Agilität nimmt für sich in Anspruch, Unternehmen (allgemein Organisationen) besser zu machen. Es soll sie befähigen, bessere Produkte besser herzustellen. Aber wie kann man das überprüfen? Wie kann man die Güte einer Organisation und/oder ihrer Produkte messen? Wie lautet die agile Definition of Good?
Als ich zu Beginn letzter Woche diesen Artikel schrieb, ahnte ich nicht, wie schnell er aktuell werden würde. Mit dem Sieg Donald Trumps am 9. November hat eine Zeitenwende stattgefunden. Zeitenwenden treten ein, wenn lange existierende, unterirdische Strömungen plötzlich an die Oberfläche brechen und eine Zäsur markieren. Die Vorstellung der Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg von einer ununterbrochenen Zunahme von Wohlstand, Bildung, demokratischer Teilhabe und starker Zivilgesellschaft ist nicht mehr gültig. Mit Trump haben die Kräfte der sozialen Gleichberechtigung verloren gegen die der nationalen, rassistischen, religiösen und sexuellen Diskriminierung. Die Kräfte sozialer Wohlfahrt gegen die der individualistischen Verrohung. Letztlich die Demokratie gegen manipulative Präpotenz. Diejenigen Teile der agilen Bewegung, auf die Teamworkblog sich beruft, werden sich klar zur Verteidigung der bedrohten humanen Werte bekennen müssen.
„Das hast du aber gut gemacht“, sagt jemand zu Ihnen, und Sie fühlen Stolz. Was meint der andere aber genau? „Dein Tool funktioniert aber gut.“ „Dein Essen hat aber gut geschmeckt.“ „Die Predigt am Sonntag war gut.“ „Das war eine richtig gute Tat von dir.“ „Verdienst du gut?“ – So viele Anwendungen des Wortes „gut“ und so viele verschiedene (merken Sie’s?) Bedeutungen.
Meine These ist: Es gibt hinter diesen Nuancen zwei, drei große Bedeutungscluster, die zu unterscheiden sich lohnt. Denn es geht ja um ein wichtiges Thema: worin besteht das Grundanliegen von Agilität?
Die technische oder handwerkliche DoG
Die eine Definition of Good bezieht sich auf die Frage: „Funktioniert das Produkt so, dass es seinen Zweck erfüllt?“ /1/ Einer der Vorteile dieser Definition liegt in ihrer einfachen Überprüfbarkeit: Es ist leicht festzustellen. Es ist meistens messbar (d. h. es gibt dann auch eine Definition of Better). Es gibt kaum Kontroversen.
Ein gutes Messer ist eines, das gut schneidet. Und das auch so in der Hand liegt, dass es öfter Dinge schneidet als die eigenen Finger. Es gibt Metriken („Kraft pro Schnitt“ oder so ähnlich). Zwei Menschen, die das gleiche Messer beurteilen sollen, werden sich selten völlig über diese Frage zerstreiten.
Ein gutes Flugzeug ist eines, das schnell und verbrauchsarm fliegt und nicht so sehr oft abstürzt. Eine gute Software ist eine, die die Zwecke der Anwender erfüllt (der Beurteilungsmaßstab muss oft sehr komplex erarbeitet werden, aber die Definition ist doch im wesentlichen die gleiche wie beim Messer und beim Flugzeug).
Diese und ähnliche Definitionen bezeichnet man als technische oder handwerkliche Definition of Good (tDoG).
Das Streben nach tDoG begeistert uns Menschen, denn wir sind die geborenen Problemlöser (schwäbisch: Tüftler). Gib einem Menschen ein Kreuzworträtsel zu lösen oder ein Sudoku oder eine mathematische Aufgabe oder ein Puzzle oder einen Zauberwürfel oder ein Rätsel oder einen Kriminalfall oder eine Programmieraufgabe – und du hast (endlich!) für ein paar Minuten oder Stunden oder Tage deine Ruhe. All diese Herausforderungen kitzeln unser Streben nach handwerklicher Perfektion und finden uns ihm machtlos ausgeliefert. Mensch rennt nach dem Problem, wie ein Hund den geworfenen Ball apportiert.
