Das Interesse an agilen Methoden wächst und verbreitet sich wie ein Ölfleck. Aus dem engen Umkreis, in dem die Agilität entstanden ist - die IT-Industrie und hier besonders die Softwareentwicklung - bricht sie aus und macht sich auf in die Welt. Eine Ausnahme macht nach wie vor die öffentliche Verwaltung. Hier ist Agilität so gut wie unbekannt. Das hat seine Gründe. Denn hier ist Phantasie gefragt: Die Übertragung agiler Prinzipien geht nicht ohne gründliches Nachdenken und wird viel Experimentieren erfordern.
Schon diese Beispiele zeigen, dass die Agilisierung von Unternehmen in jeder Branche selbst nach agilen Prinzipien vorgehen muss: durch Hypothesenbildung und Experiment. Es gibt Scrum-Gläubige, die meinen, das agile Manifest und der Scrum-Guide erledigten jede denkbare Frage. Sie stehen dieser Aufgabe der agilen Umgestaltung anderer Branchen genauso im Wege wie die "Technokraten". Die preisen die agilen Methoden als wertneutralen Werkzeugkasten an, aus dem sich die Unternehmen munter bedienen können. Da werden dann unterschiedslos (angeblich) selbstorganisierte Teams mit der Beibehaltung von Zielvereinbarungsgesprächen gemixt.
In der öffentlichen Verwaltung /1/ sind die Herausforderungen besonders groß. Es gibt keine einzige Gemeinde in Deutschland, die sich "agil" nennt. Woran mag das liegen?
Hierzu zwei Überlegungen.
Agile Verhaltensweisen beruhen immer auf Einbeziehung aller "Stakeholder" in die Lösungsfindung von Problemen. Das gestaltet sich schon bei Unternehmen schwierig, obwohl diese ein Eigeninteresse an Kundenfeedback haben. Bei Verwaltungen muss (müsste) der Mangel an direkten Anreizen durch ein höheres Maß an Verantwortungsbewusstsein ausgeglichen werden.
Vielleicht ist es aber auch Teil der "Agilisierung" der Verwaltung, solche Anreize zu schaffen: durch mehr direkte Einflussmöglichkeiten der Einwohner wie z. B. Bürgerhaushalt und Ombudsleute.
Die öffentlichen Verwaltungen haben sich teilweise von der Vorstellung der aktiven Gestaltung des öffentlichen Raums verabschiedet und sich auf Minimalaufgaben zurückgezogen. Die Förderung der Schwachen, die Unterstützung der vielfältigen Gewebe der Zivilgesellschaft gilt als unfein.
Dazu wurde am 11. Februar 2016 in Karlsruhe das Forum Agile Verwaltung aus der Taufe gehoben. Am Anfang waren wir sechs Praktiker aus der Verwaltung (Kommunale und Bundesverwaltung) sowie aus verwaltungsorientierten Dienstleistungsunternehmen. Heute, 29. Februar, sind wir schon ein paar mehr.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Kultur der Agilität in die Verwaltung zu tragen. Dazu wollen wir ein Netzwerk von Praktikern zur praktischen gegenseitigen Unterstützung werden; also ein Internet-Forum, in das man Fragen hineinrufen kann und Antworten erhält. Und ein Forum im klassischen Sinne, ein Marktplatz der Begegnungen, auf dem man auch physisch sich trifft und Erfahrungen und Standpunkte tauscht.
Wer sich dafür interessiert, findet uns unter www.agile-verwaltung.org. Dort findet ihr zum Beispiel einen Bericht über Ängelholm, die "erste agile Kommune Schwedens".
Anmerkungen
/1/ Dazu möchten wir hier nicht nur die Kommunalverwaltung, sondern auch die staatliche und die Kirchenverwaltungen zählen. Also alle Organisationen, die von ihren "Kunden" nicht bezahlt werden, sondern diesen mit Macht ausgestattet gegenübertreten.
Wenn eine Idee ihre Herkunftsnische verlässt, muss sie ihre Gestalt ändern. Als die ersten Fische sich aufmachten, die feste Erde zu erobern, wurden aus ihren Flossen Beine. Später wurden aus den Beinen Flügel und das Ergebnis nannte sich Vogel. Damit war die Dreidimensionalität der Bewegung, die beim Schritt vom Wasser ans Land verloren gegangen war, wieder hergestellt.
