Es ist immer sehr interessant, in großen Unternehmen etwas über Scrum und Agilität zu erzählen. Die meisten Kollegen sind wirklich sehr neugierig und offen. Was sie wirklich über Scrum denken, ist ziemlich gut an den Fragen zu erkennen, die sie stellen.
Ist das nicht gemein: Seit Jahren versuchen die Governance-Abteilungen in großen Unternehmen standardisierte Prozesse zu etablieren. Kaum tragen ihre Bemühungen Früchte, da kommen die Agilisten daher und fordern (scheinbar) das Gegenteil. :)
Zu Beginn unserer Workshops sammeln wir oft Fragen ein. Die Fragen deuten darauf hin, dass die Teilnehmer Scrum als eine weitere Methode einführen möchten:
Die wichtigste Frage bei Scrum ist deshalb nicht: "Wie halten wir akribisch den Scrum Guide ein?", sondern: "Welche Ergebnisse will der Kunde genau?" Danach erst kommt die Frage: "Wie organisieren wir es, dass der Kunde auch bekommt, was er will?"
Ob wir die Zusammenarbeit nach Scrum, Kanban oder einer anderen Art organisieren, ist zweitrangig. Scrum und Kanban sind "nur" Vorschläge, wie man - auf sehr wirksame und gleichzeitig einfache Art - vorgehen kann. Andere Vorgehensweisen brauchen wahrscheinlich mehr Vorlauf.
So gesehen ergibt die Frage danach, wie Scrum in einer Organisation eingeführt wird, wenig Sinn. Viel wichtiger sind die Frage: "Was will der Kunde?" und: "Auf welche Art können wir das am besten produzieren?"
Edgar und ich (Jan) wollten es genauer wissen und haben es in einem Training getestet. Dazu haben wir eine Übung vom Typ "Remember the future" (http://www.innovationgames.com/remember-the-future/) entwickelt.
In der Übung teilten wir die Teilnehmer in kleine Teams auf, die jeweils eine Nachricht eines Firmengründers erhielten. Es gab aber zwei Versionen dieser Nachricht, rot und grün, mit unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung und entsprechendem Wording (siehe unten). Die Aufgabe war nun, aus dieser Nachricht heraus eine Präsentation zu erstellen, wie sie die Firma ein Jahr später sehen, also, wie das Organigramm aussieht, wie die Zusammenarbeit organisiert ist, welchen Standort die Firma hat und welche Menschen mit welchen Qualifikationen dort arbeiten usw.. Es war also eine konzeptionelle, inhaltliche Gruppenübung.
Wir wollten sehen, inwiefern sich die Präsentationen unterscheiden würden. Unsere Vermutung war, dass es Unterschiede geben würde. Wie stark sie tatsächlich ausfielen, hat uns dann aber doch überrascht.
Die roten Teams bekamen eine Nachricht, in der Führungskräfte als ordnende Hand im Chaos angesehen wurden. Ihre Präsentationen hatten folgende Punkte:
Taten sie aber nicht. Über die Teamgrenzen hinweg waren die Bilder der roten und grünen Teams wenn nicht konsistent, so doch sehr sehr ähnlich. Die roten Team malten gerne Kästchen und stellten gerne die interne Organisation heraus. Die grünen Teams sprachen eingangs zuerst über den Markt bzw. den Kunden. Uns ging es bei der Übung natürlich nicht darum, ein wissenschaftliches Experiment abzuhalten, sondern die Diskussion anzustoßen mit dem Erleben: Trotz eigentlich gleicher Ausgangslage bauen Teams unterschiedliche Welten auf.
Allein der Hinweis darauf hat zu einer großen Offenheit bei den Trainingsteilnehmern und zu mehr Achtsamkeit auf die eigenen Denkmuster und die sehr wichtige Rolle der Sprache dabei geführt.
Sie befinden sich in einer nahen Zukunft. Vor einem Jahr hat der Unternehmensgründer eine Nachricht für Sie hinterlassen. Nehmen wir an, Sie haben die Strukturen einer Firma erfolgreich nach den Vorgaben des Firmengründers geändert. Nehmen Sie sich 15 Minuten Zeit, um gemeinsam eine Präsentation von 4 Minuten vorzubereiten. Beschreiben Sie an ausgewählten Details möglichst lebendig, wie diese Firma nun (in der Zukunft) organisiert ist. Welche Strukturen gibt es? Was sind wichtige Termine? Wie sieht der Alltag der Führungskräfte und Mitarbeiter aus?
