Bei vielen Änderungsansätzen wird gefordert, dass sich die Mitarbeiter an die neue Kultur gewohnen müssen. Vor den strukturellen Änderungen müssen die Beteiligten zunächst das neue "Mindset" annehmen. Ich sehe das sehr kritisch. Dazu gibt es eine bessere Alternative.
Viele agile Coaches fordern die Übernahme eines agilen Mindsets, bevor sich im Unternehmen etwas ändert. (Diese Forderung ist keine Besonderheit von Agilität. Auch in anderen Bereichen kennen wir solche Forderungen zur Genüge.) In einigen Change-Management-Büchern finden wir gar eine Grafik von Kübler-Ross, die angeblich beschreibt, wie Menschen auf Veränderungen reagieren /1, Knowledge Komponent 1.2/. Ich finde es nicht angemessen, das Verhalten von sterbenden Menschen auf Veränderungen im Unternehmen zu übertragen.
Viele Teammitglieder, Führungskräfte und Berater werden jedoch einwenden, dass es doch sehr schwierig sei, Menschen in Unternehmen zu Veränderungen zu bewegen. Es gab Zeiten, da habe ich mich selbst in diesen Chor eingereiht.
Bei /2/ habe ich den Hinweis gefunden, dass es Primär- und Sekundärreaktionen auf bestimmte Situationen gibt. Meine spontane (Primär-) Reaktion in einem Projektmeeting könnte Wut sein. Aber wahrscheinlich bin ich in der Lage, auf meine Gefühle Einfluss zu nehmen und Ruhe zu bewahren. Diese Psychotests bewerten in erster Linie die Primärreaktion. Wichtig ist aber, ob wir zur Sekundärreaktion fähig sind.
Von Deming stammt der Hinweis, dass 94% aller Probleme im System der Zusammenarbeit (und daher nicht beim einzelnen Mitarbeiter) liegen /3/. Psychologische Macken eignen sich also nicht als Erklärung für Widerstand gegen Change.
Die Autoren gehen auf unsere selektive Wahrnehmung ein. Sie haben die Sprach- und Beziehungsmuster von mehr als 20.000 Menschen in großen Unternehmen untersucht und festgestellt, dass wir durch unsere selektive Wahrnehmung Ereignisse interpretieren. Wenn ich der Ansicht bin, dass mein Leben schrecklich ist, werde ich auch alles so wahrnehmen: "Typisch, dass die Ampel rot ist, wenn ich es mal eilig habe... Wie schön könnte mein Leben sein, wenn mein Chef nicht so wäre, wie er ist."
In diese Kategorie gehört auch die besonders bei Führungskräften beliebte Sichtweise: "Meine Mitarbeiter sind zwar nett, aber nicht so kompetent wie ich. Ich muss für sie vor- und mitdenken. Sonst fällt der Laden auseinander."
Statt die alte Kultur grundsätzlich in Frage zu stellen, ist es einfacher den bisherigen Erfahrungen neue erfolgreiche Erfahrungen hinzuzufügen. Das kann ein interessantes Spiel in einem Training sein. Das kann ein kleines Projekt sein. Geeignet sind gemeinsame Erlebnisse, in denen die Gruppe etwas bewusst lernt.
Ergänzend lohnt es sich, über Weltsichten zu sprechen. Oft reicht es schon aus, zu erkennen, dass wir unterschiedliche Weltsichten haben. Häufig stehen wir vor einem Problem, bei dem unsere eigene Sichtweise den Blick auf die Lösung verhindert. Ein guter Scrum Master stellt deshalb bei Problemen oft die Fragen, welche Annahmen dahinter stehen.
Neue positive Erfahrungen und das Infragestellen der eigenen Annahmen sind gute Werkzeuge, um das System der Zusammenarbeit in Unternehmen zu verändern.
Anmerkungen:
Viele agile Coaches fordern die Übernahme eines agilen Mindsets, bevor sich im Unternehmen etwas ändert. (Diese Forderung ist keine Besonderheit von Agilität. Auch in anderen Bereichen kennen wir solche Forderungen zur Genüge.) In einigen Change-Management-Büchern finden wir gar eine Grafik von Kübler-Ross, die angeblich beschreibt, wie Menschen auf Veränderungen reagieren /1, Knowledge Komponent 1.2/. Ich finde es nicht angemessen, das Verhalten von sterbenden Menschen auf Veränderungen im Unternehmen zu übertragen.
Viele Teammitglieder, Führungskräfte und Berater werden jedoch einwenden, dass es doch sehr schwierig sei, Menschen in Unternehmen zu Veränderungen zu bewegen. Es gab Zeiten, da habe ich mich selbst in diesen Chor eingereiht.
"Die Mitarbeiter verhindern den Wandel"
Beim ersten Gegenwind gegen eine Change-Initiative werden meist individuelle psychologische Muster zur Erklärung herangezogen. Die werden natürlich mit entsprechend "wissenschaftlichen" Tests analysiert (z. B. Myers-Briggs-Typenindikator, DISG). Dabei kommt natürlich raus, dass die Change-Initiative an Mitarbeitern scheitert, weil sie vom Typ X sind und Typ-X-Leute können wir hier nicht gebrauchen. Mich faszinieren Psychotests, aber letztendlich sind sie alle wertlos. Sie sind eine moderne Variante von Rassismus, wenn sie dazu führen, dass man bestimmten Typen für bestimmte Aufgaben bevorzugt oder ablehnt.Bei /2/ habe ich den Hinweis gefunden, dass es Primär- und Sekundärreaktionen auf bestimmte Situationen gibt. Meine spontane (Primär-) Reaktion in einem Projektmeeting könnte Wut sein. Aber wahrscheinlich bin ich in der Lage, auf meine Gefühle Einfluss zu nehmen und Ruhe zu bewahren. Diese Psychotests bewerten in erster Linie die Primärreaktion. Wichtig ist aber, ob wir zur Sekundärreaktion fähig sind.
