Ist es eigentlich gut, wenn unsere Manager zu 100% ausgelastet sind? Meine Frage suggeriert schon, dass das wohl nicht richtig sein kann. Aber was wäre eine gute Auslastung?
Im Moment lese ich gerade "Schwarmdumm" von Gunter Dueck /1/. Tolles Buch. Ich könnte seitenweise abschreiben, weil es mir so aus der Seele spricht. Der Tenor des Buches ist, dass wir einzeln alle ziemlich intelligent sind. Aber wenn wir in Unternehmen zusammenfinden, tun wir Dinge, die sehr unvernünftig sind.
Gunter Dueck geht am Anfang seines Buches auf die Auslastung von Managern ein und verweist auf die Warteschlangentheorie, die ich auch schon bei Don Reinertsen gefunden habe /2/.
Warteschlangen sind deshalb für uns interessant, weil sie zu (viel) längeren Durchlaufzeiten, zu höheren Risiken, zu mehr Schwankungen, zu mehr Bürokratie, zu abnehmender Qualität und auch zu abnehmender Motivation führen /2, S. 57/.
Was ich an Duecks Buch gut finde, dass er uns vorrechnet, was eine hohe Auslastung bedeutet. Nehmen wir eine einfache Warteschlange, bei der es einen Bearbeiter gibt. Die neuen Anfragen kommen zufallsverteilt an, wobei kürzere Abstände wahrscheinlicher sind als lange Abstände. Auch die Bearbeitungszeit ist zufallsverteilt und es ist wahrscheinlich, dass eine kürzere Bearbeitungsdauer häufiger vorkommt als eine sehr lange. Da Papier bekanntlich geduldig ist, haben wir eine unendliche Kapazität im Wartebereich. (In der sog. Kendall-Notation wird solch eine Warteschlange mit M/M/1/∞ beschrieben.)
Eine wesentliche Größe für die Wartezeit ist die Auslastung des Bearbeiters (abgekürzt durch den griechischen Buchstaben Rho ρ). Die freie Kapazität ist entsprechend 1-ρ. Allein anhand der Auslastung kann man nun erkennen, wie viele Aufgaben der Bearbeiter auf dem Tisch hat. Das ist nämlich Auslastung pro freie Kapazität: Anzahl Aufgaben = ρ/(1-ρ).
Jetzt können Sie sich ausrechnen, dass Anzahl der Aufgaben ziemlich schnell steigt, wenn man zu stark ausgelastet ist. Sie verdoppelt sich, wenn die Auslastung von 60 auf 80% steigt. Sie verdoppelt sich nochmal bei einem Anstieg von 80 auf 90% und ein weiteres Mal bei einer Auslastung von 90 auf 95%.
Gemein, oder? Je mehr Sie ausgelastet sind, desto stressiger wird es. Gunter Duecks Frage ist nun, wie viel Kreativität und Innovationen man von einem Manager erwarten kann, der zu 95% ausgelastet ist, also rund 20 Aufgaben auf seinem Tisch hat. Lesen Sie also in seinem Buch, was er darauf antwortet.
"Moment," werden Sie vielleicht sagen, "bei uns ist das ja gar kein zufallsverteilter Ankunftsprozess von neuen Aufgaben". (Das ist das erste M in der Warteschlangennotation. M steht für Markow-Prozess). "Wir haben ja ein XYZ-Management, mit dem Aufträge gesteuert werden."
Nun, dem widerspreche ich: Sie können nicht vorhersehen, wann es Störungen im Betrieb gibt, wann Projekt- oder Berichtsanfragen aus der Holding kommen, wann es Kundenbeschwerden oder Krankheitsfälle im Betrieb gibt. Wie hat es Wolf so schön ausgedruckt: Auch wenn Sie die Situation scheinbar professionell managen, wird die Situation anderer Meinung sein.
Brauchen wir dafür ein Ressourcen- oder Ideenmanagement? Laut Reinertsen nicht. Er sagt, es reicht, wenn wir anfangen, die Warteschlangen managen. Die mathematischen und ökonomischen Hintergründe kann man bei ihm gut nachlesen /2, Kap. 3/.
Übrigens hat Frederic Laloux bei seiner Untersuchung über vitale Unternehmen genau das festgestellt: Die von ihm Befragten Geschäftsführer hat in diesen anders organisierten Unternehmen keinen vollen Terminkalender. Sie hatten richtig Zeit.
Sie können die Auslastung nicht reduzieren, indem Sie härter arbeiten. Aber das wissen Sie ja schon, wenn Sie schon andere Beiträge in unserem Blog gelesen haben.
Im Moment lese ich gerade "Schwarmdumm" von Gunter Dueck /1/. Tolles Buch. Ich könnte seitenweise abschreiben, weil es mir so aus der Seele spricht. Der Tenor des Buches ist, dass wir einzeln alle ziemlich intelligent sind. Aber wenn wir in Unternehmen zusammenfinden, tun wir Dinge, die sehr unvernünftig sind.
Gunter Dueck geht am Anfang seines Buches auf die Auslastung von Managern ein und verweist auf die Warteschlangentheorie, die ich auch schon bei Don Reinertsen gefunden habe /2/.
Warteschlangen sind gefährlich
Ich muss etwas ausholen, bin aber gleich wieder da. Reinertsen schreibt in "Flow", dass Warteschlangen zu größten Verschwendern in der Produktentwicklung gehören. Das Blöde ist nur, dass man im Gegensatz zu Warteschlangen an der Kasse, Warteschlangen in der Produktentwicklung nicht sieht. In der Produktentwicklung sind Informationen die Warteschlange: angefangene Designs, angefangene Konzepte, angefangene Geschäftsmodelle etc.Warteschlangen sind deshalb für uns interessant, weil sie zu (viel) längeren Durchlaufzeiten, zu höheren Risiken, zu mehr Schwankungen, zu mehr Bürokratie, zu abnehmender Qualität und auch zu abnehmender Motivation führen /2, S. 57/.