Teams können sich um diese Arten von Aufgaben herum gruppieren. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren agiler Teams besteht eben darin, dass der Product Owner ihnen eine Vision vorgibt, aber in Form einer offenen Problemstellung: Lauft los! Findet Lösungen dafür! Experimentiert! Darin seid ihr völlig frei! – Und in den Organisationen, in denen diese Botschaften ernst gemeint sind, laufen die Teams auch wirklich los. Sie wetteifern darin, supergute Lösungen zu finden. Und sie finden sie in erstaunlich kurzer Zeit. Der Teamgeist entwickelt sich. Die Produktivität steigt exponentiell. Die Teams fangen an, für ihre Aufgabe zu brennen.
Wer wollte da noch ein Haar in der Suppe finden? Wer wollte in dieser Welt des ungebremsten fun sich als Spielverderber outen?
Neben der tDoG gibt es jedoch noch eine andere Definition of Good, ich nenne sie mal die soziale (sDoG). Sie besagt, dass ein Produkt auch einen sozialen Nutzen stiften soll. Die Feststellung des sozialen Nutzens ist überhaupt nicht einfach. Vermutlich ist sie unmöglich. Die Frage löst dauernd Kontroversen aus. Man kann diese Kontroversen auch nicht durch Messen entscheiden, weil der soziale Maßstab gerade der Kern der Auseinandersetzungen ist.
Und diese Maßstäbe ändern sich im geschichtlichen Verlauf. Eine gute Atombombe ist eine, die möglichst viele Menschen tötet (tDoG). Die Forscher, die bis 1945 im Manhattan Project die amerikanische Atombombe entwickelten, waren davon überzeugt, auch einem sozialen Nutzen zu dienen: dem Niederringen der verbrecherischen Kriegsgegner. Nachdem dieses Ziel erreicht war, wandte sich der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Robert J. Oppenheimer, gegen seine Fortsetzung: der Einsatz der Atombombe als Trumpf im Systemkonflikt mit der Sowjetunion sei unmoralisch und schädlich. Andere sahen in ihr weiterhin einen wichtigen Garanten des Friedens durch Abschreckung.
Es gibt also gute Gründe, die Frage nach der sozialen Definition of Good für nicht-agil zu erklären. Handelt sich die agile Bewegung nicht einen Spaltpilz ein, wenn sie unentscheidbare Fragen zum Gegenstand ihrer Foren machen will?
Aber gibt es diesen Spaltpilz nicht schon? Im Umkreis der agilen Philosophie gibt es Unternehmen, die gute Gründe haben, die Frage nach ihrer sozialen Definition of Good eher ausklammern zu wollen. Google, Amazon, Facebook und Apple gehören nach meiner Wahrnehmung definitiv dazu. (Und der Wunsch, sich diese als Kunden nicht zu verscherzen, ist bei Anbietern agiler Dienstleistungen auch nur zu verständlich.)
Darüber hinaus wachsen aus einem verabsolutierten Effizienzdenken extrem autoritäre und diskriminierende Politikfantasien. Man lese nur einmal die Auslassungen des libertären Trump-Unterstützers Peter Thiel (PayPal-Mitgründer) über die Unvereinbarkeit von Demokratie und Freiheit /2/. Oder die Vorstellungen eines Eric Schmidt (Google) über die systematische Heranbildung williger Politiker im Dienst weltumspannender Monopole.
Die reale Gefahr dieser Ideen geht aber nicht von den weltisolierten und leicht durchgeknallten Eliten aus, die sie entwickeln. Sondern von der Masse derjenigen, die glauben, sich mit ihnen arrangieren zu können.
