Direkt zum Hauptbereich

Verändern bedeutet Aufräumen mit der Vergangenheit

Manche Teams wollen sich verändern, aber stecken doch irgendwie fest. Sie gehen die Probleme an. Dennoch werden die Fehler der Vergangenheit wiederholt. Sie suchen die Ursache dafür beim Chef, beim Kunden oder im Team. Das Mantra lautet “Lasst uns nicht in den Problemen der Vergangenheit schmoren. Wir müssen die richtige Lösung finden!” Vielleicht ist ein bewusstes Verabschieden der Vergangenheit der Anfang für eine bessere Zukunft. Was hat das mit Aufräumen zu tun?

Lieber Leser, damit ich diese Fragen beantworten kann, muss ich für einige Absätze auf einem Nebengleis fahren. Bleiben Sie bitte dran.

Im Herbst las ich in der New York Times über den Bestseller von Marie Kondo, Magic Cleaning: wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert./1/ Frau Kondo ist eine junge Japanerin, die schon als Kind einen Sortierfummel hatte. Nachdem sie als Teanager ihren eigenen Kram ausgemistet und sortiert hatte, begann sie, ihrer Familie und Freunden zu helfen. Kein normales Kind - das gibt sie selbst zu. Seit einigen Jahren berät sie Kunden dabei, wie sie ihre Haushalte und Büros radikal aufräumen. Die Quintessenz ihrer Methode ist, bei jedem Objekt die Frage zu stellen: “Gibt mir dieses Teil Freude?” Ist die Antwort “nein”, landet das Ding im Müll, aber erst nachdem man sich beim Objekt bedankt hat.

Ihrer Theorie nach sollten wir nur Sachen behalten, die einen Nutzen stiften und Freude machen. Alles andere ist Belastung, physisch und vor allem psychisch. Und unser Besitz sollte gut sortiert sein. Das stiftet Kraft, Selbstbewusstsein und positive Energie. Ausmisten ist damit Entlastung. Ihre Methode ist radikal und kompromisslos, und das Buch lesenswert./2/

Während meine Frau das Buch von Frau Kondo liest, beschäftige ich mich mit den Themen Lean, Kaizen und die 5S-Haushaltsregeln für den Arbeitplatz. Am Frühstückstisch tauschten wir uns über die Ähnlichkeiten aus./3/ Eine Idee von Frau Kondo setzte mein Gehirn insbesondere im Gange. Wir kehren gleich zu den Teams und ihrer Vergangenheit zurück.

In einem Abschnitt über den Umgang mit alten Dingen, an denen man emotional stark hängt, schreibt Frau Kondo, dass man sich im Klaren sein muss, warum man daran festhält und welche wirkliche Rolle die Dinge im Leben gespielt haben. Ein altes Kleidungsstück, das man gekauft aber nie angezogen hat, gibt man häufig nicht weg, weil man sich vielleicht für den Fehlkauf schämt. Aber trotz dieser negativen Emotionen kann man etwas Positives erkennen. Das Stück hat einem doch eine Freude beim Kauf gegeben. Darüber hinaus hat das Stück uns etwas über Spontankäufe oder unseren wahren Geschmack beigebracht. Deshalb rät sie immer, sich beim wegzuwerfenden Ding zu bedanken. Das Wegwerfen ist in diesem Sinne Vergangenheitsbewältigung. Das Bedanken schafft “closure”.

Übertragen auf die Teamarbeit bedeutet das folgendes:
  • Die alten Gewohnheiten (Prozesse, Strukturen, Werkzeuge etc.) hatten in der Vergangheit ihre Richtigkeit und leisteten uns gute Dienste. Nur, ihre Funktionen stiften ihren alten Nutzen nicht mehr. Sie bringen uns keine Freude mehr.
  • Die Fehler der Vergangenheit erfüllten aber auch eine Funktion: das Lernen. Wir können für beide Punkte dankbar sein. Damit übertragen wir ihnen eine Ehre und Anerkennung.
  • Das Bedanken ist ein kraftvolles Instrument. Es zeigt zugleich Anerkennung als auch Abschluss. Da wir uns bedankt haben, haben wir keine offene Rechnung mehr und können ohne Reue in die Zukunft preschen.
  • Wenn wir dieses Prozedere als Ritual etablieren, können wir sicherlich schneller den Weg für die Zukunft freimachen.
  • Als Team-Ritual innerhalb von einem Veränderungsprozess ist es wichtig, dass alle sich daran beteiligen, inkl. wichtige Stakeholder wie der Chef.
Ich habe einige von Kondos Ideen mit meinen Sachen, inkl. Schreibtisch und Rechner, umgesetzt. Ich spüre nach jeder Aufräumaktion eine Leichtigkeit und eine Tatkraft, die sich alle anderen Aspekte meines Lebens übertragen. Und jetzt versuche ich es gleich im Team.