Nachricht an die roten Teams
Meine lieben Getreuen,
ich habe Ihre Loyalität immer geschätzt. Nun ist es an der Zeit, den Stab an den nächsten zu übergeben. Ich habe diese Firma aus dem Nichts aufgebaut. Doch in letzter Zeit lief es nicht gut und wir haben unsere Werte vernachlässigt: Innovation, Zielstrebigkeit und Disziplin. Das hat diese Firma groß gemacht und dazu geführt, dass jeder den Anteil bekam, den er verdient hat.
Nun liegt es an Ihnen, diese Firma wieder zu ihrer alten Größe zurückzuführen. Die Konkurrenz ist zahlreich und schläft nicht. Das Geld ist knapp.
Uns war immer klar, was zu tun ist. Durch Fleiß und Qualitätsbewusstsein hat sich diese Firma einen guten Ruf erarbeitet. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren.
Wir haben das Glück, dass in unsere Nähe viele gute Universitäten sind. Wir können die besten Mitarbeiter und die besten Berater anwerben. Gleichzeitig gibt es auch viele Arbeitskräfte, die diese Firma als soliden Arbeitgeber schätzen.
Machen Sie diese Firma wieder zu der gut organisierten, gut geölten Maschine, die reibungslos funktioniert. Geben Sie sich ambitionierte Ziele und organisieren Sie sich wieder so, dass diese Ziele ohne Verschwendung auf allen Ebenen umgesetzt werden. Sie sind die starke Hand, die wieder Ordnung in das System bringt.
Viel Erfolg.
Nachricht an die grünen Teams
Ihr Lieben,
ich war immer stolz, Teil dieser großen Familie zu sein. Nun ist es wirklich an der Zeit, den Stab an die nächsten zu übergeben. Wir haben diese Firma aus dem Nichts aufgebaut. Doch in letzter Zeit lief es nicht gut und wir haben unsere Werte vernachlässigt: Lernen, Verantwortung und Gerechtigkeit. Das hat uns als Firma groß gemacht und dazu geführt, dass wir den gemeinsam erwirtschafteten Gewinn großzügig untereinander aufteilen konnten.
Nun liegt es an Euch, diese Firma wieder zu ihrer alten Größe zurückzuführen. Die Konkurrenz ist zahlreich und schläft nicht. Das Geld ist knapp.
Wir waren uns nie sicher, was zu tun ist. Aber durch den respektvollen Umgang miteinander konnten wir viele Sichtweisen integrieren und die besten Produkte bauen. Produkte, die unsere Kunden lieben und unsere Mitbewerber fürchten.
In unserer Nähe gibt es leider keine Universitäten. Teure Unternehmensberater können wir uns nicht leisten. Aber wir wissen, dass wir mit den Leuten, die da sind, exzellente Arbeit abliefern können.
Wir waren immer wieder ein Organismus, der sich schnell an den Markt anpassen konnte. Durch unsere flexiblen Strukturen, konnten wir jeden Tag dazu lernen und reagieren. Wir haben „Sehen“ gelernt und Verschwendung konsequent reduziert.
Alles Gute für Euch.
Ist das nicht gemein: Seit Jahren versuchen die Governance-Abteilungen in großen Unternehmen standardisierte Prozesse zu etablieren. Kaum tragen ihre Bemühungen Früchte, da kommen die Agilisten daher und fordern (scheinbar) das Gegenteil. :)
Scrum ist keine Methode
Zu Beginn unserer Workshops sammeln wir oft Fragen ein. Die Fragen deuten darauf hin, dass die Teilnehmer Scrum als eine weitere Methode einführen möchten:
- Wie bilden wir die Rollen bei uns ab?
- Was ist zu tun, wenn sich jemand nicht an die Scrum-Regeln hält?
- Wie gehe ich mit Leuten um, die nicht pünktlich zum Daily Scrum kommen?
- Wie schätze ich den Aufwand?
- Wie pflege ich ein Backlog wirklich?
- Was kann ich vom Scrum-Arbeitsrahmen weglassen?
Scrum will Ergebnisse
Die wichtigste Frage bei Scrum ist deshalb nicht: "Wie halten wir akribisch den Scrum Guide ein?", sondern: "Welche Ergebnisse will der Kunde genau?" Danach erst kommt die Frage: "Wie organisieren wir es, dass der Kunde auch bekommt, was er will?"