Jede Branche braucht ihre eigene Form von Agilität
Die Grundprinzipien der Agilität - schnelles Kundenfeedback und cross-funktionale Teams - sind ohne allzu große Mühe auf einige anderen Industrien übertragbar. Zum Beispiel in allen Branchen, die es mit ständiger Produktentwicklung zu tun haben. Vor allem dann, wenn das fixe Kapital relativ gering ist, wie im Sondermaschinenbau. In anderen Bereichen, wie im Industriebau, ist es hingegen gar nicht so einfach - aber die Hürden sind trotzdem überwindbar.Schon diese Beispiele zeigen, dass die Agilisierung von Unternehmen in jeder Branche selbst nach agilen Prinzipien vorgehen muss: durch Hypothesenbildung und Experiment. Es gibt Scrum-Gläubige, die meinen, das agile Manifest und der Scrum-Guide erledigten jede denkbare Frage. Sie stehen dieser Aufgabe der agilen Umgestaltung anderer Branchen genauso im Wege wie die "Technokraten". Die preisen die agilen Methoden als wertneutralen Werkzeugkasten an, aus dem sich die Unternehmen munter bedienen können. Da werden dann unterschiedslos (angeblich) selbstorganisierte Teams mit der Beibehaltung von Zielvereinbarungsgesprächen gemixt.
In der öffentlichen Verwaltung /1/ sind die Herausforderungen besonders groß. Es gibt keine einzige Gemeinde in Deutschland, die sich "agil" nennt. Woran mag das liegen?
Hierzu zwei Überlegungen.
Einwohner sind keine Kunden
Die "Abnehmer" der Verwaltungsleistungen stehen hierarchisch "unter" den Leistungserbringern. Im Gegensatz zur Wirtschaft, wo der Kunde "König" ist, weil er das Geld hat. Die Einwohner hingegen, die Leistungen von der Kommunalverwaltung erhalten, stehen als "Rechtsunterworfene" der Verwaltung nicht auf Augenhöhe gegenüber. Oft sind sie nicht einmal Bürger und haben keine Stimme bei den örtlichen Wahlen.Agile Verhaltensweisen beruhen immer auf Einbeziehung aller "Stakeholder" in die Lösungsfindung von Problemen. Das gestaltet sich schon bei Unternehmen schwierig, obwohl diese ein Eigeninteresse an Kundenfeedback haben. Bei Verwaltungen muss (müsste) der Mangel an direkten Anreizen durch ein höheres Maß an Verantwortungsbewusstsein ausgeglichen werden.
Vielleicht ist es aber auch Teil der "Agilisierung" der Verwaltung, solche Anreize zu schaffen: durch mehr direkte Einflussmöglichkeiten der Einwohner wie z. B. Bürgerhaushalt und Ombudsleute.
Verwaltungen haben sich selbst entmachtet
Die neoliberale Ideologie, die sich seit Mitte der 1980er Jahre auch in Deutschland stark verbreitet hat, propagiert den "schwachen Staat". Den Vorstellungen der "sozialen Markwirtschaft" und den Theorien der Ordoliberalen um Walter Eucken wurde eine ganz grundsätzliche Absage erteilt: der Markt richtet alles am besten, er bedarf keiner Rahmensetzung und Korrektureingriffe durch den Staat.Die öffentlichen Verwaltungen haben sich teilweise von der Vorstellung der aktiven Gestaltung des öffentlichen Raums verabschiedet und sich auf Minimalaufgaben zurückgezogen. Die Förderung der Schwachen, die Unterstützung der vielfältigen Gewebe der Zivilgesellschaft gilt als unfein.
Aufgaben des "Forums Agile Verwaltung"
Es gibt also viel zu tun. Erfahrungen guter Beispiel müssen gesammelt und ausgewertet werden.Dazu wurde am 11. Februar 2016 in Karlsruhe das Forum Agile Verwaltung aus der Taufe gehoben. Am Anfang waren wir sechs Praktiker aus der Verwaltung (Kommunale und Bundesverwaltung) sowie aus verwaltungsorientierten Dienstleistungsunternehmen. Heute, 29. Februar, sind wir schon ein paar mehr.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Kultur der Agilität in die Verwaltung zu tragen. Dazu wollen wir ein Netzwerk von Praktikern zur praktischen gegenseitigen Unterstützung werden; also ein Internet-Forum, in das man Fragen hineinrufen kann und Antworten erhält. Und ein Forum im klassischen Sinne, ein Marktplatz der Begegnungen, auf dem man auch physisch sich trifft und Erfahrungen und Standpunkte tauscht.
Wer sich dafür interessiert, findet uns unter www.agile-verwaltung.org. Dort findet ihr zum Beispiel einen Bericht über Ängelholm, die "erste agile Kommune Schwedens".
Anmerkungen
/1/ Dazu möchten wir hier nicht nur die Kommunalverwaltung, sondern auch die staatliche und die Kirchenverwaltungen zählen. Also alle Organisationen, die von ihren "Kunden" nicht bezahlt werden, sondern diesen mit Macht ausgestattet gegenübertreten.
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