„IT-Projekte werden nicht genehmigt, sondern finanziert“, ist eine unserer Kernaussagen. Im Teamworkblog haben wir schon öfter darüber geschrieben. /1/ Damit ist gemeint: Jedes IT-Projekt muss einen Wert liefern, aus dem heraus es sich rechtfertigt. Aber was verstehen wir unter dem Begriff „Wert“? Handelt es sich immer um Geld, oder kann es auch etwas anderes sein? Und kann man Wert immer messen?
Projekte brauchen einen langen Atem. Immer wieder treten neue, unvorhergesehene Hürden auf, müssen unvermittelt Umwege gegangen werden, sind Projektressourcen gefährdet. Wenn dann der Nutzen des Projekts nicht allen Beteiligten völlig transparent ist, verlieren sie das Interesse am Projekterfolg, und das Projekt versandet. Das gilt natürlich vor allem für die Projektsponsoren.
Der Nutzen eines IT-Projekts besteht nicht in der „Ausstattung von 150 Arbeitsplätzen mit einer neuen DMS-Software“ oder der „Einbindung der Poststelle in den Belegworkflow“. Sondern in den zusätzlichen Werten, die in Folge des IT-Projekts geschaffen werden können (bzw. in entsprechend verminderten Kosten). Jeder Euro, der in ein IT-Projekt investiert wird, muss in nicht zu ferner Zukunft nach Projektabschluss etwa drei Euro wieder einbringen.
Aber wie kann ich diesen RoI (Return on Investment) messen oder zumindest plausibel schätzen?
Es gibt aber andere Unternehmen, die ihre Ziele nicht vorrangig im Geldverdienen sehen. Ich zitiere als Beispiel die nordfranzösische Firma FAVI, die Kupplungsteile für die Automobilindustrie produziert. /3/ FAVI definiert als eigenes Unternehmensziel den Erhalt der Arbeitsplätze („langfristiges Überleben“). Das Geldverdienen steht in einem dienenden Verhältnis zum Hauptzweck: „Das Geld ist unzweifelhaft nicht das Ziel des Unternehmens, sondern nur ein Mittel dafür, so wie das Atmen das hauptsächliche Mittel zum Leben ist.“ Man atmet, um leben zu können, aber nicht umgekehrt. /4/
Ich will im Folgenden die erste Gruppe von Unternehmen, denen der Gewinn das einzig wirkliche Ziel darstellt, als „X-Unternehmen“ bezeichnen und die zweite Gruppe als „Y-Unternehmen“. Natürlich ist das sehr schablonenhaft. In Wirklichkeit besteht die Welt aus Mischformen. Und nur die X-Unternehmen sind Gegenstand dieses Artikels.
Dabei gibt es drei unterschiedliche Fälle:
Natürlich sind die Grenzen zwischen den drei Fällen fließend. Aber hoffentlich ist deutlich geworden, dass „Projekte der Dritten Art“ besonders schwierig zu genehmigen sind. Wenn in X-Unternehmen der Geldnutzen eines Projekts (direkt oder indirekt) einigermaßen sicher geschätzt werden kann, hat kaum ein Geschäftsführer Probleme, seinen Sinn zu verstehen. Aber bei Projekten der Dritten Art braucht es einen Blick über den finanziellen Tellerrand und – Mut.
(Überlegungen zu Business Cases in Y-Unternehmen folgen demnächst.)
/2/ PricewaterhouseCoopers (Hrsg.): Insights and Trends: Current program and project management practices, The third global survey on the current state of project management, August 2012
/3/ Zu FAVI siehe zum Beispiel den Artikel: http://www.teamworkblog.de/2014/11/aufgaben-delegieren-tanz-mit-mir-den.html
/4/ Jean-François Zobrist: La belle histoire de FAVI, Humanisme & Organisations Editions, Paris, 2013, Seite 62
IT-Projekte sind Business-Projekte
IT-Projekte scheitern relativ häufig. PricewaterhouseCoopers (PwC) führen in einer Studie ein rundes Dutzend Faktoren auf, die Projekte in die Sackgasse führen. /2/ Einer der wichtigsten davon ist: IT-Projekte scheitern, weil sie als IT- und nicht als Businessprojekte geführt werden.Projekte brauchen einen langen Atem. Immer wieder treten neue, unvorhergesehene Hürden auf, müssen unvermittelt Umwege gegangen werden, sind Projektressourcen gefährdet. Wenn dann der Nutzen des Projekts nicht allen Beteiligten völlig transparent ist, verlieren sie das Interesse am Projekterfolg, und das Projekt versandet. Das gilt natürlich vor allem für die Projektsponsoren.