Vorbemerkung zur Rechten Zeit
Als ich zu Beginn letzter Woche diesen Artikel schrieb, ahnte ich nicht, wie schnell er aktuell werden würde. Mit dem Sieg Donald Trumps am 9. November hat eine Zeitenwende stattgefunden. Zeitenwenden treten ein, wenn lange existierende, unterirdische Strömungen plötzlich an die Oberfläche brechen und eine Zäsur markieren. Die Vorstellung der Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg von einer ununterbrochenen Zunahme von Wohlstand, Bildung, demokratischer Teilhabe und starker Zivilgesellschaft ist nicht mehr gültig. Mit Trump haben die Kräfte der sozialen Gleichberechtigung verloren gegen die der nationalen, rassistischen, religiösen und sexuellen Diskriminierung. Die Kräfte sozialer Wohlfahrt gegen die der individualistischen Verrohung. Letztlich die Demokratie gegen manipulative Präpotenz. Diejenigen Teile der agilen Bewegung, auf die Teamworkblog sich beruft, werden sich klar zur Verteidigung der bedrohten humanen Werte bekennen müssen.
Du meine Güten
„Das hast du aber gut gemacht“, sagt jemand zu Ihnen, und Sie fühlen Stolz. Was meint der andere aber genau? „Dein Tool funktioniert aber gut.“ „Dein Essen hat aber gut geschmeckt.“ „Die Predigt am Sonntag war gut.“ „Das war eine richtig gute Tat von dir.“ „Verdienst du gut?“ – So viele Anwendungen des Wortes „gut“ und so viele verschiedene (merken Sie’s?) Bedeutungen.
Meine These ist: Es gibt hinter diesen Nuancen zwei, drei große Bedeutungscluster, die zu unterscheiden sich lohnt. Denn es geht ja um ein wichtiges Thema: worin besteht das Grundanliegen von Agilität?
Die technische oder handwerkliche DoG
Die eine Definition of Good bezieht sich auf die Frage: „Funktioniert das Produkt so, dass es seinen Zweck erfüllt?“ /1/ Einer der Vorteile dieser Definition liegt in ihrer einfachen Überprüfbarkeit: Es ist leicht festzustellen. Es ist meistens messbar (d. h. es gibt dann auch eine Definition of Better). Es gibt kaum Kontroversen.
Ein gutes Messer ist eines, das gut schneidet. Und das auch so in der Hand liegt, dass es öfter Dinge schneidet als die eigenen Finger. Es gibt Metriken („Kraft pro Schnitt“ oder so ähnlich). Zwei Menschen, die das gleiche Messer beurteilen sollen, werden sich selten völlig über diese Frage zerstreiten.
Ein gutes Flugzeug ist eines, das schnell und verbrauchsarm fliegt und nicht so sehr oft abstürzt. Eine gute Software ist eine, die die Zwecke der Anwender erfüllt (der Beurteilungsmaßstab muss oft sehr komplex erarbeitet werden, aber die Definition ist doch im wesentlichen die gleiche wie beim Messer und beim Flugzeug).
Diese und ähnliche Definitionen bezeichnet man als technische oder handwerkliche Definition of Good (tDoG).
Begeisterung
Das Streben nach tDoG begeistert uns Menschen, denn wir sind die geborenen Problemlöser (schwäbisch: Tüftler). Gib einem Menschen ein Kreuzworträtsel zu lösen oder ein Sudoku oder eine mathematische Aufgabe oder ein Puzzle oder einen Zauberwürfel oder ein Rätsel oder einen Kriminalfall oder eine Programmieraufgabe – und du hast (endlich!) für ein paar Minuten oder Stunden oder Tage deine Ruhe. All diese Herausforderungen kitzeln unser Streben nach handwerklicher Perfektion und finden uns ihm machtlos ausgeliefert. Mensch rennt nach dem Problem, wie ein Hund den geworfenen Ball apportiert.
