz kann man sehen, wie sich die Art der Fragen auf die Time-to-market auswirken /2/. Bei diesem Spiel muss der Spieler eine geheime Farbkombination raten, z. B. 4 aus 6 Farben. Wenn man eine Kombination eingibt, bekommt man eine Antwort mit weißen und schwarzen Punkten. Weiß bedeutet, eine der Farben ist richtig, aber am falschen Platz. Schwarz bedeutet, richtige Farbe am richtigen Platz. Allerdings weiß man nicht, auf welche Farbe sich ein Punkt bezieht.

Sehen wir uns zwei Beispiele an.

Fall 1: unspezifische Fragen (raten)

In der folgenden Abbildung sehen wir einen Spielverlauf. Der Spieler startet mit einer beliebigen Kombination aus vier unterschiedlichen Farben, hier gelb-rot-blau-weiß. Die Maschine antwortet mit zwei weißen Punkten. Zwei der vier Farben kommen in der richtigen Kombination vor. Durch Austauschen einzelner Farben oder Vertauschen von Plätzen findet der Spieler schließlich in 10 Zügen die richtige Kombination heraus.

Abb. 1: Die Antworten auf die Fragen sind nicht eindeutig. Man braucht viele Züge bis zur Lösung.

Fall 2: spezifische Fragen

Im nächsten Fall muss eine neue Kombination erraten werden. Wer den o. g. Wikipedia-Artikel gelesen hat, stösst auf eine Spielstrategie von Donald Knuth. Diese Strategie kommt einem erstmal sonderbar vor. Herr Knuth startet mit zwei doppelten Farben, obwohl jede Farbe nur einmal vorkommt.

Aber diese Strategie erhöht unseren Informationswert.

Abb. 2: Konkrete Fragen - konkrete Antworten

Die erste Frage an den Markt ist gelb-gelb-rot-rot. Wir bekommen einen schwarzen Punkt. Damit wissen wir, dass gelb oder rot richtig sind und dass entweder gelb auf der linken Seite sein muss oder rot auf der rechten Seite.

In der nächsten Frage testen wir, ob vielleicht gelb richtig ist und ob gelb innen oder außen ist. Zudem testen wir, ob blau vorkommt. Wir bekommen zwei weiße Punkte. Blau und gelb kommen beide vor. Und wir wissen nun, dass gelb sich außen befinden muss, also an Position 1, und blau innen (Position 2 oder 3).

Ist blau nun links oder rechts? Eine gute Frage. Und wir testen, ob weiß vorkommt. Antwort ist ein weißer Punkt. Weiß kann nicht vorkommen, denn sonst hätten wir zwei weiße Punkte bekommen. Blau ist nicht rechts, sondern auf der linken Seite. Blau kann also nur auf Pos. 2 sein.

Es gibt nur 6 mögliche Farben, von denen wir vier getestet haben. Neben gelb und blau können nur noch grün und schwarz auf der rechten Seite sein. Wir bekommen zwei scharze und zwei weiße Punkte. Wir tauschen grün und schwarz und haben damit bereits nach 5 Zügen die richtige Kombination erraten.

Wie formuliert man gute Fragen?

In beiden Fällen gehen die Spieler geplant vor. Nur ist der Spieler im zweiten Fall schneller am Ziel, weil er weiß, wie er den Informationswert erhöht. In einem anderen Buch schreibt Reinertsen etwas zur Informationstheorie. Der Informationswert ist dann am höchsten, wenn die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns bei 50% liegt /3, S. 71/.

Interessant ist es, Spieler beim Spiel zu beobachten. Wenn ich ihnen die Ratetechnik zeige, fallen sie trotzdem nach 2 Zügen in das alte Muster zurück. Sie wollen unbedingt richtig liegen. Aber so verlieren sie wertvolle Zeit. Ein guter PO testet keine Dinge, die er schon weiß.

Ein guter PO sucht Feedback, indem er wenige Fragen stellt, die eine klare Antwort geben. Entweder bestätigen die Fragen etwas oder widerlegen etwas. Beides ist wertvolles Feedback.

So setzt ein PO Arbeitsschwerpunkte: er überlegt sich, welches Feedback ihm hilft. Zusammen mit dem Development Team setzt er Sprint- oder Releaseziele, die helfen, an dieses Feedback zu gelangen. Wenn das Feedback da ist, wird nachjustiert.

Ihr wollt mehr über Scrum wissen? Wir haben eine Übersichtsseite zu Scrum, über die man sich in die wichtigsten Artikel in diesem Blog einlesen kann.