Der Nutzen eines IT-Projekts besteht nicht in der „Ausstattung von 150 Arbeitsplätzen mit einer neuen DMS-Software“ oder der „Einbindung der Poststelle in den Belegworkflow“. Sondern in den zusätzlichen Werten, die in Folge des IT-Projekts geschaffen werden können (bzw. in entsprechend verminderten Kosten). Jeder Euro, der in ein IT-Projekt investiert wird, muss in nicht zu ferner Zukunft nach Projektabschluss etwa drei Euro wieder einbringen.
Aber wie kann ich diesen RoI (Return on Investment) messen oder zumindest plausibel schätzen?
Was „Wert“ ist, ist eine Kulturfrage
Für traditionelle Unternehmen ist das keine Frage: Wert ist alles, was unmittelbar in Geld ausgedrückt werden kann. Demnach muss ein Projekt, das Kosten in Höhe von 100.000 € verursacht, mindestens 300.000 harte Euro wieder einspielen.Es gibt aber andere Unternehmen, die ihre Ziele nicht vorrangig im Geldverdienen sehen. Ich zitiere als Beispiel die nordfranzösische Firma FAVI, die Kupplungsteile für die Automobilindustrie produziert. /3/ FAVI definiert als eigenes Unternehmensziel den Erhalt der Arbeitsplätze („langfristiges Überleben“). Das Geldverdienen steht in einem dienenden Verhältnis zum Hauptzweck: „Das Geld ist unzweifelhaft nicht das Ziel des Unternehmens, sondern nur ein Mittel dafür, so wie das Atmen das hauptsächliche Mittel zum Leben ist.“ Man atmet, um leben zu können, aber nicht umgekehrt. /4/
Ich will im Folgenden die erste Gruppe von Unternehmen, denen der Gewinn das einzig wirkliche Ziel darstellt, als „X-Unternehmen“ bezeichnen und die zweite Gruppe als „Y-Unternehmen“. Natürlich ist das sehr schablonenhaft. In Wirklichkeit besteht die Welt aus Mischformen. Und nur die X-Unternehmen sind Gegenstand dieses Artikels.
Business-Cases in X-Unternehmen
In diesen Fällen muss der Projektnutzen sich direkt oder indirekt in gesteigerten Gewinnerwartungen ausdrücken.Abbildung: In X-Unternehmen müssen Projekte zur Gewinnsteigerung beitragen |
Dabei gibt es drei unterschiedliche Fälle:
- Ein Projekt führt direkt zu höherem Gewinn. Das ist oft bei Projekten der Fall, die Kosten senken sollen.
Beispiel: Ein Unternehmen erstellt Verpackungen aus Kunststoffplatten und –folien. Für den Cutter (Zuschneidegerät) wird eine neue Steuerungssoftware beschafft, die die Schnitte auftragsübergreifend optimiert. Das Projekt dauert sechs Monate, kostet 137.000 € und erbringt im ersten Jahr bereits 98.500 € an Einsparungen. Der 5-Jahres-RoI beträgt 3,59. - Ein Projekt führt indirekt zu höherem Gewinn. Das heißt, das Projekt führt zu Verbesserungen bei Kennzahlen wie Durchlaufzeiten, Fehlern, unproduktiven Arbeitszeiten. Dann muss man berechnen, welche Gewinnsteigerung die indirekte Folge dieser Verbesserungen sein wird.