Von Deming stammt der Hinweis, dass 94% aller Probleme im System der Zusammenarbeit (und daher nicht beim einzelnen Mitarbeiter) liegen /3/. Psychologische Macken eignen sich also nicht als Erklärung für Widerstand gegen Change.
Organisationskultur sind starke soziale Bande
Besser finde ich die Ideen von Edgar Schein über Organisationskultur. In seinen Buch über Organisationskultur schreibt er:"Die gemeinsam erlernten Werte, Überzeugungen und Annahmen, die für selbstverständlich gehalten werden, wenn das Unternehmen weiterhin erfolgreich ist, sind die Essenz der Unternehmenskultur. Man darf nicht vergessen, dass sie Ergebnis eines gemeinsamen Lernprozesses sind." /4, Abschnitt 2/Wer etwas neues vorschlägt, das der aktuellen Kultur widerspricht, stellt damit den Erfolg und die gemeinsamen Erfahrungen der Vergangenheit in Frage. Damit stellt er sich gegen sehr starke soziale Kräfte. Die lassen sich nicht mit ein bisschen Change Management überwinden.
Wie sehe ich die Welt?
Bevor ich darauf eingehe, wie man die Unternehmenswelt ändert, will ich noch auf das Thema Weltsicht eingehen. Hier gibt es Forschungsarbeiten von Dave Logan, John King, and Halee Fischer-Wright, die gut lesbar in dem Buch "Tribal Leadership" zusammengestellt wurden.Die Autoren gehen auf unsere selektive Wahrnehmung ein. Sie haben die Sprach- und Beziehungsmuster von mehr als 20.000 Menschen in großen Unternehmen untersucht und festgestellt, dass wir durch unsere selektive Wahrnehmung Ereignisse interpretieren. Wenn ich der Ansicht bin, dass mein Leben schrecklich ist, werde ich auch alles so wahrnehmen: "Typisch, dass die Ampel rot ist, wenn ich es mal eilig habe... Wie schön könnte mein Leben sein, wenn mein Chef nicht so wäre, wie er ist."
In diese Kategorie gehört auch die besonders bei Führungskräften beliebte Sichtweise: "Meine Mitarbeiter sind zwar nett, aber nicht so kompetent wie ich. Ich muss für sie vor- und mitdenken. Sonst fällt der Laden auseinander."
Was führt zu einer anderen Unternehmenskultur?
Jetzt haben wir ein besseres Verständnis, wie wir auf Kultur Einfluss nehmen können, ohne den Mitarbeitern gleich den Kopf waschen zu müssen.Statt die alte Kultur grundsätzlich in Frage zu stellen, ist es einfacher den bisherigen Erfahrungen neue erfolgreiche Erfahrungen hinzuzufügen. Das kann ein interessantes Spiel in einem Training sein. Das kann ein kleines Projekt sein. Geeignet sind gemeinsame Erlebnisse, in denen die Gruppe etwas bewusst lernt.
Ergänzend lohnt es sich, über Weltsichten zu sprechen. Oft reicht es schon aus, zu erkennen, dass wir unterschiedliche Weltsichten haben. Häufig stehen wir vor einem Problem, bei dem unsere eigene Sichtweise den Blick auf die Lösung verhindert. Ein guter Scrum Master stellt deshalb bei Problemen oft die Fragen, welche Annahmen dahinter stehen.
Neue positive Erfahrungen und das Infragestellen der eigenen Annahmen sind gute Werkzeuge, um das System der Zusammenarbeit in Unternehmen zu verändern.
Anmerkungen:
- /1/ Institute, The Change Management: The Effective Change Manager : The Change Management Body of Knowledge. New.. : Vivid Publishing, 2014.
- /2/ Martens, Jens-Uwe ; Kuhl, Julius: Die Kunst der Selbstmotivierung : neue Erkenntnisse der Motivationsforschung praktisch nutzen. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag, 2009.
- /3/ John Hunter: Appreciation for a System, The W. Edwards Deming Institute Blog, erschienen am 26. Oktober 2012, abrufbar unter http://blog.deming.org/2012/10/appreciation-for-a-system/
- /4/ Schein, Edgar H. ; Bennis, Warren ; Hölscher, Irmgard: Organisationskultur. 3. Aufl.. Berlin: EHP, 2003.
- /5/ Logan, Dave ; King, John ; Fischer-Wright, Halee: Tribal Leadership : Leveraging Natural Groups to Build a Thriving Organization. 1. Aufl.. New York: Harper Collins, 2012.
Hi Jan,
AntwortenLöschenSchöner Beitrag. Ergänzung: Die alte Kultur in Summe zu kritisieren und in frage zu stellen ist auch deshalb Unsinn, weil sie ja gar nicht nur schlecht gewesen sein kann, sonst hätte die Organisation gar nicht überlebt.
Sowohl aus der Erfahrung als auch logisch lässt sich klar sagen: Jede Kultur hat auch Ihre positiven Seiten...
Die Kunst besteht darin, die spreu vom Weizen zu trennen.
HGA