Anmerkungen

  • /1/ Penelope Green, “Kissing your Socks Goodbye: Home Organization Advice from Marie Kondo”, The New York Times, 23 October 2014. Marie Kondo, “Magic Cleaning: wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert”, Rowohlt, 2013. Mit ihrer Beratung hilft sie nicht nur Messies sondern Familien und Firmen, den Kleiderschrank, das Wohnzimmer, den Keller, den Schreibtisch und auch den Rechner auf das Wesentliche zu reduzieren. Der Rekord liegt bei einer vierköpfigen Familie, die 700 Müllsäcke weggeworfen hat. Ihr Haus war von normaler Größe und sah vorher nicht übermäßig voll aus.
  • /2/Frau Kondo geht radikal daran. Auch wenn jemand sagt z.B. “Irgendwann könnte das nützlich sein”, antwortet Frau Kondo “Irgendwann bedeutet nie”. Ein solches Objekt gehört in die Mülltonne (oder in die Spendenkiste). Und sie empfiehlt, ganze Bereiche in einem Schwung auszumisten. “Ein bisschen bringt gar nichts”, meint sie.
  • /3/ Der englische Titel, “The Life-Changing Magic of Tidying Up: The Japanese Art of Decluttering and Organizing”, zeigt, wie die Methode teilweise herkunftsbedingt ist. Die Platzknappheit in Japan erfordert gute Sortiersysteme. 5S sind 5 Kernaufgaben am Anfang von Kaizen: Sort, Straighten, Scrub, Systematize und Standarize. Und “Sort” steht in diesem Fall für Aussortieren von Werkzeugen am Arbeitsplatz, die man nicht regelmäßig benutzt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Beispiel für eine Partyplanung mit Scrum

Wer sich neu mit Scrum beschäftigt, ist vielleicht überwältigt von den ganzen Fachbegriffen. Dann sieht man vielleicht gar nicht, wie einfach die einzelnen Elemente von Scrum sind. Deshalb hier ein einfaches Beispiel für die Vorbereitung einer Party mit Hilfe von Scrum.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

Protokolle in OneNote - neue Ideen für's neue Jahr

Protokolliert Ihr Team seine Besprechungen in OneNote? Das geht einfach, schnell ist teamfähig und hat eine exzellente Suchfunktion. Die beliebte Fragen "Wann haben wir eigentlich beschlossen, dass..." ist so schnell beantwortet. Darum wird OneNote an dieser Stelle immer beliebter. In meinen Seminaren dazu sind gute Ideen entstanden, die ich hier weitergeben will.

Führung weiterentwickeln mit Surflehrer Pepe (Pedro)

Führung weiterentwickeln mit Surflehrer Pepe  "Du bist für dein Board verantwortlich, ich bin für dich verantwortlich. Wenn du genau das tust, was ich dir sage, werden wir und alle anderen Leute hier sicher sein und wir werden eine wunderbare Zeit haben." - Pepe (Pedro) Surflehrer in Ericeira Gute Führung hängt stark vom Kontext und der aktuellen Kultur des Unternehmens ab. Der Stil von Pepe unterschied sich von den anderen Surflehrern, die ich zuvor hatte. In diesem Beitrag erzähle ich euch mehr von meinem Surfkurs, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es eine Geschichte über meinen Surflehrer oder über Führung an sich ist.  Let’s grow, Michael

Was macht einen guten Abstract für eine Konferenz aus?

Ein guter Abstract spricht zwei Gruppen an: die Konferenzorganisatoren und die Besucher:innen. Einige Abstracts sind gut, andere verbesserungsfähig. Hier sind meine Erfahrungen als Organisator von mind. 15 Konferenzen.