Beispiel: Ein Unternehmen baut Sondermaschinen für den Weltmarkt. Der Vertrieb ist auf allen fünf Kontinenten unterwegs. Ein Dokumentenmanagement-System (DMS) zusammen mit einer übersichtlichen Ablagestruktur soll den Verkäufern den schnellen Zugriff auf alle Dokumente erlauben, die für einen Kunden in São Paulo oder in Xiamen wichtig sind. Und zwar auch dann, wenn in Deutschland Nacht ist und keine Kollegin in der Zentrale „mal schnell nach dieser Zeichnung, du weißt schon, aus dem letzten Russland-Projekt“ suchen kann.
Die Außendienstmitarbeiter werden gefragt: Wie viele Aufträge verlieren sie, weil sie immer so lange auf Antworten warten müssen? Die Mehrheitsmeinung ist: dieser Faktor spielt kaum eine Rolle. Das macht vielleicht 2 oder 3 Prozent der Aufträge aus.
Wie bitte?, ruft der CEO. 2%?? Nur 26% unserer Kundenanfragen werden zu Aufträgen. Wenn das in Zukunft auf 28% gesteigert wird, ist das ein Umsatzplus von 7,7% oder 2,7 Mio EUR! Wenn eure Berechnung auch nur zur Hälfte stimmt, ist euer Projekt gebongt!
- Ein Projekt führt zu Verbesserungen bei Faktoren, die zwar wahrscheinlich zu Gewinnsteigerungen beitragen, aber bei denen der Zusammenhang nicht deutlich ist.
Beispiel: Das Rechenzentrum eines Kraftwerkbauers führt ein neues KANBAN-System ein, um Anfragen und Beschwerden der internen RZ-Kunden zügiger und transparenter zu bearbeiten. Dadurch wird der WiP (Work in Progress) gesenkt und durch höhere Transparenz das Vertrauensverhältnis zu den anderen Abteilungen vertieft.
Auswirkungen auf die Kosten werden nicht erwartet. Aber die RZ-Mitarbeiter werden emotional entlastet. Sie sollen weniger Stress empfinden und dadurch, dass ihre "Kunden" positives Feedback geben, mehr Sinn in ihrer Arbeit sehen. Vielleicht führt das zu geringerer Fluktuation des Personals, vielleicht zu geringeren Krankheitsquoten. Aber das ist alles nicht berechenbar.
Das Projekt kostet mit 5,5 externen Beratungstagen für Planungsworkshops mit den Anwendervertretern und für Schulungen 9.600 €. „Das sind 0,21 % der Gehaltssumme unserer Abteilung!“, sagt die RZ-Leiterin. „Das ist mir die Stressverminderung meiner Kolleginnen und Kollegen wert!“
Zwischenergebnis
Natürlich sind die Grenzen zwischen den drei Fällen fließend. Aber hoffentlich ist deutlich geworden, dass „Projekte der Dritten Art“ besonders schwierig zu genehmigen sind. Wenn in X-Unternehmen der Geldnutzen eines Projekts (direkt oder indirekt) einigermaßen sicher geschätzt werden kann, hat kaum ein Geschäftsführer Probleme, seinen Sinn zu verstehen. Aber bei Projekten der Dritten Art braucht es einen Blick über den finanziellen Tellerrand und – Mut.
(Überlegungen zu Business Cases in Y-Unternehmen folgen demnächst.)
Anmerkungen
/1/ Zum Beispiel „Eine Metaanleitung für Projektmanagement“, 16. Mai 2014, http://www.teamworkblog.de/2014/05/eine-metaanleitung-fur.html/2/ PricewaterhouseCoopers (Hrsg.): Insights and Trends: Current program and project management practices, The third global survey on the current state of project management, August 2012
/3/ Zu FAVI siehe zum Beispiel den Artikel: http://www.teamworkblog.de/2014/11/aufgaben-delegieren-tanz-mit-mir-den.html
/4/ Jean-François Zobrist: La belle histoire de FAVI, Humanisme & Organisations Editions, Paris, 2013, Seite 62
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