Ob wir die Zusammenarbeit nach Scrum, Kanban oder einer anderen Art organisieren, ist zweitrangig. Scrum und Kanban sind "nur" Vorschläge, wie man - auf sehr wirksame und gleichzeitig einfache Art - vorgehen kann. Andere Vorgehensweisen brauchen wahrscheinlich mehr Vorlauf.
So gesehen ergibt die Frage danach, wie Scrum in einer Organisation eingeführt wird, wenig Sinn. Viel wichtiger sind die Frage: "Was will der Kunde?" und: "Auf welche Art können wir das am besten produzieren?"
Unsere Sichtweise bestimmt unsere Sprache und unsere Welt
Edgar und ich (Jan) wollten es genauer wissen und haben es in einem Training getestet. Dazu haben wir eine Übung vom Typ "Remember the future" (http://www.innovationgames.com/remember-the-future/) entwickelt.
In der Übung teilten wir die Teilnehmer in kleine Teams auf, die jeweils eine Nachricht eines Firmengründers erhielten. Es gab aber zwei Versionen dieser Nachricht, rot und grün, mit unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung und entsprechendem Wording (siehe unten). Die Aufgabe war nun, aus dieser Nachricht heraus eine Präsentation zu erstellen, wie sie die Firma ein Jahr später sehen, also, wie das Organigramm aussieht, wie die Zusammenarbeit organisiert ist, welchen Standort die Firma hat und welche Menschen mit welchen Qualifikationen dort arbeiten usw.. Es war also eine konzeptionelle, inhaltliche Gruppenübung.
Wir wollten sehen, inwiefern sich die Präsentationen unterscheiden würden. Unsere Vermutung war, dass es Unterschiede geben würde. Wie stark sie tatsächlich ausfielen, hat uns dann aber doch überrascht.
Die roten Teams bekamen eine Nachricht, in der Führungskräfte als ordnende Hand im Chaos angesehen wurden. Ihre Präsentationen hatten folgende Punkte:
- In der Präsentation ging es fast ausschließlich um die eigene Organisation.
- Kunden spielten kaum eine Rolle.
- Eine stabile Organisation war wichtig.
- Ebenso Innovation (als eigene Abteilung).
- Wenn gezeichnet wurde, wurden Kästchen gemalt: Organigramme, Flurpläne, Stechuhren.
- Der Kunde und der Markt standen im Mittelpunkt oder an oberster Stelle.
- Wenn sich am Markt etwas ändert, sollte sich auch die Organisation ändern.
- Lernen war ein wichtiges organisatorisches Thema.
- Wenn gezeichnet wurde, wurden Kreise oder Ellipsen gemalt: Kunden, Teams, Märkte.
Taten sie aber nicht. Über die Teamgrenzen hinweg waren die Bilder der roten und grünen Teams wenn nicht konsistent, so doch sehr sehr ähnlich. Die roten Team malten gerne Kästchen und stellten gerne die interne Organisation heraus. Die grünen Teams sprachen eingangs zuerst über den Markt bzw. den Kunden. Uns ging es bei der Übung natürlich nicht darum, ein wissenschaftliches Experiment abzuhalten, sondern die Diskussion anzustoßen mit dem Erleben: Trotz eigentlich gleicher Ausgangslage bauen Teams unterschiedliche Welten auf.
Allein der Hinweis darauf hat zu einer großen Offenheit bei den Trainingsteilnehmern und zu mehr Achtsamkeit auf die eigenen Denkmuster und die sehr wichtige Rolle der Sprache dabei geführt.
Anhang: Remember the future
Sie befinden sich in einer nahen Zukunft. Vor einem Jahr hat der Unternehmensgründer eine Nachricht für Sie hinterlassen. Nehmen wir an, Sie haben die Strukturen einer Firma erfolgreich nach den Vorgaben des Firmengründers geändert. Nehmen Sie sich 15 Minuten Zeit, um gemeinsam eine Präsentation von 4 Minuten vorzubereiten. Beschreiben Sie an ausgewählten Details möglichst lebendig, wie diese Firma nun (in der Zukunft) organisiert ist. Welche Strukturen gibt es? Was sind wichtige Termine? Wie sieht der Alltag der Führungskräfte und Mitarbeiter aus?