Anmerkungen und Verweise

  • /1/ Smith, Preston G. ; Reinertsen, Donald G.: Developing Products in Half the Time : New Rules, New Tools. New York: Van Nostrand Reinhold, 1998. 
  • /2/ Dirk Laebisch hat eine Softwareversion des Spiels veröffentlicht, siehe http://colorcode.laebisch.com/
  • /3/ Reinertsen, Donald: Managing the Design Factory. New York: Simon and Schuster, 1997.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg: 20 Reflexionsfragen für moderne Organisationen

Transparenz ist das Herzstück erfolgreicher Teams. Sie schafft Vertrauen und fördert Zusammenarbeit. Wenn alle Zugang zu den notwendigen Informationen haben, können sie fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dies führt zu höherer Effizienz, schnelleren Entscheidungsprozessen und besseren Arbeitsergebnissen. Transparenz ist mehr als ein Schlagwort – es gilt, sie greifbar zu machen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln und es in die Praxis umzusetzen. Wie das gelingt und welche Vorteile es für Euer Team und Eure Organisation bringt, erkunden wir im Folgenden.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Zu viel zu tun? Planen Sie Ihre ideale Woche

Wir hören immer wieder, dass Teams zu viel zu tun haben. Aber woher wissen wir eigentlich, was zu viel genau bedeutet? Hier ist ein ungewöhnlicher Tipp: Treffen Sie Annahmen über eine gute Menge. Planen Sie eine ideale Woche.

Wenn dein Team die Anforderungen blockt: 12 Tipps für Product Owner*innen

Liebe Product Owners, wir müssen reden. Schon wieder eine Anforderung, die im Nirgendwo landet? Zeit, das Ganze anders anzugehen. Ihr kennt das Spiel: Anforderungen sind ausgearbeitet, und doch läuft es im Team holprig. Was fehlt? Oft sind es Klarheit, realistische Erwartungen und ein bisschen Fingerspitzengefühl. Doch keine Sorge! Mit ein paar praktischen Tipps könnt ihr Missverständnisse vermeiden, Blockaden umgehen und den Entwicklungsprozess so richtig in Fahrt bringen – natürlich in Zusammenarbeit mit eurem Scrum Master. Hier sind zwölf Regeln, die euch helfen, das Team auf Kurs zu bringen und das Chaos in produktive Zusammenarbeit zu verwandeln. Wir zeigen dabei auch, wo der Scrum Master unterstützen kann, damit ihr eure Rolle als Product Owner noch besser erfüllen könnt. Häufige Stolperfallen: Warum Anforderungen oft scheitern Bevor wir ins Eingemachte gehen, kurz zu den typischen Stolperfallen. „Klare Anforderungen“? Klingt gut, scheitert aber sehr häufig an der realen Praxis. ...

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.

Pragmatisch oder nur “Quick and Dirty”?

“Wir müssen aber pragmatisch vorgehen”, drängt der Kollege. Hm… Im Wörterbuch finde ich für “pragmatisch” in etwa: sachbezogenes, praktisches Handeln. Klingt gut. Leider zeigt sich in meinen Erfahrungen, dass pragmatisch für viele doch eher “quick and dirty” bedeutet. Es soll schnell fertig werden. Aber auf welche oder wessen Kosten? Wo ist die Grenze? Warum steht “praktisch” im Konflikt mit einem langfristigen “Nützlich”? Muss das sein?

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

5 Gründe, warum wir jetzt über die Zukunft nachdenken sollten

Wer hätte im Jahr 2019 gedacht, dass so viele Menschen heute im Home-Office arbeiten können und dass die Firma trotzdem funktioniert? Wer hätte damals gedacht, dass wir heute wie selbstverständlich KI-Werkzeuge nutzen können? Ich will mich nicht der Aussage anschließen, dass sich die Welt immer schneller dreht. Es ist egal, wie schnell sie sich dreht, weil es sich immer lohnt, über die Zukunft nachzudenken. Und das muss nicht kompliziert sein.

Meetings in Scrum Teams: Mehr Fokus, weniger Kontextwechsel

  Meetings in Scrum Teams: Mehr Fokus, weniger Kontextwechsel  „Wir arbeiten agil“ – das bedeutet für viele von uns: Daily Stand-up am Morgen, dann Refinement, dazwischen eine Demovorbereitung, später noch ein kurzes Scrum of Scrums (SoS) und am Nachmittag ein Community-Meeting. Gleichzeitig soll ich an meinen Sprint-Aufgaben arbeiten. Wenn dir diese Situation bekannt vorkommt, les dir gerne meinen Beitrag an. Hier sprechen wir über den Einfluss von häufigen Kontextwechseln auf die Arbeit in agilen Teams und zeigen Best Practices, um diese Wechsel zu minimieren. Viel Spaß & Let’s grow, Michi.  Foto von Matt Bero auf Unsplash