Teams können sich um diese Arten von Aufgaben herum gruppieren. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren agiler Teams besteht eben darin, dass der Product Owner ihnen eine Vision vorgibt, aber in Form einer offenen Problemstellung: Lauft los! Findet Lösungen dafür! Experimentiert! Darin seid ihr völlig frei! – Und in den Organisationen, in denen diese Botschaften ernst gemeint sind, laufen die Teams auch wirklich los. Sie wetteifern darin, supergute Lösungen zu finden. Und sie finden sie in erstaunlich kurzer Zeit. Der Teamgeist entwickelt sich. Die Produktivität steigt exponentiell. Die Teams fangen an, für ihre Aufgabe zu brennen.
Wer wollte da noch ein Haar in der Suppe finden? Wer wollte in dieser Welt des ungebremsten fun sich als Spielverderber outen?
Die sDoG
Neben der tDoG gibt es jedoch noch eine andere Definition of Good, ich nenne sie mal die soziale (sDoG). Sie besagt, dass ein Produkt auch einen sozialen Nutzen stiften soll. Die Feststellung des sozialen Nutzens ist überhaupt nicht einfach. Vermutlich ist sie unmöglich. Die Frage löst dauernd Kontroversen aus. Man kann diese Kontroversen auch nicht durch Messen entscheiden, weil der soziale Maßstab gerade der Kern der Auseinandersetzungen ist.
Und diese Maßstäbe ändern sich im geschichtlichen Verlauf. Eine gute Atombombe ist eine, die möglichst viele Menschen tötet (tDoG). Die Forscher, die bis 1945 im Manhattan Project die amerikanische Atombombe entwickelten, waren davon überzeugt, auch einem sozialen Nutzen zu dienen: dem Niederringen der verbrecherischen Kriegsgegner. Nachdem dieses Ziel erreicht war, wandte sich der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Robert J. Oppenheimer, gegen seine Fortsetzung: der Einsatz der Atombombe als Trumpf im Systemkonflikt mit der Sowjetunion sei unmoralisch und schädlich. Andere sahen in ihr weiterhin einen wichtigen Garanten des Friedens durch Abschreckung.
Die Versuchung moralischen Neutralismus
Es gibt also gute Gründe, die Frage nach der sozialen Definition of Good für nicht-agil zu erklären. Handelt sich die agile Bewegung nicht einen Spaltpilz ein, wenn sie unentscheidbare Fragen zum Gegenstand ihrer Foren machen will?
Aber gibt es diesen Spaltpilz nicht schon? Im Umkreis der agilen Philosophie gibt es Unternehmen, die gute Gründe haben, die Frage nach ihrer sozialen Definition of Good eher ausklammern zu wollen. Google, Amazon, Facebook und Apple gehören nach meiner Wahrnehmung definitiv dazu. (Und der Wunsch, sich diese als Kunden nicht zu verscherzen, ist bei Anbietern agiler Dienstleistungen auch nur zu verständlich.)
Darüber hinaus wachsen aus einem verabsolutierten Effizienzdenken extrem autoritäre und diskriminierende Politikfantasien. Man lese nur einmal die Auslassungen des libertären Trump-Unterstützers Peter Thiel (PayPal-Mitgründer) über die Unvereinbarkeit von Demokratie und Freiheit /2/. Oder die Vorstellungen eines Eric Schmidt (Google) über die systematische Heranbildung williger Politiker im Dienst weltumspannender Monopole.
Die reale Gefahr dieser Ideen geht aber nicht von den weltisolierten und leicht durchgeknallten Eliten aus, die sie entwickeln. Sondern von der Masse derjenigen, die glauben, sich mit ihnen arrangieren zu können.
Anmerkungen
- /1/ „The qualities required to achieve an end“, lautet eine der Definitionen des Wortes „good“ im englischen Merriam-Webster-Wörterbuch. (http://www.merriam-webster.com/dictionary/good).
- /2/ Siehe https://www.cato-unbound.org/2009/04/13/peter-thiel/education-libertarian
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