Nachricht an die roten Teams
Meine lieben Getreuen,
ich habe Ihre Loyalität immer geschätzt. Nun ist es an der Zeit, den Stab an den nächsten zu übergeben. Ich habe diese Firma aus dem Nichts aufgebaut. Doch in letzter Zeit lief es nicht gut und wir haben unsere Werte vernachlässigt: Innovation, Zielstrebigkeit und Disziplin. Das hat diese Firma groß gemacht und dazu geführt, dass jeder den Anteil bekam, den er verdient hat.
Nun liegt es an Ihnen, diese Firma wieder zu ihrer alten Größe zurückzuführen. Die Konkurrenz ist zahlreich und schläft nicht. Das Geld ist knapp.
Uns war immer klar, was zu tun ist. Durch Fleiß und Qualitätsbewusstsein hat sich diese Firma einen guten Ruf erarbeitet. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren.
Wir haben das Glück, dass in unsere Nähe viele gute Universitäten sind. Wir können die besten Mitarbeiter und die besten Berater anwerben. Gleichzeitig gibt es auch viele Arbeitskräfte, die diese Firma als soliden Arbeitgeber schätzen.
Machen Sie diese Firma wieder zu der gut organisierten, gut geölten Maschine, die reibungslos funktioniert. Geben Sie sich ambitionierte Ziele und organisieren Sie sich wieder so, dass diese Ziele ohne Verschwendung auf allen Ebenen umgesetzt werden. Sie sind die starke Hand, die wieder Ordnung in das System bringt.
Viel Erfolg.
Nachricht an die grünen Teams
Ihr Lieben,
ich war immer stolz, Teil dieser großen Familie zu sein. Nun ist es wirklich an der Zeit, den Stab an die nächsten zu übergeben. Wir haben diese Firma aus dem Nichts aufgebaut. Doch in letzter Zeit lief es nicht gut und wir haben unsere Werte vernachlässigt: Lernen, Verantwortung und Gerechtigkeit. Das hat uns als Firma groß gemacht und dazu geführt, dass wir den gemeinsam erwirtschafteten Gewinn großzügig untereinander aufteilen konnten.
Nun liegt es an Euch, diese Firma wieder zu ihrer alten Größe zurückzuführen. Die Konkurrenz ist zahlreich und schläft nicht. Das Geld ist knapp.
Wir waren uns nie sicher, was zu tun ist. Aber durch den respektvollen Umgang miteinander konnten wir viele Sichtweisen integrieren und die besten Produkte bauen. Produkte, die unsere Kunden lieben und unsere Mitbewerber fürchten.
In unserer Nähe gibt es leider keine Universitäten. Teure Unternehmensberater können wir uns nicht leisten. Aber wir wissen, dass wir mit den Leuten, die da sind, exzellente Arbeit abliefern können.
Wir waren immer wieder ein Organismus, der sich schnell an den Markt anpassen konnte. Durch unsere flexiblen Strukturen, konnten wir jeden Tag dazu lernen und reagieren. Wir haben „Sehen“ gelernt und Verschwendung konsequent reduziert.
Alles Gute für Euch.
Links
- Edgar Rodehack: Zur Erinnerung: Agilität ist mehr als eine Methode, Teamworkblog, erschienen am 21. Sep 2015, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2015/09/zur-erinnerung-agilitat-ist-mehr-als.html
- Jan Fischbach: Gibt es agiles Management?, Teamworkblog, erschienen am 23. Nov 2015, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2015/11/gibt-es-agiles-management.html
- Edgar Rodehack: Gibt es agiles Management? (Ergänzung zu Jans Post), Teamworkblog, erschienen am 25. Nov 2015, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2015/11/gibt-es-agiles-management-antwort-auf.html
Hallo Jan,
AntwortenLöschenDanke für dieses schöne Experiment! Weltbilder eben ... Goethe hat schon mal in etwa formuliert: Der Mensch wird so, wie Du ihn siehst ...
Und: Der Japaner Dr. Masaru Emoto sprach von der Macht unserer Worte und Gedanken, fror sie in Eis ein und fotografierte die Eiskristalle, hier z.B. sind Ergebnisse seiner Arbeit dargestellt:
https://www.youtube.com/watch?v=tAvzsjcBtx8
Die Bilder zeigen offensichtlich, wie wichtig auch Achtsamkeit in der Wortwahl und Gestik ist ...