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Woher weiß ich, wann ich fertig bin - Beispiel Earned Value Analysis

Vielleicht kennen Sie das auch: Sie arbeiten in einem Projekt. Jeder sagt, dass bei ihm alles auf grün steht. Das geht bis kurz vor Ende des Projekts so und dann knallt es. Hätte man den Ärger nicht schon vorher sehen können? Ja, und zwar schon nach 20 Prozent der Zeit. Die Lösung sind Burndown-Charts oder Earned Value Analysis.
Es gibt Techniken, die wirken so kompliziert, dass man fluchtartig den Raum verlassen möchte, wenn jemand darüber spricht. Eine davon ist Earned Value Analysis (zu deutsch Leistungswertanalyse). Da gibt es so komische Abkürzungen wie BCWP oder ACWP. Die Begriffe in der deutschen Sprache schrecken auch eher ab: Zeiteffizienz, Leistungswert.

Ich gebe zu, dass ich mich nie richtig dafür interessiert habe. Die Begriffe waren so verwirrend für mich, dass ich keine Lust hatte, mich näher damit zu beschäftigen. Das hat sich erst geändert, als ich die Burndown-Charts in Scrum kennen gelernt habe. Da wurde mir klar, welchen Wert die visuelle Darstellung des tatsächlichen Fortschritts hat. Wenn das Projektteam selbst auf einfache Art und Weise sehen kann, wo es wirklich im Vergleich zum Plan steht, steuert sich fast von selbst.

Abb. 1: Burndown mit Trendlinie

In Abb. 1 sehen wir ein Burndown-Chart. Die grüne Linie zeigt die ideale Bearbeitung. Zu Beginn der Phase oder des Projekts ist noch 100% der Arbeit zu erledigen. In regelmäßigen Abständen (bei Scrum jeden Tag) trägt das Team ein, wie viel Arbeit noch offen ist (nicht wie viel Zeit oder Geld es schon verbraucht hat). Die blaue feste Linie zeigt, was tatsächlich noch offen. Die gestrichelte Linie ist die Trendlinie. Wahrscheinlich wird das Team nicht alles schaffen. Aber wir sehen das schon zur Mitte des Sprints.

Wir können das Bild auch umdrehen. Ein Burnup-Chart zeigt, wie viel Arbeit schon fertig ist. In Abb. 2 sehen wir, dass das Team wahrscheinlich eher fertig sein wird.

Abb. 2: Burnup

Jetzt haben wir schon fast ein Earned Value Chart. Aber fragen Sie sich sicher, woran man denn erkennt, wie viel Arbeit fertig ist. Hier wieder zurück zu Scrum: Dort nehmen wir relative Aufwandspunkte (Story Points), die wir aufaddieren (/1/). Das reicht für die Planung in kurzen Sprints.

Bei anderen Projekten sind Story Points vielleicht nicht praktisch. Wichtig ist: Wir brauchen ein Maß für die zu erledigende Arbeit. Bei Projekten, bei denen Sie viele externe Leistungen einkaufen, können Sie die Plankosten als Maß für Arbeit nehmen.

Bei vielen Arbeitspaketen mit unterschiedlichen Kosten und Fertigstellungsterminen ist der ideale Verlauf natürlich nicht so schön wie in einem Burndown-Chart. Die blaue Linie iin Abb. 3 zeigt, wie wir planen, Geld auszugeben. (Die grüne Linie ist nur zum Vergleich mit einem linearen Kostenverlauf.)
Abb. 3: Plankosten im Verlauf
Bei Scrum aktualisieren wir jeden Tag unser Sprint-Burndown-Chart, um zu sehen, ob wir rechtzeitig fertig werden.

Wenn wir mit Earned-Value-Analysen arbeiten, tun wir dies ebenfalls in regelmäßigen Abständen, z. B. jede Woche oder jeden Monat. Dazu stellen wir uns immer zum Berichtszeitpunkt folgende Fragen:
  • Was sollte bis heute laut Plan fertig sein und wie hoch sind die geplanten Kosten dafür?
  • Was ist tatsächlich bis heute fertig geworden und wie hoch sind die geplanten Kosten dafür?
  • Wie hoch sind die tatsächlichen Kosten bis jetzt?
Aus den Antworten können wir nun verschiedene Werte und Indizes (Cost Performance Index - CPI und Schedule Performance Index - SPI) berechnen, die uns sagen, wann wir tatsächlich fertig sind und wie hoch die Kosten am Ende wirklich sind. Interessanterweise sind CPI und SPI sehr stabil. Bereits nach 15-20% der (geplanten) Projektlaufzeit kann man mit dem CPI die wahrscheinlichen Kosten und mit dem SPI den wahrscheinlichen Endtermin errechnen (/2, Pos. 982 der Kindle-Ausgabe/).

Falls Sie dieses Werkzeug für Ihre Projekte nutzen wollen, werfen Sie mal einen Blick auf die Anleitungen von Matt Hallowell. Er hat bei Youtube drei Videos veröffentlicht, wie man die einzelnen Werte errechnet (/3, 4, 5/). Lassen Sie sich nicht von den vielen Abkürzungen verwirren. Das Prinzip ist ganz einfach: So wie ich bei Burndown-Charts mit einer Trendlinie den Endtermin extrapoliere, tue ich dies rechnerisch bei der Earned-Value-Analyse (siehe Herleitung in /6/).

Um eins klarzustellen: Wenn Sie Verzug feststellen, werden Sie ihn NICHT wieder aufholen können. Die Ursache ist ja nicht, dass Sie vorher nicht gemessen haben. Die Fehler geschahen schon in der Planungsphase.

Anmerkungen


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