Warteschlangen im Management
Gunter Dueck erinnert nun in "Schwarmdumm", dass die Warteschlangentheorie auch für Managementprozesse gilt. In der Warteschlange sind wie bei der Produktentwicklung neue Konzepte und neue Ideen. Aber auch Entscheidungsbedarfe und Kommunikationsaufgaben. Eigentlich sind in der Warteschlange alle Aufgaben und Projekte, um die sich der Manager kümmern muss.Was ich an Duecks Buch gut finde, dass er uns vorrechnet, was eine hohe Auslastung bedeutet. Nehmen wir eine einfache Warteschlange, bei der es einen Bearbeiter gibt. Die neuen Anfragen kommen zufallsverteilt an, wobei kürzere Abstände wahrscheinlicher sind als lange Abstände. Auch die Bearbeitungszeit ist zufallsverteilt und es ist wahrscheinlich, dass eine kürzere Bearbeitungsdauer häufiger vorkommt als eine sehr lange. Da Papier bekanntlich geduldig ist, haben wir eine unendliche Kapazität im Wartebereich. (In der sog. Kendall-Notation wird solch eine Warteschlange mit M/M/1/∞ beschrieben.)
Eine wesentliche Größe für die Wartezeit ist die Auslastung des Bearbeiters (abgekürzt durch den griechischen Buchstaben Rho ρ). Die freie Kapazität ist entsprechend 1-ρ. Allein anhand der Auslastung kann man nun erkennen, wie viele Aufgaben der Bearbeiter auf dem Tisch hat. Das ist nämlich Auslastung pro freie Kapazität: Anzahl Aufgaben = ρ/(1-ρ).
Jetzt können Sie sich ausrechnen, dass Anzahl der Aufgaben ziemlich schnell steigt, wenn man zu stark ausgelastet ist. Sie verdoppelt sich, wenn die Auslastung von 60 auf 80% steigt. Sie verdoppelt sich nochmal bei einem Anstieg von 80 auf 90% und ein weiteres Mal bei einer Auslastung von 90 auf 95%.
Abb. 1: Anzahl der Aufgaben in Bearbeitung bei steigender Auslastung |
"Moment," werden Sie vielleicht sagen, "bei uns ist das ja gar kein zufallsverteilter Ankunftsprozess von neuen Aufgaben". (Das ist das erste M in der Warteschlangennotation. M steht für Markow-Prozess). "Wir haben ja ein XYZ-Management, mit dem Aufträge gesteuert werden."
Nun, dem widerspreche ich: Sie können nicht vorhersehen, wann es Störungen im Betrieb gibt, wann Projekt- oder Berichtsanfragen aus der Holding kommen, wann es Kundenbeschwerden oder Krankheitsfälle im Betrieb gibt. Wie hat es Wolf so schön ausgedruckt: Auch wenn Sie die Situation scheinbar professionell managen, wird die Situation anderer Meinung sein.
Bringen Sie die Auslastung unter 85%
Gunter Duecks Empfehlung ist, die Auslastung unter 85% zu drücken. Ich gehe da noch weiter und schlage 75% vor. Eine Auslastung von 75-80% bedeutet, grundsätzlich einen Tag in der Arbeitswoche oder eine Woche in einem Monat freizuhalten. In unserer Firma CST haben wir übrigens vereinbart, die letzte Woche im Monat nicht für Kundentermine zu verplanen.Brauchen wir dafür ein Ressourcen- oder Ideenmanagement? Laut Reinertsen nicht. Er sagt, es reicht, wenn wir anfangen, die Warteschlangen managen. Die mathematischen und ökonomischen Hintergründe kann man bei ihm gut nachlesen /2, Kap. 3/.
Übrigens hat Frederic Laloux bei seiner Untersuchung über vitale Unternehmen genau das festgestellt: Die von ihm Befragten Geschäftsführer hat in diesen anders organisierten Unternehmen keinen vollen Terminkalender. Sie hatten richtig Zeit.
Sie können die Auslastung nicht reduzieren, indem Sie härter arbeiten. Aber das wissen Sie ja schon, wenn Sie schon andere Beiträge in unserem Blog gelesen haben.
Anmerkungen
- /1/ Dueck, Gunter: Schwarmdumm : So blöd sind wir nur gemeinsam. 1. Aufl.. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2015.
- /2/ Reinertsen, Donald G.: The Principles of Product Development Flow : Second Generation Lean Product Development. 1. Aufl.. Redondo Beach, California: Celeritas, 2009.
- /3/ Laloux, Frederic: Reinventing Organizations : Über die Entwicklung ganzheitlicher, sinnerfüllender und wachstumsorientierter Organisationen. 1. Aufl.. München: Vahlen Franz GmbH, 2015.
Danke Jan, für diesen tollen Artikel! Gerade habe ich jemanden zur Arbeitsplatzbeschreibung beraten und da war die Frage, wieviel "Luft" einzuplanen ist, und wie man dieses der Führungskraft nahelegt... Das hier passt perfekt. Witzigerweise schwankten wir auch zwischen 15% und 25% als wünschenswertem unverplantem Zeitbudget.
AntwortenLöschenKleine Verständnisfrage: durch den "freien" Tag reduziert sich die Anzahl der z.B. per Mail eingehenden Aufgaben ja nicht, die Warteschlange wächst. Besteht der Nutzen des freien Tages jetzt darin, dass man sich ausschließlich dem Abarbeiten der Warteschlange widmet?
AntwortenLöschenHallo Friedhelm, ja. Der freie Tag senkt die Auslastung des Servers.
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